Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Roman: Elvis Oke tanzt
> American Dream: Der Nigerianer Chris Abani hat einen Roman über einen
> Elvis-Imitator in Lagos geschrieben.
Bild: Raus aus Lagos: Elvis Oke träumt von Graceland.
Sie geben Elvis kein Geld dafür, dass er singt. Sie stecken ihm Geld zu,
damit er aufhört, zu singen und zu tanzen. Als Callboy schmettert er am
Stadtstrand von Lagos "Hound Dog" und bietet den typischen
Presley-Hüftschwung dar. Wenn Elvis Oke als Elvis Presley auftritt,
vermeidet er Schminke: Die mit eiserner Hand arbeitenden Sicherheitskräfte
des Militärregimes im Nigeria der 80er-Jahre könnten ihn als
Transvestiten-Hure verhaften. Auch würde er riskieren, als Tunte Prügel von
Landsleuten zu bekommen. Deshalb pudert sich Elvis nur weiß mit Talkum,
setzt eine Perücke auf und zieht Handschuhe an.
Elvis Oke ist die Hauptfigur in Chris Abanis zweitem Roman "GraceLand",
einer nigerianischen Geschichte über einen Elvis-Darsteller, die
Unwägbarkeiten des afrikanischen Alltags und den american dream, die in
einem Slum von Lagos im Jahr 1983 spielt.
Elvis Okes Mutter ist im Buch der wahre Presley-Fan. Ständig singt und
tanzt sie zu seiner Musik - nur folgerichtig, dass sie ihren Sohn nach ihm
benennt. Als sie an Krebs erkrankt, hält sie immer öfter im Kreise der
Familie ihre improvisierten Elvis-Sing- und -Tanzeinlagen ab. Als sie
stirbt, muss sich Sohn Elvis, gerade 16 Jahre alt, von nun an mit
Gelegenheitsjobs über Wasser halten. Seine erste Idee ist: Ich werde
Elvis-Imitator. Hatte er sich doch früher, angeregt von Frau Mama, wann
immer möglich Kinofilme mit Elvis Presley, Fred Astaire und Gene Kelly
angeschaut, um deren Tanzbewegungen zu studieren. Aber die
Elvis-Show-Einlagen bringen ihm in Lagos kein regelmäßiges Einkommen, und
er muss sich nach etwas anderem umschauen. So gerät er in die Lagoser
Halbwelt, dreht Marihuana-Joints für den Verkauf, tanzt als Callboy in
einer Bar für reiche Ausländerinnen und geht auf Diebestouren.
Schließlich lernt er den Gauner Redemption kennen, dessen Traum es ist,
nach Amerika zu kommen. Redemption organisiert sich ein Visum. "Mit diesem
Stempel im Pass kann ich nach Amerika und in einem Film mitspielen und so
Millionen verdienen", sagt er zu Elvis. Zunächst weiß Elvis nichts mit
diesem amerikanischen Traum anzufangen. Aber er fängt an, alle möglichen
Beschreibungen und Bilder von Amerika, die er zu hören und in die Hände
bekommt, aufzusaugen. Amerika wird auch für ihn zum Sinnbild eines
Wunschlebens. Und damit, merkt er, ist er nicht allein: Immer mehr Menschen
um ihn herum wollen um jeden Preis weg aus Afrika, nach Amerika. Das Land
der tausend Möglichkeiten fantasiert sich Elvis zum "Graceland". Als
Redemption ums Leben kommt, nimmt Elvis seine Identität an und reist los.
Chris Abanis "GraceLand" ist Fiktion. Sicherlich gibt es hier und da im
wirklichen Nigeria auch echte Fans des "King of Rock n Roll" wie Mutter
Oke. Weit verbreitet ist seine Musik nicht in dem westafrikanischen Land.
Aber doch so bekannt, dass die Kultfigur dem Autor Abani als
Projektionsfläche für den Traum von einem besseren Leben in einem anderen
Land plausibel erscheint. Elvis Presley taugt ihm für eine Geschichte, die
in den Achtzigern spielt, als Kontrast zum Slumleben in Lagos. Eine
Geschichte aus dem Heute bräuchte dazu wahrscheinlich eher Michael Jackson
oder 50 Cent.
Chris Abani: "GraceLand". Beck Verlag, München 2004, 451 Seiten, 24,90
Euro.
16 Aug 2007
## AUTOREN
Hakeem Jimo
## ARTIKEL ZUM THEMA
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.