| # taz.de -- Hitler-Filme: Die Freuden des Trash | |
| > Hitler im Kino verkauft sich immer. Eine Tagung in Berlin befasste sich | |
| > mit Hitler-Darstellungen im Film - von Buttgereit bis Eichinger. | |
| Bild: Immer dabei, beim Hitler-Film: der Schnurrbart. Diesen trug einst Charlie… | |
| Exploitationfilme wie "Ilsa, She Wolf of the SS" sind für den Berliner | |
| Trashfilmemacher Jörg Buttgereit eine geliebte Inspirationsquelle. Sein | |
| Vergnügen an ihnen lebt vom gruseligen Spaß, Unhaltbares gut zu finden. Es | |
| ist infantil und angesichts der nationalsozialistischen Verbrechen heillos | |
| hilflos, das gibt Buttgereit im Eröffnungsgespräch zur Tagung "Hitler | |
| darstellen" sofort zu. Was soll es auch sonst sein? Doch anders als | |
| Hitler-Unterhaltungsfilme mit Seriösitätsanspruch wie etwa der "Untergang" | |
| (2004) von Oliver Hirschbiegel und Bernd Eichinger entzaubere die triviale, | |
| immer aber respektlose Geschmacklosigkeit den Mythos Hitler - und zwar im | |
| Handumdrehen. "Vielleicht hätten wir heute die Neonazis nicht am Hals, wenn | |
| wir in den 70er-Jahren mehr Hitler-Trash-Filme gehabt hätten", mutmaßt der | |
| Medienwissenschaftler Klaus Kreimeier. Denn nichts ist Rechtsradikalen | |
| unliebsamer als das Lächerlichmachen von Hitler. Ein älterer Herr aus dem | |
| Publikum, ein ehemaliger Hitlerjunge, reagiert entsetzt. Nur wer "den | |
| Führer" - seine Stimme wird ehrfürchtig - erlebt und erlitten habe, könne | |
| begreifen, was damals passiert sei. Dröhnend fällt ihm ein anderer, etwa | |
| gleichaltriger Besucher ins Wort: "Sie hängen dem Mythos ja noch immer an! | |
| Was für ein Scheiß! Man kann gar nicht genug schlechte Witze über Hitler | |
| machen. Nichts darf man schützen, gar nichts!" | |
| Schon war man mittendrin in einer Diskussion um die Karriere Hitlers als | |
| Filmfigur, die ausführlich und in hochkarätiger Besetzung am Folgetag | |
| fortgesetzt wurde. Die Tagung, ausgerichtet von der Deutschen Kinemathek | |
| und der Bundeszentrale für Politische Bildung, führte am Montag und | |
| Dienstag Historiker mit Kultur- und Filmwissenschaftlern, mit Regisseuren | |
| und Psychologen zusammen. Sie hatte zum Ziel, die Ausschlachtung der | |
| historischen Figur Hitler als Filmheld transparent zu machen. Denn ob im | |
| Spielfilm, in der Dokumentation, in der Dokufiction, im Kino, im Fernsehen | |
| oder im Internet: Hitler sells. | |
| Tatsächlich erwies es sich als richtig, die Tagung mit einem Trashfilmer | |
| und -fan zu eröffnen, also den Zugang zum Thema über einen streitbaren Witz | |
| zu wählen. Zumal die Gesprächspartnerin von Buttgereit, die Filmpublizistin | |
| Claudia Lenssen, klug die Grenzen absteckte zwischen einem befreienden | |
| Hau-drauf-Humor und der historisch sorgsamen, von aufklärerischer Absicht | |
| getragenen Darstellung von Hitler im Film. Doch auch Letztere - und darauf | |
| zu verweisen wurden insbesondere die Filmwissenschaftler nicht müde - ist | |
| gezwungen, mit einem historischen Bildmaterial zu arbeiten, das immer schon | |
| inszeniert worden ist. Sämtliche Hitler-Bilder sind gestellte Aufnahmen, | |
| die der Kontrolle des Regimes unterlagen. Authentizität ist damit auch | |
| durch eine korrekte Reproduktion des historischen Bildmaterials nicht zu | |
| erreichen, gleich, wie lange und oft Guido Knopp das mit seinen | |
| Fernsehserien noch behaupten mag. Zu zeigen, dass Knopp selbst alles andere | |
| als korrekt mit dem historischen Bildmaterial verfährt, indem er etwa | |
| Filmsequenzen verlangsamt, um Hitler nicht einfach durch den Wald laufen, | |
| sondern ihn schwerelos schreiten zu lassen, war das Verdienst des | |
| Dokumentaristen Boris Schafgans. | |
| Allgemein kritisch - das war zu erwarten - wurde auch die Verengung des | |
| Nationalsozialismus und des Holocaust auf die Führerfigur bewertet. Die | |
| Konzentration auf den Menschen Hitler folge der nazistischen Ideologie, | |
| dass am Anfang und am Ende ein einzelner Mann ein Land und fast ja auch | |
| eine Welt im Griff gehabt habe. Die gesellschaftlichen Strukturen, die | |
| nationalsozialistische Herrschaft ermöglichten und abstützten, lasse diese | |
| Perspektive auf verheerende Weise unterbelichtet. | |
| Erfreulicherweise begnügte man sich nicht mit der Analyse von | |
| Hitler-Filmen, sondern diskutierte auch, inwieweit die filmische | |
| Darstellung die wissenschaftliche Geschichtsschreibung prägt und in den | |
| Dienst nimmt. Es gelte anzuerkennen, so der Historiker Michael Wildt, dass | |
| die heutige Wirkmacht des Visuellen den vorwiegend schreibenden Historiker | |
| als Verwalter des relevanten Geschichtswissens längst relativiert habe. | |
| Zugleich kritisierte er scharf seine Kollegen, die sich - "für nicht | |
| unwesentliches Geld" - dem Filmgeschäft andienten, etwa indem sie dem | |
| "Untergang" eine "Detailgenauigkeit" beglaubigten. Die übertüncht, dass die | |
| Nationalsozialisten auf die Opferposition gerückt werden, sobald man sich | |
| auf die historisch gesehen reichlich bedeutungslosen letzten zehn Tage des | |
| Dritten Reiches konzentriert. | |
| Hans-Ulrich Wehler schließlich verlangte, die "charismatische Herrschaft", | |
| wie Hitler sie verkörpert hat, ernst zu nehmen. Jedwede Pathologisierung | |
| verbat er sich. Um Hitler und die Folgen zu begreifen, braucht er "keine | |
| Schizophrenie und keinen Sadomasochismus". Vielmehr gelte es zu beachten, | |
| dass Hitler und sein Apparat es perfekt verstanden, die Projektionen auf | |
| seine Person zu nutzen. Darin waren sich alle einig: Hitler als historische | |
| wie aktuelle Projektionsfläche darzustellen bietet die einzige Möglichkeit, | |
| die von ihrer medialen Bearbeitung untrennbare Figur einzufangen, ohne in | |
| die Falle der Entpolitisierung zu tappen. Das kann der Trashfilm ebenso gut | |
| wie der ernsthafte Spiel- oder Dokumentarfilm. | |
| 11 Oct 2007 | |
| ## AUTOREN | |
| Ines Kappert | |
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