# taz.de -- Transrapid: Stoiber will zum Abschied entschweben | |
> Bayerns Ministerpräsident will von der Kanzlerin hunderte Millionen Euro | |
> für den Transrapid. Warum? taz.de dokumentiert seine legendäre Rede von | |
> 2006. | |
Bild: "Wenn Sie vom Flug ... vom ... vom Hauptbahnhof starten...": Edmund Stoib… | |
Wenn Edmund Stoiber in diesen Tagen in Bayern auftritt, folgen Dramaturgie | |
und Rhetorik einer übersichtlichen Linie: Erst preist er den Freistaat | |
Bayern. Dann lobt er seine eigenen Leistungen in den vergangenen 14 Jahren | |
als Ministerpräsident. Um schließlich entschlossen zu verkünden, was er in | |
seinen letzten Wochen im Amt noch durchsetzen will: "Dass der Transrapid | |
als nationales technologisches Leitprojekt realisiert wird." Der Transrapid | |
in Bayern soll sein Denkmal werden. Die Magnetschwebebahn aus dem Hause | |
Siemens soll zwischen Münchner Hauptbahnhof und | |
Franz-Josef-Strauß-Flughafen gebaut werden, die Fahrtzeit würde 10 statt | |
wie bisher 40 Minuten betragen. Stoibers Abschiedsgeschenk an sich selbst. | |
Sogar die sonst so obrigkeitsergebene Bayerische Staatszeitung spottet | |
bereits über den "Edmund-Stoiber-Gedächtnis-Transrapid". | |
Heute gehen nun die Verhandlungen zwischen Bayern und dem Bund in die | |
"finale Phase", wie aus der bayerischen Regierung zu hören ist. Am heutigen | |
Montag trifft Stoiber in Berlin Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und SPD-Chef | |
Kurt Beck zum Koalitionsgespräch und will dort eine Entscheidung | |
herbeiführen. Im Laufe der Woche sollen dann Bundesverkehrsminister | |
Wolfgang Tiefensee (SPD) und der bayerische Wirtschafts- und | |
Verkehrsminister Erwin Huber (CSU) zusammenkommen, um die Details zu | |
klären. | |
Und dabei geht es um Geld: Bayerns Wirtschaftsminister Huber rechnet mit | |
1,85 Milliarden Euro, die Grünen im Bayerischen Landtag schätzen, dass das | |
Projekt mindestens 2,8 Milliarden Euro kosten wird. Rechnet man die nötigen | |
Sicherheitsvorkehrungen dazu, kommt ein Gutachten des renommierten | |
Verkehrswissenschaftlers Rössler auf 3,36 Milliarden Euro. | |
Das meiste Geld davon wird der Steuerzahler aufbringen - egal wie hoch die | |
Kosten werden. Der Bund soll nach der Vorstellung Bayerns die Hälfte der | |
Huberschen 1,85 Milliarden zahlen, der Freistaat 300 Millionen Euro, die | |
staatliche Deutsche Bahn als spätere Betreiberin 185 Millionen und der | |
Flughafen München - im Besitz der öffentlichen Hand - 100 Millionen Euro. | |
Der Bund hat bisher im Haushalt lediglich 550 Millionen Euro eingeplant. | |
Die Europäische Union hat vor kurzem signalisiert, dass von ihr nichts zu | |
erwarten sei. So klafft eine Finanzierungslücke: Je nach Rechnung fehlen | |
zwischen 400 Millionen und knapp 2 Milliarden Euro. | |
Der SPD-Haushaltspolitiker Johannes Kahrs verlangt von der Bundesregierung | |
eine harte Linie in der Verhandlung mit Stoiber. Der Bund solle keinesfalls | |
mehr bezahlen als Bayern. "Die Anbindung des Franz-Josef-Strauß-Flughafens | |
an den Münchner Hauptbahnhof ist kein nationales Leuchtturmprojekt", sagte | |
Kahrs am Wochenende der taz. "Das ist ein bayerisches Nahverkehrsprojekt." | |
Der Vorsitzende des Haushaltsausschusses im Bundestag, Otto Fricke (FDP), | |
sieht neben Bayern auch die Bahn und das Transrapid-Hersteller-Konsortium | |
der Konzerne ThyssenKruppp und Siemens in der Pflicht. "Der Bund darf nicht | |
wieder die Melkkuh sein", sagt Fricke. | |
Auch Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) ist strikt gegen den Transrapid. | |
"Die Magnetbahn statt oder neben einer S-Bahn auf kurzen Strecken | |
einzusetzen macht wenig Sinn." Damit stellt er sich gegen seinen | |
SPD-Kabinettskollegen Tiefensee, der die Magnetbahn in München realisieren | |
will, nachdem die Strecke Hamburg-Berlin im Jahr 2000 gescheitert ist. | |
Schärfster Kritiker ist und bleibt aber der Münchner Oberbürgermeister | |
Christian Ude (SPD), der sich schon seit Jahren gegen eine | |
Transrapid-Trasse zum Flughafen wehrt. Er hatte in den vergangenen Wochen | |
damit gedroht, einen Finanzierungsanteil des Flughafens, an dem die Stadt | |
rund 20 Prozent der Anteile hält, zu blockieren. Rechtlich ist dies jedoch | |
umstritten. Statt dem "sündteuren und verkehrspolitisch unsinnigen | |
Prestigeprojekt" favorisiert Ude eine Express-S-Bahn auf der 37 Kilometer | |
langen Strecke. Diese sei mit rund 500 Millionen Euro deutlich günstiger | |
als der Transrapid. Und auch die Münchner selbst scheinen nicht gerade | |
begeistert zu sein von den Magnetbahn-Plänen. Rund 23.500 Einwendungen | |
gegen die Baupläne haben Anlieger bereits eingereicht. In Umfragen und | |
Bürgerversammlungen hat sich stets eine deutliche Mehrheit gegen den | |
Transrapid ausgesprochen. | |
Stoiber aber ist offenbar bereit, für den Transrapid alles zu tun. | |
Schließlich könnte er sich mit dem Transrapid nicht nur ein Denkmal setzen, | |
sondern auch dem in München ansässigen, durch den Korruptionsskandal arg | |
gebeutelten Weltkonzern Siemens einen Gefallen tun. Mit der Trasse zum | |
Münchner Flughafen bekäme das Transrapid-Konsortium seine lange geforderte | |
"Referenzstrecke" in Deutschland, mit der die Magnetschwebebahn zum | |
Exportschlager werden soll. | |
Hierfür würde Stoiber auch tief in die Tasche greifen. In seiner letzten | |
Regierungserklärung hatte er angekündigt, notfalls auch das bayerische | |
Tafelsilber zu verscheuern und die Magnetbahn aus Privatisierungserlösen zu | |
finanzieren, etwa durch den Verkauf von Eon-Aktien, die der Freistaat hält. | |
Doch so bedingungslos sind selbst in der CSU längst nicht mehr alle | |
Politiker. "Das Geld wäre im ländlichen Raum besser aufgehoben als in | |
München", sagt ein CSU-Landtagsabgeordneter aus Unterfranken. Und auch | |
Stoibers Nachfolger als Ministerpräsident, Günther Beckstein (CSU), ist | |
vorsichtshalber schon mal auf Distanz gegangen. Er wolle den Transrapid | |
nicht "um jeden Preis", ließ er Ende Juli wissen. Beckstein macht damit | |
klar: Eine Niederlage wäre nicht seine - sondern Stoibers. Seine wohl | |
letzte. | |
20 Aug 2007 | |
## AUTOREN | |
Wolf Schmidt | |
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