# taz.de -- Ärzte-Fans: Wie bezaubernd du bist, sagte Farin | |
> Stephanie ist Ärzte-Fan. Sie wurde es, als sie kein Teenager mehr sein | |
> wollte. Nun ist sie erwachsen, die Band ihr Leben und es erscheint eine | |
> neue CD. | |
Bild: Hat sich den aktuellen Tournee-Titel der Ärzte tätowieren lassen: Fan S… | |
Backstage hat es bei Stephanie angefangen, in Braunschweig, mit 16. Spät, | |
sagt sie, aber nicht zu spät. Das war, als Farin ihr einen Wodka reichte. | |
Einen kleinen, zur Lockerung. Nervös war Stephanie, sie fühlte sich fremd | |
da, wo sie war, hinter der Bühne, nach dem Konzert. Farin, Bela, Rod und | |
die anderen, die Fans, waren auch da, sie alle waren lustig, aufgedreht, | |
und Stephanie war es nicht. Sie wollte weg, dann blieb sie. Vor fünf Jahren | |
war das, am Anfang ihres Lebens als Fan von Die Ärzte, der besten Band der | |
Welt. | |
Davor hat sie Ärzte-Musik gehört wie andere Musik auch, sie besaß zwei von | |
den älteren Alben, mehr zufällig, "Die Ärzte früher! - Der Ausverkauf geht | |
weiter!" hieß das eine, "Die Bestie in Menschengestalt" das andere. Die | |
Konzertkarte mit Backstagebesuch in Braunschweig hatte Stephanie beim | |
Gewinnspiel des Ärzte-Fanclubs gewonnen, dessen Mitglied sie gerade | |
geworden war. | |
Sie wollte Fan sein, von irgendwas, Fan in einem Fanclub. Supergenial, sagt | |
sie, wenn eine feste und kontinuierliche Größe im Leben da ist, die einen | |
immer begleitet. Egal, was man gerade durchmacht oder zu erreichen | |
versucht. | |
Es ist ja nicht immer leicht, Fan zu sein. Stephanie war zuvor Anhängerin | |
von Caught in the Act gewesen. Und von Take That. Boygroups. Kaum war sie | |
Mitglied im Fanclub, trennten sich die Bands. Bei Caught in the Act war das | |
so, bei Take That. Bei den Ärzten ist das anders, die gibt es in diesem | |
Herbst schon 25 Jahre, ein Vierteljahrhundert. Stephanie denkt, dass es | |
kein Zufall war, dass sie auf die Ärzte kam. Caught in the Act, sagt sie, | |
Take that, das alles ist ein Teenieding gewesen, Hülle. Versteht sie heute | |
nicht mehr. | |
Sie denkt, sie hat erkannt, was die Ärzte ihr mit ihren Liedern sagen | |
wollen. Dass es schwierig ist, erwachsen zu werden, schwierig, erwachsen zu | |
sein. Die Welt ein Kindergarten, lauter komische Figuren. Aber harmlos. Das | |
ist auch supergenial, und das fetzt. Stephanie ist jetzt fast 21. Farin, | |
Bela, Rod sind jeder doppelt so alt. | |
"Sweet, Sweet Gwendoline", das Lied, in dem es um Fesselspiele geht, kannte | |
sie, bevor sie die Ärzte kannte, sie mochte es sehr, ihr Lieblingslied, sie | |
mag es immer noch. Jetzt, weil es ein Ärzte-Song ist. Der Text, die Musik, | |
zum Mitsingen. Auch "Elke", "Debil", "Claudia hat nen Schäferhund". Die | |
Ärzte sind so, zum Mitsingen. Nett. Als Fan sieht sich Stephanie genau so. | |
Die beste Band der Welt, sagt sie, hat die höflichsten Fans der Welt. Und | |
die nettesten. | |
"Junge", die Singleauskopplung von der neuen Ärzte-CD, läuft immer wieder | |
