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# taz.de -- Zeitung der Zukunft: Global News
> Angst vor Katjuschas? Schon mal Koks in Nudeln gefunden? Oder der "Grey
> Lady" begegnet? Eine Reise durch die Blätterwelt.
Bild: Nur die südafrikanische Boulevardpresse übertrifft die Geschmacklosigke…
Südafrika
Kokain in Nudeln: Wer die britische Boulevardpresse schon für geschmacklos
hält, sollte lieber nicht nach Südafrika ziehen. Sex & Crime, vor allem
Crime lautet das Erfolgsrezept der Daily Sun, die ihr britisches
Murdoch-Vorbild mit Geschichten aus dem realen Leben problemlos übertrifft.
Schlagzeilen wie "Mädchen, die Löffel pissen" oder Geschichten über einen
Hai, der nur Weiße frisst - in einem Land, das an Hexerei glaubt, ist alles
möglich -, passen nur auf den ersten Blick nicht zum deklarierten
Marktsegment der neuen schwarzen Mittelklasse Südafrikas. Es gibt
inzwischen Schwesterzeitungen auf Afrikaans und Zulu. Sogar in Nigeria, dem
bevölkerungsreichsten Land Afrikas, hat die Daily Sun inzwischen einen
Ableger gleichen Namens gefunden. "Dealer versteckte Kokain in Nudeln"
lautete da kürzlich eine typische Schlagzeile. Aber meist ist das
nigerianische Gegenstück seriöser, denn in Nigeria lesen nur Intellektuelle
Zeitung, anders als in Südafrika.
Kenia
Das Panafrika-Konzept: In manchen Dingen ist die afrikanische Integration
der europäischen voraus, so auch auf dem Pressemarkt. Der kenianische
Zeitungskonzern Nation Media Group, der auch mit südafrikanischem Kapital
operiert, hat sich aus Kenia heraus nach ganz Ostafrika ausgeweitet; ihm
gehört Ugandas einzige unabhängige Tageszeitung, Monitor, sowie die
panafrikanische Wochenzeitung East African, die in Kenia, Uganda, Tansania
und in geringerem Maße auch in Ruanda und Burundi vertrieben wird und
Nachrichten aus allen Ländern gleichermaßen bringt. "Afrikanische Medien
für Afrika" lautet das Konzernmotto, und das Rezept funktioniert: Im 1.
Halbjahr 2007 stieg der Umsatz gegenüber dem gleichen Vorjahreszeitraum um
16 Prozent.
Ruanda
Nach dem Völkermord: In einem Land, wo Hetzmedien einen Völkermord
vorbereiten halfen, ist Pressefreiheit ein heikles Thema. Die einzige
Tageszeitung Ruandas, die New Times, gehört faktisch der Regierungspartei
und bringt nur offiziell gebilligte Nachrichten. Dabei ist Kritik an
einzelnen Regierungshandlungen im Falle Ruandas eher häufiger als in vielen
anderen Ländern, aber immer wieder gehen Journalisten ins Exil, weil sie
die undefinierten und oft wechselnden Grenzen zwischen erlaubter und
unzulässiger Kritik überschreiten. Unabhängige Wochenzeitungen überleben
selten lange. Aber gerade weil in Ruanda Hetzmedien vor 1994 einen
Völkermord vorbereiten halfen, hegen die meisten Ruander heute sowieso eine
gesunde Skepsis gegenüber allem, was sie aus ihren Medien erfahren.
Kongo
1-Mann-Gerüchteküchen: Die Demokratische Republik Kongo zählt Dutzende
Minizeitungen, von denen viele eher Printversionen von Blogs ähneln -
Gerüchteküchen im Einmannbetrieb. Eine unabhängige Medienbehörde, die die
Einhaltung professioneller Mindeststandards überwachen soll, wurde kurz vor
Kongos ersten freien Wahlen 2006 von oppositionellen Demonstranten
niedergebrannt und führt seitdem nur noch ein Schattendasein. Ein Gehalt
bekommen Journalisten nur bei wenigen Presseorganen. Bezahlt werden sie
meist von den Objekten ihrer Berichterstattung, weshalb trotz des desolaten
Zustands des Landes viel mehr positive als negative Berichte in den
Zeitungen stehen. Professionelle Medienarbeit, wie beispielsweise in der
führenden Tageszeitung Le Potentiel, ist selten und gefährlich, wie
regelmäßig vorkommende Morde an prominenten Journalisten zeigen.
