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# taz.de -- Bundesländer: "Die SPD ist selber links"
> Rot-Rot: Was in Berlin funktioniert, könnte ein Vorbild für westdeutsche
> Bundesländer abgeben. Doch das Unbehagen an einer Zusammenarbeit mit der
> Linkspartei ist groß. Eine Länderschau.
Bild: Rot und Rot in trauter Eintracht. Findet nicht jedermann schön.
Hessen: Ein linkes Bündnis ohne Linke (Klaus-Peter Klingelschmitt)
"Wir sind selbst links", sagt SPD-Partei- und Fraktionschefin Andrea
Ypsilanti und erteilt allen Spekulationen über eine denkbare Koalition mit
der neuen Konkurrenz Die Linke eine "glasklare Absage". Dabei wird der
Linkspartei in einer Umfrage von Ende Juni zur Landtagswahl im Januar 2007
ein Stimmenanteil von 6 Prozent vorausgesagt. Die SPD landet bei mageren 27
Prozent; ein Minus von 5 Prozent im Vergleich zu einer Umfrage vom Mai. Der
Wunschkoalitionspartner der SPD, die Grünen, werden seit Monaten mit
stabilen 11 Prozent gehandelt.
Die Rechnung ist also schnell aufgemacht: 27 + 11 = 38. Das wird nicht
reichen, um Roland Koch (CDU) die Staatskanzlei streitig machen zu können.
Denn für CDU und FDP werden zusammen 50 Prozent prognostiziert.
"Es wird ein Bündnis links der Mitte ohne die Linke geben", behauptet
Ypsilanti dennoch steif und fest. Anders als in manch anderem Bundesland
sei die SPD in Hessen eng mit den Gewerkschaften verflochten. Und auch beim
sozialen Engagement mache der hessischen SPD keiner etwas vor. "Die Linke
hat hier in Hessen keine Chance", sagt Fraktionssprecher Frank Steibli:
"Alle politischen Felder sind von uns besetzt." Die Linke, prophezeit
Steibli, werde nicht in den Landtag einziehen. So abgeurteilt, schlägt
diese jetzt verbal zurück. In ihrem aktuellen Zustand sei die SPD kein
Koalitionspartner, sagte das geschäftsführende Vorstandsmitglied der
hessischen Linken, Janine Wissler, der taz. Auch in Hessen trage die SPD
alle "Schweinereien" der Mutterpartei wie etwa Harz IV mit, behaupte aber
"verbalradikal" das Gegenteil. Die Wähler würden das durchschauen.
Vorstellen kann sich Wissler eine "punktuelle Zusammenarbeit" etwa bei der
Abschaffung der Studiengebühren.
Niedersachsen: Dehm bleibt lieber in Berlin (Kai Schönberg)
"Wenn es rechnerisch möglich wäre, würde er, ohne mit der Wimper zu zucken,
mit den Kommunisten paktieren", sagt David McAllister, CDU-Fraktionschef im
Niedersächsischen Landtag. Gemeint ist Wolfgang Jüttner, mit 97,4 Prozent
gerade frischgekürter Spitzenkandidat der niedersächsischen SPD für die
nächsten Landtagswahlen im Januar 2008.
"Ich kann mit niemandem koalieren, der nicht in den Landtag kommt",
entgegnet darauf Jüttner. Das CDU-Gerede über eine Koalition der Linken mit
der SPD sei eine "Phantomdiskussion", fügt er hinzu. Die Linke habe sich in
Niedersachsen bislang weder inhaltlich noch personell aufgestellt.
Das stimmt: Wofür die noch nicht einmal fusionierten Parteien PDS und WASG
zwischen Harz und Heide stehen, ist dem Wahlvolk kaum bekannt. Dennoch
taxieren Umfragen sie auf 4 Prozent. Nur mit den Linken im Landtag sei die
schwarz-gelbe Landesregierung unter Ministerpräsident Christian Wulff (CDU)
zu stürzen, verkündet Landeschef Diether Dehm. Ganz so sicher ist er sich
aber offenbar auch nicht: Dehm will auf jeden Fall lieber weiter
Bundestagsabgeordneter der Linken in Berlin bleiben.