in ihrem WG-Zimmer in Dresden. Stephanie singt mit, lautlos, | |
Lippenbewegungen. Sie chattet, sie raucht, trinkt Bier, der Kasten mit den | |
Flaschen steht neben der Tür. Ärztefans trinken gern ein Bier. | |
Kommunikation. Stephanie lebt in dieser Welt. Sie chattet mit anderen | |
Ärztefans, männlichen Ärztefans vom DÄOF, vom Den Die Ärzte ihr offizieller | |
Fanclub. Männer fetzen, sagt sie. Dass sie Schweine sind, wie die Ärzte auf | |
ihrer CD "13" singen, denkt sie selten. Wenn sie es tut, hat sie Gründe, | |
dann geht es ihr nicht gut. Wegen einem, der da gewesen und nach einigen | |
Nächten nicht mehr wiedergekommen ist, ohne zu sagen, warum. Wegen einem, | |
von dem sie gewollt hatte, dass er bleibt. Wenn es dir nicht gut geht, sagt | |
sie, willst du die Ärzte nicht hören. Dann hörst du die Toten Hosen, weil | |
die tiefer sind, ernster. | |
"Mannes Lust und Weibes Macht", die Zeichnung hängt an ihrer Tür. Eine | |
Frau, ein Mann, beide nackt, der Mann erhitzt, die Frau selbstverliebt. | |
Männer - das fällt Stephanie als Erstes ein auf die Frage, was schön in | |
ihrem Leben ist. Obwohl sie fürchtet, dass es primitiv klingt. Aber gibt es | |
Schöneres, als Männern den Kopf zu verdrehen, im Minirock und knappem Top? | |
Und die Arbeit ist ihr wichtig. Ohne Arbeit wäre sie nicht zufrieden. | |
Irgendwie ein Arbeitstier, sagt sie. So hat sie ein Ziel im Leben. So kann | |
sie was erreichen, weit weg vom Durchschnitt. Und zu alldem in ihrem Leben | |
gehören die Ärzte. Hört sich das jetzt arrogant an?, fragt sie. | |
35 Ärzte-CDs an der Wand, in durchsichtigen Plastikfächern. Einige | |
Farin-Soloalben darunter. In einem Wandregal mehr CDs, selbstgebrannte, | |
Konzertmitschnitte, Alben. 100, 200? Unwichtig, sagt Stephanie, | |
Hauptsa-che, ich habe sie. Einiges hat sie auf der Festplatte gespeichert. | |
Rock am Ring etwa, 3. Juni 2007, auf MTV. Die Ärzte, wie sie singen und | |
spielen, zusammen mit dem Publikum, drei Stunden lang, Wahnsinn. Nur ihr | |
legendärstes Konzert, ihr bedeutendstes hat Stephanie nicht. "Ärzte statt | |
Böller", Köln, 31. Dezember 2006, 45.000 Fans. "Hipp, hipp, hurra, alles | |
ist super, alles ist wunderbar", riefen sie. Ein paar Poster hat sie an den | |
Wänden, bloß nicht zu viele, das wäre kitschig, wie bei einem Groupie. | |
Stephanie will das nicht, in dem Punkt besteht sie darauf, mehr als | |
erwachsen zu sein. | |
Damals, 2003 beim Backstagebesuch in Braunschweig, ist sie wegen Farin | |
dageblieben. Sein Körper, die Haare, der Mund. Farin redete mit ihr. Wie | |
bezaubernd du bist, sagte er zu ihr. Und sie sagte nichts. Die Aufregung, | |
die Nervosität waren zu stark. Er lachte sie an, ein Lachen, das | |
verschlingt, typisch Farin. Lustig, nett, ein Kumpel. Das half, der Wodka | |
half nichts. Farin hob Stephanie auf einen Stuhl, damit ihr Kopf in Höhe | |
seines eigenen war, für das Foto, das Fanfoto. Etwas pummelig sieht sie | |
