# taz.de -- Zeitung der Zukunft: Global News | |
> Angst vor Katjuschas? Schon mal Koks in Nudeln gefunden? Oder der "Grey | |
> Lady" begegnet? Eine Reise durch die Blätterwelt. | |
Bild: Nur die südafrikanische Boulevardpresse übertrifft die Geschmacklosigke… | |
Südafrika | |
Kokain in Nudeln: Wer die britische Boulevardpresse schon für geschmacklos | |
hält, sollte lieber nicht nach Südafrika ziehen. Sex & Crime, vor allem | |
Crime lautet das Erfolgsrezept der Daily Sun, die ihr britisches | |
Murdoch-Vorbild mit Geschichten aus dem realen Leben problemlos übertrifft. | |
Schlagzeilen wie "Mädchen, die Löffel pissen" oder Geschichten über einen | |
Hai, der nur Weiße frisst - in einem Land, das an Hexerei glaubt, ist alles | |
möglich -, passen nur auf den ersten Blick nicht zum deklarierten | |
Marktsegment der neuen schwarzen Mittelklasse Südafrikas. Es gibt | |
inzwischen Schwesterzeitungen auf Afrikaans und Zulu. Sogar in Nigeria, dem | |
bevölkerungsreichsten Land Afrikas, hat die Daily Sun inzwischen einen | |
Ableger gleichen Namens gefunden. "Dealer versteckte Kokain in Nudeln" | |
lautete da kürzlich eine typische Schlagzeile. Aber meist ist das | |
nigerianische Gegenstück seriöser, denn in Nigeria lesen nur Intellektuelle | |
Zeitung, anders als in Südafrika. | |
Kenia | |
Das Panafrika-Konzept: In manchen Dingen ist die afrikanische Integration | |
der europäischen voraus, so auch auf dem Pressemarkt. Der kenianische | |
Zeitungskonzern Nation Media Group, der auch mit südafrikanischem Kapital | |
operiert, hat sich aus Kenia heraus nach ganz Ostafrika ausgeweitet; ihm | |
gehört Ugandas einzige unabhängige Tageszeitung, Monitor, sowie die | |
panafrikanische Wochenzeitung East African, die in Kenia, Uganda, Tansania | |
und in geringerem Maße auch in Ruanda und Burundi vertrieben wird und | |
Nachrichten aus allen Ländern gleichermaßen bringt. "Afrikanische Medien | |
für Afrika" lautet das Konzernmotto, und das Rezept funktioniert: Im 1. | |
Halbjahr 2007 stieg der Umsatz gegenüber dem gleichen Vorjahreszeitraum um | |
16 Prozent. | |
Ruanda | |
Nach dem Völkermord: In einem Land, wo Hetzmedien einen Völkermord | |
vorbereiten halfen, ist Pressefreiheit ein heikles Thema. Die einzige | |
Tageszeitung Ruandas, die New Times, gehört faktisch der Regierungspartei | |
und bringt nur offiziell gebilligte Nachrichten. Dabei ist Kritik an | |
einzelnen Regierungshandlungen im Falle Ruandas eher häufiger als in vielen | |
anderen Ländern, aber immer wieder gehen Journalisten ins Exil, weil sie | |
die undefinierten und oft wechselnden Grenzen zwischen erlaubter und | |
unzulässiger Kritik überschreiten. Unabhängige Wochenzeitungen überleben | |
selten lange. Aber gerade weil in Ruanda Hetzmedien vor 1994 einen | |
Völkermord vorbereiten halfen, hegen die meisten Ruander heute sowieso eine | |
gesunde Skepsis gegenüber allem, was sie aus ihren Medien erfahren. | |
Kongo | |
1-Mann-Gerüchteküchen: Die Demokratische Republik Kongo zählt Dutzende | |
Minizeitungen, von denen viele eher Printversionen von Blogs ähneln - | |
Gerüchteküchen im Einmannbetrieb. Eine unabhängige Medienbehörde, die die | |
Einhaltung professioneller Mindeststandards überwachen soll, wurde kurz vor | |
Kongos ersten freien Wahlen 2006 von oppositionellen Demonstranten | |
niedergebrannt und führt seitdem nur noch ein Schattendasein. Ein Gehalt | |
bekommen Journalisten nur bei wenigen Presseorganen. Bezahlt werden sie | |
meist von den Objekten ihrer Berichterstattung, weshalb trotz des desolaten | |
Zustands des Landes viel mehr positive als negative Berichte in den | |