USA
Saddams Steinschleudern: Keine Zeitung bot mehr Exklusivgeschichten. Ende
August wurde sie zum letzten Mal gedruckt. Weekly World News ist tot. Jenes
Blatt aus Boca Raton, Florida, das zuerst wusste, dass Saddam Hussein keine
Massenvernichtungswaffen besaß, sondern nur "gigantische Steinschleudern"
und "Kampfsaurier". WWN vermeldete die Entdeckung eines Menschenstamms in
Ameisengröße oder die Lage der Hölle 14 Meilen unterhalb Sibiriens. Die
Berichterstattung über Elvis Leben nach dem getürkten Tod war lückenlos.
Nie fehlten Hintergrundinformationen. Wer war gleich noch mal dieser Percy
Lowe, der jetzt meldete, dass der Mars aus Milchschokolade besteht? Ach
genau, jener Astronom, der die Irischen Schäferhunde auf Pluto entdeckte.
Trotz all der Enthüllungen sank die Auflage. Es bleibt
[1][www.weeklyworldnews.com].
Schlanke graue Dame: Sie wird manchmal immer noch "Grey Lady" genannt,
obwohl sie 1997 das erste Farbfoto druckte. Nun hat sie auch noch ihre
Figur geändert: Seit August wird die New York Times in einem schlankeren,
gängigeren Format gedruckt. So müssen Anzeigen nicht extra auf Times-Format
gebracht werden und Papierkosten spart es auch. Was jetzt nicht in die
Zeitung passt, rutscht ins Internet. Dort wurde kürzlich beschlossen, das
kostenpflichtige Angebot Times Select abzuschaffen. Kolumnen sind dort
bisher nur gegen Geld zu lesen. Die Los Angeles Times hatte schon vorher
eingesehen, dass diese Strategie ihre Leser der Gratiskonkurrenz in die
Arme treibt.
Dicke Platzhirsche: Sonntags ist der Des Moines Register fast so dick wie
ein städtisches Telefonbuch und wird unter 3 Millionen Einwohnern
233.000-mal verteilt. "Die Zeitung, auf die Iowa angewiesen ist", tönt sie
im Untertitel. Sie berichtet wenig über Irak und noch weniger vom Rest der
Welt, dafür viel Lokales und sehr viel Regionales, sie ist voll von
Werbung, ohne örtliche Konkurrenz und typisch für eine Fülle baugleicher
und in der Regel hochprofitabler Regionalzeitungen.
Argentinien
Krawattenfarben: Was ein Politiker anzieht, ist in Argentinien wichtiger
als die Politik, die zu machen er vorgibt. Politikern glaubt dortzulande
ohnehin niemand. "Que se vayan todos!" - Alle sollen verschwinden -, der
Schlachtruf in der Krise von 2001 klingt nach. Privates, das die Leser
vielleicht noch interessieren würde, hält jedoch beispielsweise die
Präsidentenfamilie erfolgreich aus den Zeitungen heraus: Interviews geben
die Kirchners nicht, Pressekonferenzen finden bei ihnen nicht statt. Im
September 2005 brachte das renommierte Nachrichtenmagazin Noticias in
seiner Jubiläumsausgabe mit großem Foto den "geheimnisvollen Sohn des
Präsidenten" auf die Titelseite. Der Presse-Knieschuss des Jahres: Der
Abgebildete sah Präsident Néstor Kirchner nur ähnlich, war aber nicht Sohn
Máximo.
