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# taz.de -- die wahrheit: Zeitreise mit Schatzsuche
> Einem Freund von mir ist kürzlich etwas äußerst Unangenehmes passiert:
> Als er nach Jahren mal wieder seinen Keller aufsuchte, fand er ihn völlig
> leer vor...
Einem Freund von mir ist kürzlich etwas äußerst Unangenehmes passiert: Als
er nach Jahren mal wieder seinen Keller aufsuchte, fand er ihn völlig leer
vor. Das Vorhängeschloss war verschwunden, die Tür stand offen. Mein Freund
rief bei der Hausverwaltung an, die sich wortreich bei ihm entschuldigte,
von einem "bedauerlichen Versehen" sprach und leider aber auch mitteilen
musste, dass der ganze fleißig gesammelte Ramsch schon vor Wochen entsorgt
und beseitigt worden wäre.
Von dieser tragischen Geschichte erschreckt, öffnete ich zum ersten Mal
nach zwei Jahrzehnten mit pochendem Herzen den kahlen Verschlag meines
eigenen Kellers. Unter schützenden Spinnweben türmten sich unzählige
Bananenkisten, die ich zum Teil seit den frühen 80er-Jahren ungeöffnet von
Umzug zu Umzug mitgeschleppt hatte. Mein Interesse galt nicht den
langweiligen Kisten, die durch klar definierte Begriffe wie "Zeugnisse"
oder "unwichtige Ordner" gekennzeichnet waren. Ich suchte Dinge, die ich
längst vergessen hatte, die nicht einmal mehr in meiner Erinnerung lebendig
waren. Dinge wie jene, die ich nach einstündigem Stöbern schließlich in der
untersten Kiste entdecken sollte. "Max - streng privat" hatte ich mit
dickem Edding-Stift auf alle vier Seiten der Kiste geschrieben. Damit
wollte ich damals wohl verhindern, dass ein Unbefugter sich des Inhalts
annähme.
In der Kiste selbst befanden sich etwa zehn Schuhkartons. "Liebesbriefe
Ute" stand auf einem, "Tagebücher 1973/74" auf einer weiteren und
"Unbenutztes Fotopapier - Auf keinen Fall öffnen" auf der dritten.
Fotopapier? Wie bitte? Diese Aufschrift sollte offenbar unter allen
Umständen verhindern, dass ein möglicher Finder der Kiste diese öffnete.
Aber nicht mit mir!
Mit zitternden Händen entfernte ich das Klebeband. Im Innern des Kartons
lagen etwa 15 Briefumschläge, allesamt ordentlich von mir beschriftet.
"Fußball-Tabellen" stand auf dem einen, "Auf und Ab der Hits von Slade,
Wizzard und Deep Purple" auf einem weiteren, "Spickzettel
Naturwissenschaften" auf einem dritten und "Spickzettel, sonstige" auf den
restlichen Umschlägen. Und urplötzlich war ich wieder zurückversetzt in die
seligen 70er-Jahre, die Zeit, in der ich stundenlang in meinem Zimmer saß
und Lernen vortäuschte. "Ich mach mal Hausaufgaben", pflegte ich nach dem
Mittagessen zu lügen, doch wenn ich dann am Schreibtisch saß, kam die
Langeweile. Also musste ich mich still und leise beschäftigen.
Zum Beispiel so: Mit Hilfe eines Kicker-Sonderheftes tippte ich vor der
Saison sämtliche Spiele der Bundesliga-Runde. Anhand dieser Ergebnisse
erstellte ich dann für jeden einzelnen Spieltag eine Tabelle. Da ich nicht
nur Ergebnisse, sondern auch Torschützen tippte, konnte ich zusätzlich zur
Tabelle auch noch eine jeweils aktuelle Torschützenliste erstellen. Die
restliche Zeit, die ich nicht mit dem Erstellen von Fußballtabellen
verbrachte, widmete ich dann tatsächlich der Schule: Ich legte das wohl
umfangreichste Spickzettelarchiv Deutschlands an. Zum Sichten dieses
Schatzes bin ich noch nicht gekommen. Im Moment häng ich noch in der
Bundesliga-Saison 1972/73 fest.
17 Oct 2007
## AUTOREN
Max Lampin
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