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# taz.de -- Islam-Konvertiten: "Radikale sind nicht überrepräsentiert"
> Viele konvertieren aus einer Lebenskrise heraus zum Islam, sagt Monika
> Wohlrab-Sahr, Religionssoziologin an der Uni Leipzig. Die meisten übten
> die neue Religion aber nur im Privaten aus.
Bild: Ein Beispiel von vielen: Hauptschullehrerin Britgitte Weiß ist seit den …
taz: Frau Wohlrab-Sahr, die jüngsten Verhaftungen haben das Interesse auf
eine wenig beachtete Gruppe gelenkt: Deutsche, die zum Islam übertreten.
Sind Konvertiten besonders radikal?
Monika Wohlrab-Sahr: Nein. Es gibt keine Hinweise, dass sie unter den
Radikalen überrepräsentiert sind. Ein großer Teil der Konvertiten sind
Menschen, die die Religion ihres Partners annehmen. Die pflegen dann eher
einen volkstümlichen Islam. Es gibt aber auch eine kleine Gruppe, die sich
von einem rigorosen Islam angezogen fühlt.
Und was fasziniert sie daran?
Das sind Menschen, die aus einer Lebenskrise heraus eine neue Religion
suchen. Sie fühlen sich isoliert. Sie haben vielleicht den Job verloren,
oder ihre Ehe ist zerbrochen. Nun suchen sie eine stabile neue Einbindung.
Diese Menschen landen dann oft bei einer rigorosen Form des Islam. Wer sein
altes Leben hinter sich lassen will, wechselt nicht zu einem volkstümlichen
Islam. Er will das Strenge, das Schriftgelehrte.
Warum wendet er sich ausgerechnet dem Islam zu? Es gibt doch auch unter den
Christen radikale Strömungen.
Diese Menschen könnten auch zum evangelikalen Christentum wechseln. Aber
beim Islam können sie sich stärker absetzen. Sie können ihren Eltern oder
Bekannten besser verdeutlichen: Jetzt bin ich ein anderer Mensch. Hinzu
kommt, dass der Islam gerade in der Öffentlichkeit sehr präsent ist. Das
macht ihn besonders attraktiv.
Sind es also gerade die Konvertiten, die für strenge Regeln eintreten?
So pauschal stimmt das nicht. Zwar habe ich schon erlebt, dass Türken sehr
befremdet waren, wie rigoros Konvertiten die Glaubensvorschriften
einhalten. Aber es gibt auch in der türkisch-arabischen Gemeinde eine
Strömung, die sich vom Kulturislam der Eltern absetzen will. Es stört sie,
wenn ihre Väter auch mal ein Bier trinken. Oder ihre Mütter nur deshalb ein
Kopftuch umbinden, weil man das eben so tut. Sie wollen sich mit den
Schriften befassen, einen "reinen" Islam leben. Da gibt es eine Nähe zu den
rigorosen Konvertiten.
Dass die Menschen einen rigorosen Islam leben, heißt aber doch noch lange
nicht, dass sie Islamisten werden.
Natürlich nicht. Bei den meisten beschränkt sich das strenge
Glaubensverständnis aufs Privatleben. Sie trinken keinen Alkohol, gehen
nicht in Diskos. Frauen reichen Männern nicht die Hand. Aber es gibt in
dieser kleinen Gruppe auch einige, die sich politisch radikalisieren. Sie
finden darin einen neuen Lebenssinn.
Nimmt denn die Zahl der Konvertiten insgesamt zu?
Darüber haben wir keine verlässlichen Zahlen. In den Medien kursieren immer
wieder die Angaben des Islam-Archivs in Soest. Demnach soll sich die Zahl
der Konvertiten vervierfacht haben. Aber diese Angaben sind absolut nicht
seriös. Sie wurden nicht nach wissenschaftlichen Maßstäben erhoben.
Realistischer ist, dass es einen kleinen Anstieg gibt.
Besteht dann doch Anlass zur Sorge? Je mehr Konvertiten es gibt, desto
wahrscheinlicher ist es, dass sich unter ihnen auch Radikale befinden.
Eine leichte Steigerung ist ganz normal. Das ist eher ein gutes Zeichen. Je
pluraler eine Gesellschaft ist, desto mehr Konvertiten gibt es. Die
Kulturen durchmischen sich, Christen und Muslime schließen Freundschaften
und verlieben sich. Wir dürfen nicht vergessen, dass etwa zwei Drittel der
Konvertiten Frauen sind. Unter denen sind viele, die einen muslimischen
Partner habe, die sich deshalb dieser Religion verbunden fühlen. Ich will
die Gefahr, die von islamistischen Konvertiten ausgeht, nicht kleinreden.
Aber eine Massenströmung ist das definitiv nicht.
INTERVIEW: COSIMA SCHMITT
7 Sep 2007
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