Brasilien
Bonzenblätter: Vier große Konzerne beherrschen über 80 Prozent der
brasilianischen Printmedien. Deren Leserschaft gehört fast ausschließlich
der schmalen, aber kaufkräftigen weißen Mittelschicht an. Kein Wunder, dass
in sämtlichen Tageszeitungen Interessen einer Minderheit die
Berichterstattung prägen. Korruptionsskandale werden äußerst selektiv
präsentiert. Lifestyle- und Konsumthemen interessieren die lesende
Minderheit mehr als die Nöte ihrer ärmeren, dunkelhäutigen Landsleute. Ein
Muss hingegen ist die tägliche Seite mit Klatsch, Tratsch und vor allem
Fotos aus dem Mikrokosmos der örtlichen Schickeria. Die Wirtschaftspolitik
von Präsident Lula mag noch so konservativ sein - für die Folha de São
Paulo bleibt er ein ungehobelter Emporkömmling. Seine Verachtung für den
Exgewerkschafter versprüht das Leib-und-Magen-Blatt des urbanen
Bildungsbürgertums vorzugsweise indirekt, in Fotos und Überschriften.
Australien
80-Prozent-König: Rupert Murdoch, der amerikanische Medienunternehmer
australischer Abstammung, dominiert den Zeitungsmarkt seiner Heimat. Rund
80 Prozent der Zeitungen sind in seiner Hand - und das merkt man. Sogar The
Australian, die einzige landesweit vertriebene sogenannte Qualitätszeitung,
geht immer mehr in Richtung Gossenberichterstattung.
Nix links: Eine rechte Regierung - elf Jahre unter Premier John Howard -
und Murdochs Dominanz in den Medien haben andere Stimmen verstummen lassen.
Die einzige Zeitung, die noch halbwegs als progressiv oder gar links
bezeichnet werden könnte, ist The Age in Melbourne. Doch auch dort soll
jetzt ein neuer Chef nach dem Rechten sehen.
Dumm und dümmer: Die mit Abstand meistgelesenen Zeitungen Australiens sind
The Daily Telegraph in Sydney und Sun Herald in Melbourne. Themen wie Paris
Hiltons neue Frisur, menschenfressende Krokodile und Berichte über die
"globale Klimalüge" dominieren, untermalt von den Kommentaren einer Gruppe
neokonservativer Neurotiker. Beide Postillen werden - man ahnts - von
Rupert Murdoch herausgegeben.
China
Wandzeitung: Vor den Tafeln unter den Hochbrücken der sechsspurigen
Magistralen lässt sich einiges miteinander verbinden. Lektüre und die
anschließende morgendliche Übung mit dem privaten Tai-Chi-Kreis, ein
Spaziergang mit dem zwitschernden Vogel im Käfig oder ein schneller Termin
beim Friseur, der seine Dienste auf einem Klappstuhl anbietet. Die
Wandzeitung ist immer noch begehrtes Informationsmittel, vor allem für Alte
und Arme, wie man etwa in Peking überall beobachten kann.
Vom Papier ins Netz: Im Land, in dem das Papier erfunden wurde, machen sich
die kommunistischen Verleger langsam Sorgen um ihre Kunden. Zwar lesen zwei
Drittel der 1,3 Milliarden Chinesen regelmäßig eine Tageszeitung, aber
darunter sind immer weniger Männer, junge Menschen, Gebildete und
Einkommensschwache. Schuld ist vor allem das Internet: Jeder Zehnte surft
bereits im Netz. Und 34 Millionen Internettagebücher zählt die staatliche
Zensur. Das ist weltweit spitze. Blogs sind in China ein geschätztes
Informationsmedium. Ihren Wildwuchs zu durchforsten fällt den Kontrolleuren
noch immer schwer, obwohl laut amnesty international täglich mehr als
30.000 Polizisten das Internet überwachen.
Keine Zeit für Zeitungen: Vor drei Jahren kaufte sich jeder Chinese
durchschnittlich 1,2 Zeitungen pro Tag, heute sind es nur noch 0,96. Auch
weil die Zeit zum Lesen knapper wird. Nahmen sich städtische Bewohner 2004
noch 43 Minuten pro Tag zum Studieren der Zeitung, waren es 2006 nach
Angaben des chinesischen Fachblatts Chinas Zeitungswesen nur noch 38,2
Minuten. Das sind immerhin noch 10 Minuten mehr als bei den Deutschen. Die
legen die Zeitung nach durchschnittlich 28 Minuten weg.
