# taz.de -- Stoiber-Nachfolge: Ein langer Abschied | |
> Der nominierte bayerische Ministerpräsident Beckstein übernimmt von | |
> Edmund Stoiber ein stattliches Land - inklusive einer wirren CSU. | |
Bild: Kein schöner Abgang für Edmund Stoiber. | |
Man muss kein Anhänger von Edmund Stoiber sein, um ihm schönere | |
Abschiedsstunden im Münchner Landtag zu wünschen. Da steht er nun mit einem | |
Bündel grüner Blätter, auf die seine Fare-Well-Regierungserklärung gedruckt | |
ist, am Rednerpult, im dunklen Anzug mit rot-weiß gestreifter Krawatte. | |
Schon die Farbwahl passt nicht: Weiß-blau hätte ihm seine Frau Karin | |
bereitlegen sollen, die bayerischen Landesfarben. Rot-weiß wirkt wie ein | |
Gruß an die Franken, deren Emblem das ist. Aber die Franken - allen voran | |
sein designierter Nachfolger Günther Beckstein - verdienen keinen | |
Stoiber-Gruß, denn sie haben ihn gestürzt. | |
Die Langeweile während der endlosen Aufzählung von Stoiber-Verdiensten | |
durch Stoiber ist zu greifen, auch auf den CSU-Bänken. Günther Beckstein | |
und sein Verbündeter, der Niederbayer Erwin Huber, der Stoibers Nachfolger | |
als Parteivorsitzender werden will, sind erst während der Rede gekommen - | |
auch nicht die feine Art. Aber Stoiber hat die beiden in den vergangenen | |
Monaten ein ums andere Mal düpiert. | |
Unaufhörlich rattert die Stoiber-Bilanz dahin. Wenn der Bauer einem Hahn | |
für den Suppentopf den Kopf abschlägt und ihn nicht richtig festhält, kann | |
es passieren, dass das geköpfte Tier noch eine Runde im Hof dreht. So | |
ähnlich geht es dem bayerischen Ministerpräsidenten. Die Seinen haben ihn | |
längst einen Kopf kürzer gemacht, doch seine letzten Energien verwendet | |
Edmund Stoiber darauf, durch die Zukunft der Landespolitik zu hecheln, in | |
der er nicht mehr vorkommt. | |
Wenn ihm sein Büchsenspanner Martin Neumayer wenigstens ein paar Anekdoten | |
aufgeschrieben hätten: Wie er zum Beispiel Franz Josef Strauß dazu nötigte, | |
wenigstens ein paar Akten abzuzeichnen - indem er sich nämlich in den Fond | |
von Straußens Dienstlimousine setzte und ihm die Papiere so lange hinhielt, | |
bis der seinen Servus drunter machte. Oder etwas Versöhnliches für seine | |
zahlreichen Opfer: Für Theo Waigel, Barbara Stamm, Alfred Sauter, und das | |
sind beileibe nicht alle. Oder wie er seinen Freund, den Juzstizminister | |
Alfred Sauter - Sie, des war fei lustig ! - am Handy aus dem Kabinett | |
hinausgeschmissen hat. | |
Sarkastisch könnte er sein und sagen, dass er sich heute ans Hirn greife, | |
warum er im Sommer 2005 im Schattenkabinett von Angela Merkel nicht das | |
Finanzressort übernommen hat. Da hatte Stoiber Schiss. Aber heute wäre er | |
der Bundes-Kini, der zunächst Bayern saniert, dann die Mehrwertsteuer | |
durchgesetzt und jetzt die herrlichsten Steuereinnahmen hätte. Da sehen | |
Sie, könnte er sagen, wie schmal der Grat zwischen maximalem Erfolg und | |
jähem Absturz ist. | |
Reflexion, Selbstkritik, Spass: das war nie Stoibers Sache. Er punktete | |
immer mit dem, was ihm gegeben war: Fleiß, Durchsetzungsvermögen, | |
Disziplin, Themensicherheit waren seine Stärken, und niemand wird sagen, | |
dass sie in den 14 Jahren seiner Herrschaft Bayern nicht zu gute kamen. Der | |
CSU-Erbhof mit der weiß-blauen Lüftlmalerei steht stattlich da, der | |
Misthaufen hinter dem Haus ärgert nur die notorischen Quengler von der SPD | |
und den Grünen. 2003, als er die CSU zur Zweidrittel-Mehrheit bei der | |
Landtagswahl führte, hätten sie ihm einen Vertrag auf Lebenszeit zu Füßen | |
gelegt. Und jetzt das. | |
Es bleibt rätselhaft, warum sich Edmund Stoiber beim winterlichen | |
Putsch-Treffen in Wildbad Kreuth plötzlich ganz gegen sein Naturell so | |
ergeben in sein Schicksal gefügt hat. Es gab und gibt aus der CSU keine | |
konkreten politischen Vorwürfe gegen ihn, nur diesen Überdruss und die | |
Angst, mit ihm 2008 die nächste Landtagswahl zu verlieren. Verlieren heißt | |
bei der CSU, die absolute Mehrheit zu verfehlen. Bei den | |
Landtagsabgeordneten, deren Anzahl sich derzeit aus dem 60-Prozent-Triumph | |
Stoibers von 2003 ergibt, fielen dann viele Mandate weg, auch das hat eine | |
Rolle gespielt. | |
Ob der Putsch wirklich erfolgreich war, wird endgültig erst mit Becksteins | |
Wahlergebnis von 2008 feststehen. Der zeigt aber jetzt schon Unsicherheit. | |
Gestern hat er ängstlich seine Kandidatur von der Landtagsfraktion | |
festklopfen lassen, obwohl sie formal der Parteitag im September zu | |
beschließen hätte. Das ist kein Zeichen von Selbsbewußtsein. | |
Derweil geht es in der CSU zu wie bei Familie Flodder, in der jeder macht | |
was er will. Der Gegenkandidat Hubers für den Parteivorsitz, der | |
Frauenverbraucherminister Horst Seehofer, hat seine Chancen krass | |
gemindert, weil er sich eine Geliebte und unehelichen Nachwuchs zugelegt | |
hat. Gabriele Pauli, reizvolle Vertreterin der Minderheitenfraktion "Latex | |
und Lederhose", will jetzt auch CSU-Vorsitzende werden und wird aus der CSU | |
angegiftet. | |
Generalsekretär Markus Söder, Stoibers letzter, wenn auch wirkungsloser | |
Getreuer, sucht verzweifelt Unterschlupf in Becksteins Kabinett. Huber | |
will, wenn er gewählt wird, vielleicht zur Absicherung der Macht auch noch | |
Fraktionsvorsitzender im Landtag werden und der momentane Fraktionschef | |
Joachim Herrmann weiß nicht, was er dann noch wollen soll. Und in Berlin | |
schaut man feixend zu, wie aus dem Fernschnellzug CSU ein Regionalexpress | |
wird. | |
Und Stoiber steht am Rednerpult und redet, als träte er gar nicht zurück. | |
20 Jul 2007 | |
## AUTOREN | |
Michael Stiller | |
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