Zeitungen stehen. Professionelle Medienarbeit, wie beispielsweise in der | |
führenden Tageszeitung Le Potentiel, ist selten und gefährlich, wie | |
regelmäßig vorkommende Morde an prominenten Journalisten zeigen. | |
USA | |
Saddams Steinschleudern: Keine Zeitung bot mehr Exklusivgeschichten. Ende | |
August wurde sie zum letzten Mal gedruckt. Weekly World News ist tot. Jenes | |
Blatt aus Boca Raton, Florida, das zuerst wusste, dass Saddam Hussein keine | |
Massenvernichtungswaffen besaß, sondern nur "gigantische Steinschleudern" | |
und "Kampfsaurier". WWN vermeldete die Entdeckung eines Menschenstamms in | |
Ameisengröße oder die Lage der Hölle 14 Meilen unterhalb Sibiriens. Die | |
Berichterstattung über Elvis Leben nach dem getürkten Tod war lückenlos. | |
Nie fehlten Hintergrundinformationen. Wer war gleich noch mal dieser Percy | |
Lowe, der jetzt meldete, dass der Mars aus Milchschokolade besteht? Ach | |
genau, jener Astronom, der die Irischen Schäferhunde auf Pluto entdeckte. | |
Trotz all der Enthüllungen sank die Auflage. Es bleibt | |
[1][www.weeklyworldnews.com]. | |
Schlanke graue Dame: Sie wird manchmal immer noch "Grey Lady" genannt, | |
obwohl sie 1997 das erste Farbfoto druckte. Nun hat sie auch noch ihre | |
Figur geändert: Seit August wird die New York Times in einem schlankeren, | |
gängigeren Format gedruckt. So müssen Anzeigen nicht extra auf Times-Format | |
gebracht werden und Papierkosten spart es auch. Was jetzt nicht in die | |
Zeitung passt, rutscht ins Internet. Dort wurde kürzlich beschlossen, das | |
kostenpflichtige Angebot Times Select abzuschaffen. Kolumnen sind dort | |
bisher nur gegen Geld zu lesen. Die Los Angeles Times hatte schon vorher | |
eingesehen, dass diese Strategie ihre Leser der Gratiskonkurrenz in die | |
Arme treibt. | |
Dicke Platzhirsche: Sonntags ist der Des Moines Register fast so dick wie | |
ein städtisches Telefonbuch und wird unter 3 Millionen Einwohnern | |
233.000-mal verteilt. "Die Zeitung, auf die Iowa angewiesen ist", tönt sie | |
im Untertitel. Sie berichtet wenig über Irak und noch weniger vom Rest der | |
Welt, dafür viel Lokales und sehr viel Regionales, sie ist voll von | |
Werbung, ohne örtliche Konkurrenz und typisch für eine Fülle baugleicher | |
und in der Regel hochprofitabler Regionalzeitungen. | |
Argentinien | |
Krawattenfarben: Was ein Politiker anzieht, ist in Argentinien wichtiger | |
als die Politik, die zu machen er vorgibt. Politikern glaubt dortzulande | |
ohnehin niemand. "Que se vayan todos!" - Alle sollen verschwinden -, der | |
Schlachtruf in der Krise von 2001 klingt nach. Privates, das die Leser | |
vielleicht noch interessieren würde, hält jedoch beispielsweise die | |
Präsidentenfamilie erfolgreich aus den Zeitungen heraus: Interviews geben | |
die Kirchners nicht, Pressekonferenzen finden bei ihnen nicht statt. Im | |
September 2005 brachte das renommierte Nachrichtenmagazin Noticias in | |
seiner Jubiläumsausgabe mit großem Foto den "geheimnisvollen Sohn des | |
Präsidenten" auf die Titelseite. Der Presse-Knieschuss des Jahres: Der | |
Abgebildete sah Präsident Néstor Kirchner nur ähnlich, war aber nicht Sohn | |
Máximo. | |
Brasilien | |
Bonzenblätter: Vier große Konzerne beherrschen über 80 Prozent der | |
brasilianischen Printmedien. Deren Leserschaft gehört fast ausschließlich | |
der schmalen, aber kaufkräftigen weißen Mittelschicht an. Kein Wunder, dass | |
in sämtlichen Tageszeitungen Interessen einer Minderheit die | |
Berichterstattung prägen. Korruptionsskandale werden äußerst selektiv | |
präsentiert. Lifestyle- und Konsumthemen interessieren die lesende | |