Usbekistan
Die Wahrheit des Ostens: Den Machern von Prawda Wostok ist die ganze
moderne Mediendiskussion egal. Die usbekische Regierungspostille, auf
Deutsch "Wahrheit des Ostens", ist seit ihrer Gründung in Sowjetzeiten auf
ellenlange Verlautbarungen spezialisiert. Wurden früher die Beschlüsse des
ZK gefeiert und die Baumwollernten gelobt, so wird heute der usbekische
Präsident Islam Karimows gepriesen und die Baumwollernte gelobt. Jedoch hat
die Prawda Wostok nur wenige Leser, die Auflage beträgt kaum 2.000
Exemplare. Auch in der schlimmsten Diktatur kann man die Menschen nicht zum
Kauf einer Zeitung zwingen. Konkurrenz gibt es kaum, Karimow lässt erst gar
keine unabhängigen Zeitungen zu. Und so wird es ewig weitergehen, denn so
lange gedenkt der usbekische Herrscher zu regieren.
Israel
Mehrzeitungsleser: Viele Israelis abonnieren mehr als eine Zeitung und
kaufen vor allem an den Wochenenden noch eine dritte am Kiosk. Die mit
Abstand größte ist Yediot Achronot, ein mit großen, farbig unterlegten
Überschriften aufgemachtes Blatt. Mit seinen politischen Analysen und
Boulevardnachrichten erreicht es 44 Prozent des Lesermarkts. Nach einem
Zeitungssterben in den 80er- und 90er-Jahren teilen sich vor allem vier
nationale, weltliche und auf Hebräisch erscheinende Blätter den Markt.
Älteste Chefredakteurin der Welt: Am 14. August starb Alice Schwarz-Gardos
mit 91 Jahren. Seit 1975 hatte sie die deutschsprachigen Israel Nachrichten
geleitet. Sie war die älteste Chefredakteurin der Welt. Die Zeitung wird
weiter gedruckt. Neben den Israel Nachrichten werden noch ein großes
englisches Blatt, vier russischsprachige Blätter sowie je eine in Jiddisch,
Ungarisch und Polnisch erscheinende Tageszeitung herausgegeben.
Iran
Schlangestehen: Nicht selten bilden sich im Iran abends Schlangen vor den
Zeitungskiosken, weil die Leute die frisch erschienen Zeitungen kaufen
wollen. Auf belebten Straßen rufen Zeitungsverkäufer sensationelle
Schlagzeilen aus. Im Iran gibt es Millionen, die sich für Sport,
insbesondere für Fußball, interessieren. Noch größer ist jedoch das
Interesse an politischen Blättern. Im islamischen Gottesstaat steht nahezu
alles, was das Leben der Menschen ausmacht, öffentlich oder privat, im
direkten Zusammenhang mit politischen Entscheidungen.
150 Zeitungsverbote: Seit April 2001 sind im Iran rund 150 kritische
Zeitungen und Zeitschriften verboten worden. Allerdings sind einige davon
immer wieder unter neuem Namen erschienen - um nach einiger Zeit erneut
verboten zu werden. Wird eine Zeitung verboten, werden sämtliche
Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen arbeitslos. Jene Journalisten, die nicht
bei anderen Zeitungen unterkommen, müssen ihren Beruf aufgeben. Das zwingt
viele Redakteure zur Selbstzensur. Trotzdem nützen progressive Journalisten
jede Lücke in der Zensur.
Irak
Katjuscha-Raketen: In der Redaktion der Zeitung al-Mada in Bagdad sind
schon mehrere der Geschosse eingeschlagen, nachdem sie kritisch über al
Qaida berichtet hatte. Chefredakteur Fahri Karim entkam zwei Mordversuchen.
Al-Mada und al-Zaman sind die beiden einzigen Zeitungen im Irak, die sich
unabhängig nennen. Der Rest der insgesamt etwa 50 Zeitungen sind Partei-
und Milizblätter. Aber auch al-Mada schreibt nichts offen Kritisches gegen
die schiitischen Mahdi-Milizen - aus Angst, von deren Kämpfern Besuch zu
bekommen. Allein im letzten Jahr kamen im Land 39 Journalisten ums Leben,
knapp 90 Prozent davon Iraker.