Auch die aktuellen Umfragen sprechen gegen rot-rote Optionen: Selbst eine
von der SPD in Auftrag gegebene Erhebung von TNS Infratest sieht einen
Abstand von 5 Prozent zwischen SPD und CDU. Forsa taxiert Wulffs Partei gar
auf 46, die SPD nur auf 29 Prozent. Forsa-Chef Manfred Güllner gab den
Sozialdemokraten den auch einen guten Rat: Es wäre "kontraproduktiv", im
Wahlkampf Fotos des auch in den eigenen Reihen als "zahnlos" kritisierten
Jüttner gegen Wulff, den Schwiegermutterliebling und lange Zeit
beliebtesten Politiker Deutschlands, zu plakatieren.
Haben die Demoskopen recht, wird Wulff auch nach den Wahlen weiter mit der
FDP paktieren können. Für das von Jüttner favorisierte Bündnis mit den
Grünen reicht es in Niedersachsen derzeit nicht: Laut den Umfragen kommt
die FDP auf etwa 8, die Grünen erreichen rund 9 Prozent.
Ba-Wü: Rot-Rot kommt erst 2048 (Georg Löwisch)
In Baden-Württemberg könnte es um das Jahr 2048 zu einer rot-rot-grünen
Koalition kommen. Dann wird Ulrich Maurer, heute Aufbauchef der Linken in
Westdeutschland, 100 Jahre alt und mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit
aus der Politik ausgestiegen sein. Bis dahin jedoch ist eine Zusammenarbeit
zwischen der Linken und den Sozialdemokraten unmöglich. Maurer gehörte
selber Jahrzehnte der Ba-Wü-SPD an. Er war ihr Chef. Dann haben sie ihn
abgesägt und Ute Vogt als Nachfolgerin gewählt, Maurers politisches
Ziehkind. Seitdem haben sich die beiden mindestens so lieb wie Lafontaine
und Schröder.
So weit das Personal. Das andere sind die regionalen Gegebenheiten. Bleiben
wir dazu in diesem Jahrzehnt. Vogt hat die SPD 2006 bei der Landtagswahl
auf 25,2 Prozent zurückgeführt, Maurer holte 3,1. Wenn man die
5-Prozent-Hürde außer Kraft setzt und die 11,7 Prozent von den Grünen
dazurechnet, ergeben sich stattliche 40 Prozent. Spekuliert man, dass
Günther Oettinger noch ein paar Fettnäpfchen aufspürt, bliebe trotzdem ein
Haken: die Grünen. Ein großer Teil ihrer Anhänger im Südwesten wählt sie
als sparsame Mittelstandspartei, Schwarz-Grün und sogar Schwarz-Gelb-Grün
läge den meisten mehr. Und wenn die Linke zulegt? "Die Existenzbedingungen
der Eiszeit, in der wir leben, sind so empörend, dass kein Raum mehr ist
für die ausgefeilte Kunst der Relativierung", poltert Maurer in seinem
neuesten Buch. Na ja, in seiner Heimat liegt die Arbeitslosenquote bei 4,8
Prozent.
Hamburg: Vier sind einer zu viel (Jan Kahlcke)
Eine komfortable Mehrheit von gemeinsam 46 Prozent sagte Forsa kürzlich
Sozialdemokraten und Grünen in Hamburg voraus. Doch selbst wenn es bei den
Wahlen zur Bürgerschaft im Februar nächsten Jahres so kommen sollte, würde
dieses Ergebnis nur in einem Dreiparteienparlament zum Regieren reichen.
Danach aber sieht es derzeit nicht aus: Die FDP würde nach dieser Umfrage
mit 4 Prozent draußen bleiben, die Linke hingegen wäre mit 6 Prozent in der
Bürgerschaft vertreten. Die erklärten Wunschpartner SPD und GAL kämen also
nur zusammen mit der Linken auf die absolute Mehrheit.
Eine solche Zusammenarbeit hat der sozialdemokratische Spitzenkandidat
Michael Naumann gleich nach seiner Nominierung im Interview mit der taz
kategorisch ausgeschlossen. In einem der konservativsten Landesverbände ist
der Kandidat völlig auf Parteilinie, auch wenn er für seine Ablehnung der
Linkspartei persönliche Motive aufführt: "Meine Mutter und ich sind in
buchstäblich letzter Minute der DDR entkommen, als meine Mutter von der
Stasi verhaftet werden sollte." Solange ehemalige Stasi-Mitarbeiter in
dieser Partei mitwirkten, sei ihm dieses Milieu suspekt.
