# taz.de -- Gleichbehandlungsgesetz: "Es gab definitiv keine Klageflut" | |
> Der Wirbel um das Gleichbehandlungsgesetz sei übertrieben - in | |
> Deutschland gebe es kaum offene Diskriminierung, meint Ulrich Tschöpe, | |
> Anwalt für Arbeitsrecht. | |
Bild: Praktisch relevant ist eigentlich nur das Verbot der Altersdiskriminierun… | |
taz: Herr Tschöpe, vor einem Jahr trat das Allgemeine | |
Gleichbehandlungsgesetz (AGG) in Kraft. Die Wirtschaft warnte damals vor | |
einer Flut ungerechtfertigter Klagen. Sind die Befürchtungen eingetreten? | |
Ulrich Tschöpe: Nein. Es hat definitiv keine Klageflut gegeben. Die | |
befürchteten Folgen des AGG sind ausgeblieben. Im Bereich des | |
Landesarbeitsgerichts Berlin gab es in einem Jahr ganze 20 AGG-Klagen. In | |
anderen Gerichtsbezirken waren es noch weniger. | |
Hat Sie das überrascht? | |
Nein. Ich fand die Warnungen auch schon vor einem Jahr sehr übertrieben. | |
Warum gibt es so wenig Klagen gegen Diskriminierungen? Ist Deutschland | |
durch das AGG zum Musterland geworden? | |
In der deutschen Wirtschaft gab es auch schon vorher wenig offene | |
Diskriminierungen. Mir ist in Jahrzehnten als Anwalt kein Fall begegnet, | |
bei dem eine Stelle "nicht für Schwarze" ausgeschrieben wurde. Dass | |
Stellenangebote geschlechtsneutral sein müssen, gilt ohnehin schon lange. | |
Neu und praktisch relevant ist eigentlich nur das Verbot der | |
Altersdiskriminierung. | |
Darf ein Designbüro noch "junge" Mitarbeitern suchen? | |
Das würde ich nicht empfehlen. Aber wenn das Büro Mitarbeiter sucht, "die | |
zum Team passen", kann nichts passieren. | |
Der Arbeitgeber muss sich also nur geschickt anstellen? | |
So kann man es sehen. Ein gut organisiertes und beratenes Unternehmen wird | |
keine Probleme haben. Aber ich glaube, das Gesetz hat die Wirtschaft auch | |
sensibilisiert. Und wenn zumindest offene Diskriminierung unterbleibt, ist | |
das ja auch ein Erfolg, weil so gesellschaftliche Werte geprägt werden. | |
Sollte die Bundesregierung das Gesetz bekannter machen? | |
Die jahrelange erbitterte Auseinandersetzung um das Gesetz haben das AGG | |
doch schon recht publik gemacht. Insofern haben auch die Gegner ein gutes | |
Werk getan. | |
Neben dem Arbeitsrecht gilt das AGG auch bei zivilrechtlichen | |
Massengeschäften, also zum Beispiel im Restaurant oder im Supermarkt. Ist | |
die Bedeutung dort größer? | |
Soweit ich das übersehe, ist es dort ebenfalls nicht zu einer Klageflut | |
gekommen. Größere Relevanz könnten zwar Diskriminierungen bei der | |
Wohnungssuche haben. Gerade dort sieht das Gesetz aber viele Ausnahmen vor. | |
Neulich musste eine Familie auf Usedom ihr Ferienhaus räumen, weil sich die | |
Vermieterin am behinderten Sohn der Familie störte. Ein Fall fürs AGG? | |
Wohl nicht, da es sich nach den Berichten um ein Häuschen im Garten der | |
Vermieterin handelte. Für solche Fälle "besonderer Nähe" gilt das Gesetz | |
nicht. | |
Wie geht es weiter mit dem AGG? | |
In Zukunft werden sich verstärkt Betriebsräte um strukturelle | |
Diskriminierungen kümmern. So könnten sie zum Beispiel gegen Tarifverträge | |
vorgehen, die für klassisch weibliche Tätigkeiten eine schlechtere | |
Entlohnung vorsehen als bei traditionell männlichen Berufen. | |
INTERVIEW CHRISTIAN RATH | |
16 Aug 2007 | |
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München | |
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