Seltsame Fronten: Die Fronten des Bürgerkrieges ziehen sich quer durch
Iraks Zeitungslandschaft. Sunniten bevorzugen die Tageszeitung al-Zaman als
Informationsquelle, ironischerweise ein einst in London erscheinendes
Oppositionsblatt gegen den Sunniten Saddam Hussein. Heute ist al-Zaman
Sammelbecken ehemaliger Bathisten und arabischer Nationalisten. Schiiten
halten es dagegen mehr mit der regierungsnahen al-Sabah, in der auch die
Anzeigen für die begehrten Beamtenjobs zu finden sind.
Türkei
Autohändler: Den Zeitungsmarkt dominiert Aydin Dogan, kein reiner
Zeitungszar, sondern ein Großunternehmer. Er besitzt auch Tankstellen und
Raffinerien und war ursprünglich mal Autohändler. Die Zeitungen, allen
voran Hürriyet (Auflage: 400.000), spannt er immer wieder für sein
wirtschaftlichen Interessen ein. In Dogans Firma haben sich sowohl Springer
als auch die Deutsche Bank eingekauft.
Russland
Zeitung einer Ermordeten: Michail Gorbatschow ist einer ihrer Eigentümer,
und in ihr veröffentlichte die 2006 erschossene Journalistin Anna
Politkowskaja ihre Artikel über den Tschetschenienkrieg. Das russische
Blatt Novaja Gazeta versucht, sich neue Leserschichten zu erschließen. Seit
kurzem erscheinen im Internet ausgewählte Artikel auf Englisch. Die Novaja
Gazeta, die mit einer Auflage von rund 180.000 Exemplaren dreimal in der
Woche erscheint, ist eine der letzten noch verbliebenen kritischen Stimmen
in Russland.
Frankreich
Die Waffenfabrikanten: Die Konzentration im französischen Mediensektor
schreitet rasant voran. Die drei größten Printmedienverlage Frankreichs
sind zugleich in artfremden Branchen aktiv: Lagardère (Rüstung und
Raumfahrt) gibt unter anderem Elle, Paris Match und mehrere
Regionalzeitungen heraus und ist an Le Parisien und Equipe beteiligt;
Dassault (Rüstung) ist unter anderem Eigentümer des Figaro und zahlreicher
Provinzzeitungen. Bouygues (Bauindustrie) gehört unter anderem die größte
Gratiszeitung, Métro. Gemeinsam kontrollieren diese drei Konzerne die
Mehrheit der Printmedien sowie des Zeitungsvertriebs inklusive der Kioske.
Die Chefs der drei Konzerne stehen politisch auf der Seite von
Staatspräsident Sarkozy.
[2][www.rue89.com]: Der "partizipative Journalismus" zog in diesem Frühling
ins französischsprachige Web ein. Vier Ehemalige der linksliberalen Zeitung
Libération gründeten am 7. Mai die Seite "Rue89". Ihre Texte, Fotos und
Filme stammen zum Teil aus journalistischer Arbeit, zum Teil als
Lieferungen von ExpertInnen, zum Teil von InternautInnen. Die Seite bietet
Informationen und Analysen - ohne Anspruch auf Nachrichtenvollständigkeit.
Schon wenige Tage nach ihrer Gründung schaffte es "Rue 89" in die
Schlagzeilen: Sie enthüllte, dass die Gattin des neuen Staatspräsidenten im
zweiten Durchgang nicht gewählt und dass der Chefredakteur der
Wochenzeitung Journal du Dimanche aus der sarkozyfreundlichen
Lagardère-Gruppe im letzten Moment einen Artikel darüber gekippt hatte.
Drei Monate später meldet "Rue89", dass sie 400.000-mal pro Monat angesurft
wird.
Spanien
Fußball, Fußball, Fußball. Die führende Tageszeitung in Spanien heißt
Marca. Die Sportgazette berichtet fast ausschließlich über Fußball. Montags
bis samstags führt sie damit die Verkaufsstatistik an. Die
durchschnittliche Auflage beträgt dann 440.000. Die größte allgemeine
Tageszeitung, El País, hat zwar eine durchschnittliche Auflage von 566.000,
doch die kommt nur dank der Wochenendausgabe zustande. Diese liegt Sonntag
für Sonntag bei über einer Million. Eine beiligende Zeitschrift sowie
Sammelbeilagen, von Kaffeetassen über Buch- und DVD-Reihen, ziehen Kunde
an, die sonst nie eine Zeitung anfassen würden.
