# taz.de -- Bangladesch: Abwracken im Entwicklungsland | |
> Alte Schiffe in Asien demontieren zu lassen, kommt Unternehmen und | |
> Staaten billiger als in Europa. Das EU-Parlament fordert nun verbindliche | |
> Regeln. | |
Bild: Wenn es nach dem Europäischen Parlament ginge, dürften giftige Schiffe … | |
BRÜSSEL / BERLIN taz "Es ist nicht unser Mist - es ist eurer." Muhammed Ali | |
Shahin ist wütend. Aber er spricht ruhig und gefasst während er seine Fotos | |
von Bangladesch zeigt: Es sind Bilder von alten, rostenden Schiffen, | |
Wrackteilen, Stahlplatten. Dutzende Männer ziehen an einem Seil, um ein | |
ausgedientes Schiff an Land zu bringen. Barfuß. Ohne Schutzhelm, ohne | |
Handschuhe. Staub und Qualm sind auf einem anderen Foto zu sehen - und ein | |
Mann mit einem Schweißgerät. Schutzbrille hat er keine. "Und er arbeitet | |
ohne Maske", sagt Shahin. "Er atmet all die Dämpfe und das Gift ein." Gift, | |
das eigentlich nicht in dem Schiff sein sollte, meint der Aktivist der | |
"Plattform Schiffsabwrackung", der nach Brüssel gekommen ist, um über die | |
Abwrackung in seiner Heimat zu berichten. | |
Damit steht der junge Mann nicht allein da: Seit zehn Jahren ist es laut | |
EU-Recht verboten, gefährliche Abfälle in Entwicklungsländer auszuführen. | |
Das hält weder private Unternehmen noch Staaten davon ab, ihre mit | |
Quecksilber, Blei, Öl und Asbest gefüllten alten Forschungsschiffe, Tanker, | |
Flugzeugträger, Frachter nach Asien zu bringen. Denn das Ausfuhrverbot | |
lässt sich laut EU-Kommission nur schwer anwenden, wenn ein Schiff die | |
europäischen Gewässer bereits verlassen hat und sein Eigentümer erst dann | |
offiziell beschließt, es zum Abwracken beispielsweise nach Bangladesch zu | |
schicken. Dabei profitiert das Land, das Stahl braucht. Und die | |
noch-Eigentümer können Umwelt- und Sozialauflagen umschiffen. Das | |
Lohnniveau ist ohnehin niedriger als in Europa. | |
Die meisten der Schiffsabwracker stammen aus dem Norden Bangladeshs: Es | |
sind Kleinbauern, die vom Reisverkauf allein nicht leben können. Das wissen | |
jene, die die alten Schiffe erwerben, um den Stahl weiterzuverkaufen. Sie | |
schicken Mittelsmänner los, die Arbeitskräfte rekrutieren. "Es zerlegen | |
Väter und Söhne Schiffe. Ein Zehnjähriger hat mir erzählt, dass er seine | |
Mutter schon monatelang nicht gesehen hat", berichtet Shahin. "Und ich habe | |
Tote gesehen. | |
Auf jedem Schiff arbeiten hunderte Männer und Jungen, pro Jahr sind es | |
30.000 auf den rund 60 Schiffen, die von der ganzen Welt aus in Bangladesch | |
ankommen. Vorsichtsmaßnahmenkataloge gibt es keine - die Männer könnten sie | |
auch nicht lesen. "Ohne genau von den Gefahren zu wissen, laden sie zum | |
Beispiel Stahlplatten auf ihre Schultern und schleppen die Teile zu acht | |
oder zehnt", sagt Shahin und deutet auf ein Foto. "Wenn einer hinfällt, | |
kann das schlimme Folgen haben." Andere schütten mit bloßen Händen Öl von | |
kleineren Tonnen in größere. "Die Arbeit an den Schiffen schadet nicht nur | |
der Gesundheit der Männer. Öl und Gifte gelangen durch Fische in die | |
Nahrungskette", sagt Shahin. "Das Europäische Parlament verurteilt die | |
Bedingungen, unter denen derzeit Schiffe in Entwicklungsländern zerlegt | |
werden", heißt es in der vergangenen Woche formulierten Stellungnahme zum | |
"Grünbuch Meerespolitik" der EU-Kommission. Darin hat die Kommission im | |
Frühjahr "das weltweite Problem" beschrieben. Das Parlament forderte | |
daraufhin, dass sich die Gemeinschaft mit der Frage der Wiederverwertung | |
befasst "Denn das war bisher keine Priorität auf der Tagesordnung", sagt | |
Helge Jordan, Mitarbeiter des sozialdemokratischen Parlamentariers Willi | |
Piecyk. "Die Mitgliedsstaaten wollen das Thema lieber in der IMO behandelt | |
sehen." | |
Die IMO, die Internationale Seeschifffahrts-Organisation, ist eine | |
UNO-Sonderorganisation. Ihre Richtlinien sind unverbindlich. Zwar arbeitet | |
die IMO seit mehr als einem Jahr an einer bindenden Rechtsordnung - "aber | |
bis mehr als 160 Mitglieder einen Kompromiss finden, vergeht viel Zeit", | |
meint Jordan. | |
Doch auch die Forderungen des EU-Parlaments für die Abwrackung europäischer | |
Schiffe werden so schnell nicht erfüllt werden. Denn auch hier müssten sich | |
immerhin 27 Mitgliedsstaaten einig werden. "Wir fordern beispielsweise | |
einen green passport", sagt Jordan. Dieser Ausweis sollte mit den | |
Schiffspapieren zu führen sein und genauen Aufschluss darüber geben, welche | |
Substanzen die Schiffe enthalten und mit welchen Werkstoffen Reparaturen | |
durchgeführt wurden. Außerdem soll laut Parlament derjenige für die | |
Beseitigung des Schmutzes zu zahlen haben, der ihn verursacht. | |
"Der erste Schritt ist gemacht", sagt Jordan. "Aber von heute auf morgen | |
wird sich nichts ändern." | |
23 Jul 2007 | |
## AUTOREN | |
Christine Zeiner | |
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