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# taz.de -- Bahn-Tarifstreit: Lokführer verzichten auf Streiks
> Die Gewerkschaft GDL akzeptiert den Vergleichsvorschlag des
> Arbeitsgerichts. Arbeitgeberpräsident Hundt fordert indes ein
> Streik-Verbot von Spartengewerkschaften
Bild: GDL-Chef Schnell hofft, dass Geissler und Biedenkopf als Moderatoren in F…
NÜRNBERG/BERLIN/FRANKFURT AM MAIN taz/dpa/afp Bahnkunden bleiben bis
mindestens zum 27. August von Streiks verschont. Im Widerspruchverfahren
vor dem Arbeitsgericht Nürnberg akzeptierte die Lokführergewerkschaft GDL
am Freitag einen entsprechenden Vergleichsvorschlag der Richter, wie das
Gericht mitteilte. Demnach garantieren die Lokführer, während der nun
angesetzten Vermittlungsgespräche mit der Bahn-Führung für die kommenden
zweieinhalb Wochen auf Arbeitsniederlegungen zu verzichten. In einer ersten
Eilentscheidung hatte das Arbeitsgericht Nürnberg der GDL noch bis Ende
September Streiks untersagt. Dies sei "eine gute Nachricht für alle unsere
Kunden im Personen- und Güterverkehr", erklärte Konzernsprecher Oliver
Schumacher in Berlin.
Beide Seiten haben sich mit dem Vergleich vor dem Arbeitsgericht Nürnberg
zufrieden gezeigt. "Wir haben damit Planungssicherheit für den Ferienmonat
August", sagte Bahn-Verhandlungsführer Werner Bayreuther. Man habe nun drei
Wochen Zeit, um die Sache weiterzubringen. GDL-Chef Manfred Schell
erklärte, es sei nun wichtig, dass beide Parteien nicht länger auf ihren
Standpunkten beharrten. An der Forderung nach einem eigenen Tarifvertrag
für die Lokführer halte er aber weiterhin fest, bekräftigte Schell. Beide
Seiten betonten, sie gingen davon aus, dass mit der Berufung der früheren
CDU-Spitzenpolitiker Heiner Geißler und Kurt Biedenkopf als Mediatoren die
Vermittlungschancen gewachsen seien. Die Vermittlungsgespräche werden
möglicherweise bereits am kommenden Montag beginnen, so Schell.
Derweil hat Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt mit Blick auf den Konflikt
zwischen Bahn und Lokführern seine Forderung nach einem Eingreifen des
Gesetzgebers bekräftigt. "Der Streik einer Spartengewerkschaft für die von
ihr vertretene Minderheit der Belegschaft muss per Gesetz für
unverhältnismäßig und damit unzulässig erklärt werden, wenn bereits ein
Tarifvertrag existiert, der alle Beschäftigten erfasst", heißt es einer am
Freitag in Berlin veröffentlichten Erklärung Hundts.
Hundt sieht die Tarifautonomie wegen der zunehmenden Konflikte mit
Spartengewerkschaften wie der GDL in Gefahr. Da bei der Bahn ein gültiger
Tarifvertrag mit einer Tarifanhebung um 4,5 Prozent bereits existiere, sei
der Flächentarifvertrag durch einen Arbeitskampf einer kleinen Gruppe von
Beschäftigten "akut gefährdet". Gegen einen gültigen Tarifvertrag darf nach
Ansicht der Arbeitgeber aus Gründen der Tarifeinheit und der
Friedenspflicht nicht gestreikt werden.
Der Gesetzgeber müsse daher sicherstellen, dass in Unternehmen
"grundsätzlich nur ein Tarifvertrag Anwendung findet". Ansonsten drohe,
dass Unternehmen durch ständige Tarifauseinandersetzungen mit
Spartengewerkschaften um eigene Tarifverträge lahmgelegt werden. Hundt wies
im Konflikt mit der GDL auf unterschiedliche Entscheidungen von
Arbeitsgerichten zum "Grundsatz der Tarifeinheit" hin. Werde dieses, den
Flächentarifvertrag schützende Prinzip, in Frage gestellt, werfe das
"unlösbare praktische und juristische Fragen" auf.
Der Tarifkonflikt zwischen der Lokführergewerkschaft GDL und der Bahn
entzweit zunehmend die Gewerkschaften. Die anderen beiden
Eisenbahnergewerkschaften Transnet und GDBA begrüßten am Freitag
ausdrücklich die Stellungnahme von dbb und ver.di zum Lokführerstreik, in
der der GDL eine Zersplitterung der Bahnbelegschaft vorgeworfen wurde.
Transnet-Chef Norbert Hansen sprach von Mobbing durch GDL-Funktionäre und
überzogenen Forderungen, die den Betriebsfrieden bei der Bahn massiv
störten.
"Jeder Mitarbeiter hat Anspruch auf eine gerechte Bezahlung; in einem
großen Konzern kann aber keine Berufsgruppe besondere Privilegien für sich
in Anspruch nehmen", erklärten Hansen und GDBA-Chef Klaus-Dieter Hommel.
Wenn sich im Lohnsystem der Bahn etwas ändern solle, dann für viele
Mitarbeiter. Der "Sonderweg" der Lokführer sei mehr als kontraproduktiv.
Im Bayerischen Rundfunk sagte Hansen, die Transnet-Mitglieder würden "schon
unter Druck gesetzt, das artet in Mobbing aus, von GDL-Funktionären". Ihm
persönlich lägen schon anonyme Morddrohungen vor, weswegen er Strafanzeige
erstattet habe. "Es ist tatsächlich so, dass dieser Streik einer kleineren
Gruppe im Unternehmen zu einer ganz erheblichen Störung der Kollegialität
und des betrieblichen Friedens führt", sagte Hansen.
Der Tagesspiegel berichtet, Hansen habe GDL-Chef Manfred Schell in einem
Brief vorgeworfen, die Bahn zu Betriebsauslagerungen und Arbeitsplatzabbau
zu treiben. Darin heiße es: "Die sich jetzt abzeichnende Situation wird am
Ende dazu führen, dass es nur Verlierer gibt." Hansen kritisiert demnach,
der geforderte eigene Tarifvertrag der GDL mit bis zu 31 Prozent mehr Lohn
würde "zu weit reichenden grundsätzlichen Verschlechterungen in der
Wirtschaftsentwicklung und in der Unternehmensstruktur führen". Zu
befürchten sei, dass die Bahn als Ausgleich für die Belastungen "einerseits
entsprechende strukturelle Veränderungen vornehmen wird, die sie aus
bestimmten Abhängigkeiten befreit, und andererseits mit Sicherheit eine
nicht unbedeutende Anzahl an Arbeitsplätzen akut gefährdet wird".
10 Aug 2007
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