Minderheit mehr als die Nöte ihrer ärmeren, dunkelhäutigen Landsleute. Ein | |
Muss hingegen ist die tägliche Seite mit Klatsch, Tratsch und vor allem | |
Fotos aus dem Mikrokosmos der örtlichen Schickeria. Die Wirtschaftspolitik | |
von Präsident Lula mag noch so konservativ sein - für die Folha de São | |
Paulo bleibt er ein ungehobelter Emporkömmling. Seine Verachtung für den | |
Exgewerkschafter versprüht das Leib-und-Magen-Blatt des urbanen | |
Bildungsbürgertums vorzugsweise indirekt, in Fotos und Überschriften. | |
Australien | |
80-Prozent-König: Rupert Murdoch, der amerikanische Medienunternehmer | |
australischer Abstammung, dominiert den Zeitungsmarkt seiner Heimat. Rund | |
80 Prozent der Zeitungen sind in seiner Hand - und das merkt man. Sogar The | |
Australian, die einzige landesweit vertriebene sogenannte Qualitätszeitung, | |
geht immer mehr in Richtung Gossenberichterstattung. | |
Nix links: Eine rechte Regierung - elf Jahre unter Premier John Howard - | |
und Murdochs Dominanz in den Medien haben andere Stimmen verstummen lassen. | |
Die einzige Zeitung, die noch halbwegs als progressiv oder gar links | |
bezeichnet werden könnte, ist The Age in Melbourne. Doch auch dort soll | |
jetzt ein neuer Chef nach dem Rechten sehen. | |
Dumm und dümmer: Die mit Abstand meistgelesenen Zeitungen Australiens sind | |
The Daily Telegraph in Sydney und Sun Herald in Melbourne. Themen wie Paris | |
Hiltons neue Frisur, menschenfressende Krokodile und Berichte über die | |
"globale Klimalüge" dominieren, untermalt von den Kommentaren einer Gruppe | |
neokonservativer Neurotiker. Beide Postillen werden - man ahnts - von | |
Rupert Murdoch herausgegeben. | |
China | |
Wandzeitung: Vor den Tafeln unter den Hochbrücken der sechsspurigen | |
Magistralen lässt sich einiges miteinander verbinden. Lektüre und die | |
anschließende morgendliche Übung mit dem privaten Tai-Chi-Kreis, ein | |
Spaziergang mit dem zwitschernden Vogel im Käfig oder ein schneller Termin | |
beim Friseur, der seine Dienste auf einem Klappstuhl anbietet. Die | |
Wandzeitung ist immer noch begehrtes Informationsmittel, vor allem für Alte | |
und Arme, wie man etwa in Peking überall beobachten kann. | |
Vom Papier ins Netz: Im Land, in dem das Papier erfunden wurde, machen sich | |
die kommunistischen Verleger langsam Sorgen um ihre Kunden. Zwar lesen zwei | |
Drittel der 1,3 Milliarden Chinesen regelmäßig eine Tageszeitung, aber | |
darunter sind immer weniger Männer, junge Menschen, Gebildete und | |
Einkommensschwache. Schuld ist vor allem das Internet: Jeder Zehnte surft | |
bereits im Netz. Und 34 Millionen Internettagebücher zählt die staatliche | |
Zensur. Das ist weltweit spitze. Blogs sind in China ein geschätztes | |
Informationsmedium. Ihren Wildwuchs zu durchforsten fällt den Kontrolleuren | |
noch immer schwer, obwohl laut amnesty international täglich mehr als | |
30.000 Polizisten das Internet überwachen. | |
Keine Zeit für Zeitungen: Vor drei Jahren kaufte sich jeder Chinese | |
durchschnittlich 1,2 Zeitungen pro Tag, heute sind es nur noch 0,96. Auch | |
weil die Zeit zum Lesen knapper wird. Nahmen sich städtische Bewohner 2004 | |
noch 43 Minuten pro Tag zum Studieren der Zeitung, waren es 2006 nach | |
Angaben des chinesischen Fachblatts Chinas Zeitungswesen nur noch 38,2 | |
Minuten. Das sind immerhin noch 10 Minuten mehr als bei den Deutschen. Die | |
legen die Zeitung nach durchschnittlich 28 Minuten weg. | |
Usbekistan | |
Die Wahrheit des Ostens: Den Machern von Prawda Wostok ist die ganze | |
moderne Mediendiskussion egal. Die usbekische Regierungspostille, auf | |
