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# taz.de -- Rechtsradikalismus: "Heute seid ihr alle dran!"
> Die Polizei wertet die Schlägerei in einem Zug nach Rostock als
> ungeklärten Fall. Eine Schülerin berichtet, was sie erlebt hat.
Bild: In Fragen der Gewalt allzeit bereit: Neonazis
BERLIN taz Was passierte am vergangenen Wochenende in einem Regionalzug bei
Rostock? Darüber gehen die Ansichten weit auseinander. Reisende berichten,
sie seien von einem rechtsextremen Prügelkommando überfallen worden. Die
für die Bahn zuständige Bundespolizei will diese Version bis heute nicht
bestätigen, sie spricht von einer Auseinandersetzung zwischen Linken und
Rechten im Vorfeld der NPD-Demo in Rostock. Beide Seiten bezichtigen sich
der Gewalt. Eine 18-jährige Schülerin aus Mecklenburg-Vorpommern berichtet
der taz, was sie erlebte. Aus Angst will sie anonym bleiben.
"Ich war mit Freunden von einem Musikfestival unterwegs. Einige wollten in
Rostock gegen die NPD demonstrieren, andere einfach nur nach Hause. In
Schwaan sind wir in den Zug gestiegen. Ich hörte, dass im oberen Stock laut
geredet wurde. Dann kamen Leute die Treppe herunter. Ihre Klamotten und
Frisuren sahen sehr rechts aus. Am Bahnhof Pölchow stiegen sie aus. Ich bin
ins Fahrradabteil gegangen. Was dann passierte, war unglaublich.
Die Tür ging auf und plötzlich sprangen vom Bahnsteig mehrere Männer in den
Zug. Einer rief: Jetzt gehts los! Dann fingen die Männer an, wie wild die
Leute zu verkloppen. In dem Wagen brach Panik aus. Leute haben versucht,
sich nach hinten zu flüchten. Ich hörte, wie von außen eine Scheibe mit
einem Stein eingeschlagen wurde. Gleich unter diesem Fenster saß eine
Mutter mit einem kleinen, blonden Mädchen, das vielleicht fünf oder sechs
Jahre alt war. Ich sah, dass es überall auf der Kopfhaut Splitter
abbekommen hatte und blutete. Dann zersplitterte auch noch eine Glastür im
Abteil. Ich dachte: Wir müssen dieses Kind irgendwie beschützen.
Dann sprang ein Nazi in den Wagen, er war ganz dunkel gekleidet, mit
ohrlangen, zurückgegelten schwarzen Haaren. Sein Blick war purer Hass. Er
trat und brüllte wild um sich. Wir schrien ihn an, dass hier ein Kind sei.
Er rief: Scheißegal! Heute seid ihr alle dran! Jetzt wird der Spieß
umgedreht!
Jemand trat einen Menschen, der am Boden lag, in Fötushaltung
zusammengekrümmt. Irgendwann hat einer der Schläger befohlen, dass alle
aussteigen, die zu dem Kind gehören. Draußen auf dem Bahnsteig standen die
Nazis wie im Spalier. Ich sah, wie Leute vom Bahnsteig über den Zaun eine
tiefe Böschung hinuntergestoßen wurden. Ich merkte, dass ich Blut an meinen
Händen hatte. Um mich herum waren Nazis, die mich filmten und auslachten:
Das geschieht euch recht! Einer versuchte noch, mir die Kapuze vom Kopf zu
reißen. Ich bin dann an das Ende des Bahnsteigs geflüchtet.
Als die Polizei kam, war am Bahnsteig nichts mehr los. Die Nazis standen
ruhig herum, lachten und rauchten. Wir waren alle total geschockt. Ich hab
nur noch geweint. Meine Personalien wurden aufgenommen. Ich wurde
abfotografiert und durchsucht. Ich hab mich wie ein Straftäter behandelt
gefühlt. Teilweise hat uns die Polizei noch angemacht, wir sollten uns
nicht so anstellen, wir hätten ja beim G-8-Gipfel auch Steine geschmissen.
Ich kann mich nicht daran erinnern, je einen Stein auf jemanden geworfen zu
haben.
Was genau im oberen Stock des Zugs vor dem Bahnhof Pölchow gelaufen ist,
habe ich unten nicht mitbekommen. Vielleicht hat auch aus unserer Gruppe
jemand während des Angriffs zum eigenen Schutz zurückgeschlagen. Ich weiß
das nicht. Ich persönlich finde: Gewalt ist keine Lösung."
Anmerkung der Redaktion: Nach Angaben der Bundespolizeidirektion Rostock
gab es bei der Schlägerei sieben Verletzte, wie viele Rechtsextreme
darunter waren, ist offen. Von einem verletzten Kind ist der Polizei nichts
bekannt. Möglicherweise habe die Mutter den Bahnhof verlassen, bevor die
Polizei eintraf, sagte ein Polizeisprecher. PROTOKOLL: ASTRID GEISLER
3 Jul 2007
## AUTOREN
Astrid Geisler
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