Festgelegt hat er sich auch im Hinblick auf die CDU: "Eine große Koalition
fände ohne mich statt. Da gibt es kein Herumreden", sagte er bei einer
Plauderstunde im lokalen Fernsehsender Hamburg 1. Die SPD zieht also mit
dem bei derzeit prognostizierten 29 Prozent utopischen Ziel einer eigenen
Mehrheit in den Wahlkampf und hat, falls daraus nichts wird, nur einen
möglichen Partner, nämlich die Grün-Alternative Liste. Die wiederum
experimentiert auf Bezirksebene mit schwarz-grünen Bündnissen.
Inzwischen ist die Hamburger Linkspartei ein wenig profilierter
Altherrenverein ohne bekannte Köpfe. Allenfalls vom Hamburger
Bundestagsabgeordneten und renommierten Völkerrechtler Norman Paech könnte
ein wenig Licht auf die Hamburger Genossen scheinen. Immer wieder kursieren
Gerüchte, die Linke habe versucht, prominente Hamburger als Kandidaten zu
gewinnen, und sich dabei nichts als Abfuhren eingehandelt. Die Partei, die
sich erst am kommenden Wochenende formal gründen wird, bestreitet das.
"Sollen CDU und SPD ihre personalisierten und amerikanisierten Wahlkämpfe
führen", sagt PDS-Landesgeschäftsführer Martin Wittmaack. "Wir wollen mit
dem Thema soziale Gerechtigkeit punkten."
Saarland: Keine klare Absage an Lafontaine (Klaus-Peter Klingelschmitt)
Für Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) ist der zur Linken
konvertierte Exsozialdemokrat Oskar Lafontaine nur ein "Scheinriese". Doch
der Schatten Lafontaines ist immerhin so groß, dass er von Berlin bis
Saarbrücken reicht und dort die Welt der Sozialdemokraten verdunkelt.
Würden an der Saar schon jetzt Landtagswahlen stattfinden, käme die SPD auf
nur noch 26 Prozent der Wählerstimmen. Bei einer entsprechenden Umfrage im
November letzten Jahres wollten noch 34 Prozent für die SPD votieren. Im
gleichen Zeitraum legte Die Linke in der Wählergunst um 3 Prozent auf 13
Prozent zu. Nach der Fusion von WASG und PDS wird der Linken an der Saar
mit dem ehemaligen Ministerpräsidenten Lafontaine auf dem ersten
Listenplatz für 2009 ein noch größerer Wahlerfolg zugetraut.
Die Linke selbst geht von "deutlich über 20 Prozent" aus. Eine Horrorvision
für die Sozialdemokraten an der Saar. Denn ohne Linkspartei ist der Traum
vom Regierungswechsel im Land ganz bestimmt nicht zu realisieren.
Gebraucht werden könnten zudem die Grünen. Die aber halten sich bei der
Koalitionsfrage bedeckt. Verliert die CDU in zwei Jahren ihre absolute
Landtagsmehrheit und scheitert die FDP zeitgleich an der Fünfprozenthürde,
ist die Partei ganz bestimmt eine Option für Ministerpräsident Peter
Müller.
Die SPD jedenfalls steckt im größten Dilemma ihrer Landesparteigeschichte.
Für viele Genossen ist Lafontaine, der nur "Kontinuität in der Illoyalität"
gezeigt habe, so der Partei- und Landtagsfraktionsvorsitzende Heiko Maas,
inzwischen persona non grata - und nicht koalitionsfähig. Für einige andere
ist er noch immer "unser Oskar".
Die programmatischen Schnittmengen sind ohnehin groß. Die Linken um den
Bundestagsabgeordneten Ottmar Schreiner geben bei der SPD an der Saar
schließlich oft noch den Ton an, vor allem auf Programmparteitagen.
Zwischen allen Stühlen aber sitzt Maas, das Ziehkind von Lafontaine. Die
Ankündigung von Lafontaine, bei den Landtagswahlen anzutreten, nennt er
eine "Showkandidatur". Doch einer Koalition mit der Linkspartei will er
keine klare Absage erteilen. Man müsse sich jetzt offensiv mit der Partei
auseinandersetzen, lautet sein Credo. Die Linke hat darauf bereits
reagiert. Man werde 2009 an der Saar "nicht um jeden Preis" mit der SPD
koalieren. Das aber steht schon heute fest: Ohne Lafontaine bleibt Maas
Oppositionsführer, mindestens bis 2014.
2 Jul 2007
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