Deutsch "Wahrheit des Ostens", ist seit ihrer Gründung in Sowjetzeiten auf | |
ellenlange Verlautbarungen spezialisiert. Wurden früher die Beschlüsse des | |
ZK gefeiert und die Baumwollernten gelobt, so wird heute der usbekische | |
Präsident Islam Karimows gepriesen und die Baumwollernte gelobt. Jedoch hat | |
die Prawda Wostok nur wenige Leser, die Auflage beträgt kaum 2.000 | |
Exemplare. Auch in der schlimmsten Diktatur kann man die Menschen nicht zum | |
Kauf einer Zeitung zwingen. Konkurrenz gibt es kaum, Karimow lässt erst gar | |
keine unabhängigen Zeitungen zu. Und so wird es ewig weitergehen, denn so | |
lange gedenkt der usbekische Herrscher zu regieren. | |
Israel | |
Mehrzeitungsleser: Viele Israelis abonnieren mehr als eine Zeitung und | |
kaufen vor allem an den Wochenenden noch eine dritte am Kiosk. Die mit | |
Abstand größte ist Yediot Achronot, ein mit großen, farbig unterlegten | |
Überschriften aufgemachtes Blatt. Mit seinen politischen Analysen und | |
Boulevardnachrichten erreicht es 44 Prozent des Lesermarkts. Nach einem | |
Zeitungssterben in den 80er- und 90er-Jahren teilen sich vor allem vier | |
nationale, weltliche und auf Hebräisch erscheinende Blätter den Markt. | |
Älteste Chefredakteurin der Welt: Am 14. August starb Alice Schwarz-Gardos | |
mit 91 Jahren. Seit 1975 hatte sie die deutschsprachigen Israel Nachrichten | |
geleitet. Sie war die älteste Chefredakteurin der Welt. Die Zeitung wird | |
weiter gedruckt. Neben den Israel Nachrichten werden noch ein großes | |
englisches Blatt, vier russischsprachige Blätter sowie je eine in Jiddisch, | |
Ungarisch und Polnisch erscheinende Tageszeitung herausgegeben. | |
Iran | |
Schlangestehen: Nicht selten bilden sich im Iran abends Schlangen vor den | |
Zeitungskiosken, weil die Leute die frisch erschienen Zeitungen kaufen | |
wollen. Auf belebten Straßen rufen Zeitungsverkäufer sensationelle | |
Schlagzeilen aus. Im Iran gibt es Millionen, die sich für Sport, | |
insbesondere für Fußball, interessieren. Noch größer ist jedoch das | |
Interesse an politischen Blättern. Im islamischen Gottesstaat steht nahezu | |
alles, was das Leben der Menschen ausmacht, öffentlich oder privat, im | |
direkten Zusammenhang mit politischen Entscheidungen. | |
150 Zeitungsverbote: Seit April 2001 sind im Iran rund 150 kritische | |
Zeitungen und Zeitschriften verboten worden. Allerdings sind einige davon | |
immer wieder unter neuem Namen erschienen - um nach einiger Zeit erneut | |
verboten zu werden. Wird eine Zeitung verboten, werden sämtliche | |
Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen arbeitslos. Jene Journalisten, die nicht | |
bei anderen Zeitungen unterkommen, müssen ihren Beruf aufgeben. Das zwingt | |
viele Redakteure zur Selbstzensur. Trotzdem nützen progressive Journalisten | |
jede Lücke in der Zensur. | |
Irak | |
Katjuscha-Raketen: In der Redaktion der Zeitung al-Mada in Bagdad sind | |
schon mehrere der Geschosse eingeschlagen, nachdem sie kritisch über al | |
Qaida berichtet hatte. Chefredakteur Fahri Karim entkam zwei Mordversuchen. | |
Al-Mada und al-Zaman sind die beiden einzigen Zeitungen im Irak, die sich | |
unabhängig nennen. Der Rest der insgesamt etwa 50 Zeitungen sind Partei- | |
und Milizblätter. Aber auch al-Mada schreibt nichts offen Kritisches gegen | |
die schiitischen Mahdi-Milizen - aus Angst, von deren Kämpfern Besuch zu | |
bekommen. Allein im letzten Jahr kamen im Land 39 Journalisten ums Leben, | |
knapp 90 Prozent davon Iraker. | |
Seltsame Fronten: Die Fronten des Bürgerkrieges ziehen sich quer durch | |
Iraks Zeitungslandschaft. Sunniten bevorzugen die Tageszeitung al-Zaman als | |