Norwegen
Streberleser: 624 Exemplare pro tausend Einwohner - die Norweger gehören zu
den eifrigsten Zeitungslesern der Welt. Mit Geld aus einem staatlichen
Pressefonds überleben auch kleine Zeitungen.
"Klassekampen" gewinnt: Die selbstgemachte Konkurrenz durch kostenlose
Onlineprodukte haben vor allem Norwegens Boulevardzeitungen mit einem
Auflagenrückgang von fast 10 Prozent zu spüren bekommen. Dagegen legen
Wirtschaftspresse und politisch-kulturelle Wochenmagazine zu, ebenso wie
anspruchsvolle linke und christliche Tageszeitungen. Beispielsweise
vermeldete Klassekampen im vergangenen Jahr mit einem Auflagenplus von 15
Prozent die höchste Auflage seiner Geschichte.
Kalte Fusion: Pläne für eine Verschmelzung der vier auflagenstärksten
Regionalzeitungen scheiterten vor einigen Monaten am Einspruch der
Wettbewerbsbehörde. Nun dürfte es eine Art kalte Fusion geben:
Zusammenarbeit der Redaktionen und Anzeigenabteilungen.
Dänemark
48 zu 1: Der Verlag Berlinske zog sich aus dem ruinösen Kampf der
Gratiszeitungen zurück, nachdem seine Dato für jede verdiente Million 48
Millionen Euro Verlust eingefahren hatte. Berlinske gehört zu David
Montgomerys Mecom, die in Deutschland die Berliner Zeitung gekauft hat. In
Dänemark versuchen es zwei Verlage immer noch mit der Gratispresse: direkt
verteilt an möglichst alle Haushalte. Der Gratiskampf hat den dänischen
Markt in den letzten 12 Monaten ordentlich durcheinandergeschüttelt.
Boulevard- und Abozeitungen haben im Schnitt 8 Prozent Auflage verloren.
Großbritannien
Formatschrumpfung: Früher ließ sich der Unterschied zwischen
Boulevardzeitungen (tabloids) und Qualitätsblättern (broadsheets) am
Zeitungsformat festmachen. Inzwischen sind jedoch The Times und The
Independent auf das halb so große Tabloid-Format umgestiegen, der Guardian
wechselte auf das Berliner Format, die taz-Größe. 2007 lässt sich
bilanzieren: Alle fahren gut mit der Verkleinerung. Die seriösen
Sonntagszeitungen sind beim Broadsheet-Format geblieben, bis auf den
Observer, der aus drucktechnischen Gründen seit Januar 2006 auch Berliner
Format hat, weil er dem Guardian gehört. Broadsheet-Tageszeitungen sind nur
noch der Daily Telegraph und die Financial Times.
Irland
Polnisch in Irland: Eine Besonderheit des irischen Zeitungsmarkts ist die
wöchentliche Beilage des Evening Herald in polnischer Sprache. In Irland
leben rund 200.000 Polen. Am Freitag, wenn die acht polnischen Seiten
beiliegen, verkauft der Herald 3.000 Exemplare mehr als an anderen Tagen.
Die polnischen Artikel enthalten Hinweise auf die Rechte von EU-Bürgern
sowie Stellenanzeigen. Man überlegt nun, auch Beilagen in Chinesisch und
Russisch zu produzieren. Not macht erfinderisch: Denn ansonsten sank die
Auflage der verkauften Zeitungen in Irland 2006 wie in keinem anderen Land
der EU: um 7,5 Prozent.
Über die weltweite Mediensituation berichten unsere
taz-Auslandskorrespondenten und Autoren: Marcus Bensmann, Karin Deckenbach,
Gerhard Dilger, Dorothea Hahn, Jörn Kabisch, Susanne Knaul, Karim
El-Gawhary, Georg Löwisch, Jürgen Gottschlich, Bahman Nirumand, Barbara
Oertel, Ralf Sotscheck, Jürgen Vogt, Reiner Wandler, Urs Wälterlin,
Reinhard Wolff.
15 Sep 2007
## LINKS
[1] http://www.weeklyworldnews.com/
[2] http://www.rue89.com/
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