# taz.de -- Al Gores Film "Eine unbequeme Wahrheit": Das gute Beispiel des Wand… | |
> In dem Dokumentarfilm klärt Al Gore über die Gefahren des Klimawandels | |
> auf. Sein unsolider, naiver Optimismus, zieht letztlich auch die | |
> Solidität seiner Diagnose in Mitleidenschaft. | |
Bild: Purismus fürs Klima. | |
Nach sechs Jahren George W. Bush erscheint es heute kaum mehr vorstellbar, | |
dass die USA 2000 beinahe einen grünen Präsidenten bekommen hätten. Al Gore | |
war, auch wenn er das im Wahlkampf immer herunterspielte, selbst nach | |
europäischen Maßstäben ein Umweltschützer. Er befasste sich mit dem Thema | |
Klima schon, als die breite Öffentlichkeit davon noch kaum Notiz nahm. Wenn | |
er jetzt als Wanderprediger um den Globus reist, um die Menschen von den | |
Gefahren der Erderwärmung zu überzeugen, hat er aus der bitteren Niederlage | |
zumindest noch einen Gag zum Einstieg herübergerettet: "Hallo, mein Name | |
ist Al Gore, ich war einmal der nächste Präsident der USA." | |
Nicht, dass eine US-amerikanische Regierung in vier oder acht Jahren viel | |
an der globalen Rohstoffwirtschaft hätte ändern können. Die Herausforderung | |
einer globalen Klimasteuerung ist selbst für eine Supermacht ein paar | |
Nummern zu groß. Was Gore auf seinen Vortragsreisen zum Ziel hat, ist die | |
gute alte Bewusstseinsbildung: Er will "Eine unbequeme Wahrheit" | |
präsentieren, wie nun der Film von Davis Guggenheim heißt, der im | |
wesentlichen Gores Auftritte dokumentiert, zusammen mit einer leicht | |
sentimentalen autobiografischen Rahmenhandlung. | |
Die unangenehme Wahrheit, dass sich das Klima aufgrund der CO2-Emissionen | |
aus Autos, Kraftwerken, Flugzeugen und Brennöfen deutlich verändert, gehört | |
inzwischen zum Allgemeingut der Massenmedien. Nur unter Lobbyisten der | |
Ölmultis und im Oval Office wird noch an der Wissenschaftlichkeit von | |
Modellrechnungen gezweifelt, die von einer Erwärmung der Erdatmosphäre | |
ausgehen. Ob es nun das Nordpolareis ist, das schmilzt, oder die Häufung | |
von Tropenstürmen, ob es der Schnee ist, der in Berlin nicht mehr fällt | |
oder in Bayern in zu großen Massen, überall gibt es Phänomene, aus denen | |
sich allmählich ein Bedrohungsszenario entwickelt, das in erster Linie | |
Folklore, deswegen aber nicht völlig falsch ist. | |
Al Gores Film kommt vielleicht um jene ein, zwei Jahre zu spät, die das | |
Thema gebraucht hat, um sich auf dem Buchmarkt (von Elizabeth Kolbert bis | |
Tim Flannery, von Frank Schätzing bis Érik Orsenna) und im Katastrophenkino | |
("The Day after Tomorrow") durchzusetzen. Das Wetter wird in den nächsten | |
Jahren das größte Thema neben dem "Kampf der Kulturen" werden - viel wird | |
davon abhängen, ob sich die Debatte um das Klima mit der Debatte um den | |
globalen Kapitalismus verbindet oder ob die beiden Angelegenheiten separat | |
verhandelt werden. | |
Die größte Schwäche von Al Gores Vortrag (und von "Eine unbequeme | |
Wahrheit") ist, dass er alles den Konsumenten aufhalst. Er hat schon Recht, | |
niemand wird die Weltwirtschaft sofort von Rohöl auf Rapsdiesel umstellen. | |
Aber ein, zwei, viele Hybridautos machen wenig Unterschied, solange die | |
größten Firmen der Welt nahezu ausschließlich aus der Ölwirtschaft kommen. | |
Al Gore ist zum Optimismus verurteilt, gerade weil seine Darstellung der | |
Sachlage sehr pessimistisch erscheint. Er arbeitet mit allen Tricks, um | |
seine Diagramme einleuchtender zu machen - für eine exponentielle Zunahme | |
gefährlicher Schadstoffanreicherung lässt er sich sogar mit einer Hebebühne | |
hochfahren, um zu verdeutlichen, wie sehr die Sache dem Menschen (nicht | |
aber dem ehemaligen nächsten Präsidenten der USA) über den Kopf wächst. | |
Dass ihn die Niederlage von damals schmerzt, deutet er mehrmals an. Er muss | |
schon weit in seine Kindheit zurückschauen, um einen größeren Horizont | |
dafür zu finden. Dabei erzählt er auch von seiner Schwester, einer | |
lebenslangen Raucherin, die an Lungenkrebs starb. Die schädlichen Folgen | |
des Tabakkonsums wurden auch erst allmählich akzeptiert. Für die | |
Klimapolitik ist die Wahrheit über Nikotin aber kein passender Vergleich. | |
Während Konsumverzicht bei Rauchern die praktikable (weil einzige) Lösung | |
ist, ist der emissionsbewusste Konsum eine echte Lebensaufgabe. | |
Al Gore geht mit der Verfilmung seines Vortrags mit gutem Beispiel voran. | |
Er muss nun nicht mehr in jede Stadt der Welt selbst fliegen, um seine | |
"inconvenient truth" unter die Leute zu bringen. Der Nachteil ist, dass ein | |
Film sich nicht mehr aktualisieren lässt. Deswegen wirkt "Eine unangenehme | |
Wahrheit", obwohl erst wenige Monate alt, schon ein wenig gestrig, und Al | |
Gore erscheint wie ein Prophet, der sich mit Statistiken wohl fühlt, dem | |
aber kein Bild zur Lage der Dinge einfällt. | |
"An Inconvenient Truth - Eine unbequeme Wahrheit", Regie: Davis Guggenheim. | |
Mit Al Gore, USA 2006, 96 Min. | |
11 Oct 2006 | |
## AUTOREN | |
Bert Rebhandl | |
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