Informationsquelle, ironischerweise ein einst in London erscheinendes | |
Oppositionsblatt gegen den Sunniten Saddam Hussein. Heute ist al-Zaman | |
Sammelbecken ehemaliger Bathisten und arabischer Nationalisten. Schiiten | |
halten es dagegen mehr mit der regierungsnahen al-Sabah, in der auch die | |
Anzeigen für die begehrten Beamtenjobs zu finden sind. | |
Türkei | |
Autohändler: Den Zeitungsmarkt dominiert Aydin Dogan, kein reiner | |
Zeitungszar, sondern ein Großunternehmer. Er besitzt auch Tankstellen und | |
Raffinerien und war ursprünglich mal Autohändler. Die Zeitungen, allen | |
voran Hürriyet (Auflage: 400.000), spannt er immer wieder für sein | |
wirtschaftlichen Interessen ein. In Dogans Firma haben sich sowohl Springer | |
als auch die Deutsche Bank eingekauft. | |
Russland | |
Zeitung einer Ermordeten: Michail Gorbatschow ist einer ihrer Eigentümer, | |
und in ihr veröffentlichte die 2006 erschossene Journalistin Anna | |
Politkowskaja ihre Artikel über den Tschetschenienkrieg. Das russische | |
Blatt Novaja Gazeta versucht, sich neue Leserschichten zu erschließen. Seit | |
kurzem erscheinen im Internet ausgewählte Artikel auf Englisch. Die Novaja | |
Gazeta, die mit einer Auflage von rund 180.000 Exemplaren dreimal in der | |
Woche erscheint, ist eine der letzten noch verbliebenen kritischen Stimmen | |
in Russland. | |
Frankreich | |
Die Waffenfabrikanten: Die Konzentration im französischen Mediensektor | |
schreitet rasant voran. Die drei größten Printmedienverlage Frankreichs | |
sind zugleich in artfremden Branchen aktiv: Lagardère (Rüstung und | |
Raumfahrt) gibt unter anderem Elle, Paris Match und mehrere | |
Regionalzeitungen heraus und ist an Le Parisien und Equipe beteiligt; | |
Dassault (Rüstung) ist unter anderem Eigentümer des Figaro und zahlreicher | |
Provinzzeitungen. Bouygues (Bauindustrie) gehört unter anderem die größte | |
Gratiszeitung, Métro. Gemeinsam kontrollieren diese drei Konzerne die | |
Mehrheit der Printmedien sowie des Zeitungsvertriebs inklusive der Kioske. | |
Die Chefs der drei Konzerne stehen politisch auf der Seite von | |
Staatspräsident Sarkozy. | |
[2][www.rue89.com]: Der "partizipative Journalismus" zog in diesem Frühling | |
ins französischsprachige Web ein. Vier Ehemalige der linksliberalen Zeitung | |
Libération gründeten am 7. Mai die Seite "Rue89". Ihre Texte, Fotos und | |
Filme stammen zum Teil aus journalistischer Arbeit, zum Teil als | |
Lieferungen von ExpertInnen, zum Teil von InternautInnen. Die Seite bietet | |
Informationen und Analysen - ohne Anspruch auf Nachrichtenvollständigkeit. | |
Schon wenige Tage nach ihrer Gründung schaffte es "Rue 89" in die | |
Schlagzeilen: Sie enthüllte, dass die Gattin des neuen Staatspräsidenten im | |
zweiten Durchgang nicht gewählt und dass der Chefredakteur der | |
Wochenzeitung Journal du Dimanche aus der sarkozyfreundlichen | |
Lagardère-Gruppe im letzten Moment einen Artikel darüber gekippt hatte. | |
Drei Monate später meldet "Rue89", dass sie 400.000-mal pro Monat angesurft | |
wird. | |
Spanien | |
Fußball, Fußball, Fußball. Die führende Tageszeitung in Spanien heißt | |
Marca. Die Sportgazette berichtet fast ausschließlich über Fußball. Montags | |
bis samstags führt sie damit die Verkaufsstatistik an. Die | |
durchschnittliche Auflage beträgt dann 440.000. Die größte allgemeine | |
Tageszeitung, El País, hat zwar eine durchschnittliche Auflage von 566.000, | |
doch die kommt nur dank der Wochenendausgabe zustande. Diese liegt Sonntag | |
für Sonntag bei über einer Million. Eine beiligende Zeitschrift sowie | |
Sammelbeilagen, von Kaffeetassen über Buch- und DVD-Reihen, ziehen Kunde | |
an, die sonst nie eine Zeitung anfassen würden. | |
Norwegen | |
Streberleser: 624 Exemplare pro tausend Einwohner - die Norweger gehören zu | |
den eifrigsten Zeitungslesern der Welt. Mit Geld aus einem staatlichen | |
Pressefonds überleben auch kleine Zeitungen. | |
"Klassekampen" gewinnt: Die selbstgemachte Konkurrenz durch kostenlose | |
Onlineprodukte haben vor allem Norwegens Boulevardzeitungen mit einem | |
Auflagenrückgang von fast 10 Prozent zu spüren bekommen. Dagegen legen | |
Wirtschaftspresse und politisch-kulturelle Wochenmagazine zu, ebenso wie | |
anspruchsvolle linke und christliche Tageszeitungen. Beispielsweise | |
vermeldete Klassekampen im vergangenen Jahr mit einem Auflagenplus von 15 | |
Prozent die höchste Auflage seiner Geschichte. | |
Kalte Fusion: Pläne für eine Verschmelzung der vier auflagenstärksten | |
Regionalzeitungen scheiterten vor einigen Monaten am Einspruch der | |
Wettbewerbsbehörde. Nun dürfte es eine Art kalte Fusion geben: | |
Zusammenarbeit der Redaktionen und Anzeigenabteilungen. | |
Dänemark | |
48 zu 1: Der Verlag Berlinske zog sich aus dem ruinösen Kampf der | |
Gratiszeitungen zurück, nachdem seine Dato für jede verdiente Million 48 | |
Millionen Euro Verlust eingefahren hatte. Berlinske gehört zu David | |
Montgomerys Mecom, die in Deutschland die Berliner Zeitung gekauft hat. In | |
Dänemark versuchen es zwei Verlage immer noch mit der Gratispresse: direkt | |
verteilt an möglichst alle Haushalte. Der Gratiskampf hat den dänischen | |
Markt in den letzten 12 Monaten ordentlich durcheinandergeschüttelt. | |
Boulevard- und Abozeitungen haben im Schnitt 8 Prozent Auflage verloren. | |
Großbritannien | |
Formatschrumpfung: Früher ließ sich der Unterschied zwischen | |
Boulevardzeitungen (tabloids) und Qualitätsblättern (broadsheets) am | |
Zeitungsformat festmachen. Inzwischen sind jedoch The Times und The | |
Independent auf das halb so große Tabloid-Format umgestiegen, der Guardian | |
wechselte auf das Berliner Format, die taz-Größe. 2007 lässt sich | |
bilanzieren: Alle fahren gut mit der Verkleinerung. Die seriösen | |
Sonntagszeitungen sind beim Broadsheet-Format geblieben, bis auf den | |
Observer, der aus drucktechnischen Gründen seit Januar 2006 auch Berliner | |
Format hat, weil er dem Guardian gehört. Broadsheet-Tageszeitungen sind nur | |
noch der Daily Telegraph und die Financial Times. | |
Irland | |
Polnisch in Irland: Eine Besonderheit des irischen Zeitungsmarkts ist die | |
wöchentliche Beilage des Evening Herald in polnischer Sprache. In Irland | |
leben rund 200.000 Polen. Am Freitag, wenn die acht polnischen Seiten | |
beiliegen, verkauft der Herald 3.000 Exemplare mehr als an anderen Tagen. | |
Die polnischen Artikel enthalten Hinweise auf die Rechte von EU-Bürgern | |
sowie Stellenanzeigen. Man überlegt nun, auch Beilagen in Chinesisch und | |
Russisch zu produzieren. Not macht erfinderisch: Denn ansonsten sank die | |
Auflage der verkauften Zeitungen in Irland 2006 wie in keinem anderen Land | |
der EU: um 7,5 Prozent. | |
Über die weltweite Mediensituation berichten unsere | |
taz-Auslandskorrespondenten und Autoren: Marcus Bensmann, Karin Deckenbach, | |
Gerhard Dilger, Dorothea Hahn, Jörn Kabisch, Susanne Knaul, Karim | |
El-Gawhary, Georg Löwisch, Jürgen Gottschlich, Bahman Nirumand, Barbara | |
Oertel, Ralf Sotscheck, Jürgen Vogt, Reiner Wandler, Urs Wälterlin, | |
Reinhard Wolff. | |
15 Sep 2007 | |
## LINKS | |
[1] http://www.weeklyworldnews.com/ | |
[2] http://www.rue89.com/ | |
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