darauf aus, neben ihr Farins Gestalt, Gegensätze. Aschblond gefärbte Haare | |
mit roten Spitzen hatte Stephanie an dem Abend, Farin schwarz gefärbte. | |
Vielleicht ist es das gewesen, was sie zusammengeführt hat, der Gegensatz. | |
Vielleicht haben sie ihn gespürt und sich von ihm anziehen lassen. Farin, | |
der Androgyne. Stephanie, die aus der Provinz angereist gekommen war, | |
Neustadt, Ostsachsen, in New-Yorker-Jeans und mit der Bescheinigung der | |
Mutter in der Tasche, dass sie das Konzert "Nackt unter Kannibalen" | |
besuchen darf. Farin der Star. Und Stephanie, die bei einer | |
Sicherheitsfirma arbeitet, im Dienst der Stadt Dresden. | |
Unschuldig war die Begegnung in Braunschweig, und so ist das Verhältnis von | |
Farin und Stephanie geblieben, unschuldig. Farin ist jemand zum Liebhaben, | |
sagt sie. Bezaubernd hatte er sie genannt. Geil ist das gewesen, sagt sie. | |
So was hatte bis dahin noch keiner zu ihr gesagt. Das wirkt nach. Das ist | |
immer noch geil. B. S., Bezaubernde Stephanie. Das sind jetzt ihre | |
Initialen. | |
Vielleicht mag sie doch mehr Farin als die Ärzte, mehr als BelaFarinRod. Am | |
meisten Farin, bestimmt, ja. Auf sieben Ärzte-Konzerten war Stephanie | |
bisher, aber zehnmal bei Farin solo. Liebe Bezaubernde, beginnt er die | |
Mails an sie. Viele Grüße, d L, der Lange, schließt er. Anfang August ist | |
die letzte Mail gekommen. Kurz schreibt er, meist nur einen Satz. Er | |
wünscht ihr alles Gute, für die Arbeit, für ihr Weiterkommen. Was einer | |
schreibt, der beschäftigt ist und sehr viel Umgang hat. Es ist schön für | |
Stephanie, zu wissen, dass Farin mit ihrem Namen ein Gesicht verbindet und | |
mit ihrem Gesicht einen Namen. Das ist der Unterschied zu Bela und Rod. | |
Das Tattoo, das Stephanie auf der linken Brust hat, kurz unterm Ansatz, ist | |
ein Herz mit einer Flammenkrone und einem Pfeil, darunter FU und drei | |
Kreuze, Farins Initialen. Nach dem Braunschweiger Konzert hat sie es sich | |
stechen lassen, es soll sie für immer an diesen Abend erinnern, an Farin, | |
an den Anfang. Ein anderes, frisches, hat sie oberhalb des Venushügels. "Es | |
wird eng" steht da nun, es ist der Titel der neuen Konzerttour. Die wird am | |
14. November in Trier beginnen und am 9. Dezember in Erfurt sein, an | |
Stephanies 21. Geburtstag. Sie wollte wieder was Ärztebezogenes haben, was | |
für die Ewigkeit, für die Erinnerung. Und eine Idee, die, so hofft sie, | |
außer ihr noch niemand gehabt hat. | |
Die Leute, sagt sie, die sie kennen, wissen, wie sie ist und dass sie immer | |
zweideutig denkt. Sie weiß, dass das für andere oft unangenehm ist, aber | |
ihr macht es das Leben leichter. Humor. Billig vielleicht, na und. | |
Das findet sie gut an den Ärzten. Dass sie wie sie sind. Wie Stephanie. | |
Dasselbe Lebensgefühl. Obwohl: Rod, der Bassist, macht ihr zu selten Witze, | |
nicht so am laufenden Band. Das meiste geht zwischen Farin und Bela ab. | |
Farin ist diszipliniert, kein Alkohol, keine Zigaretten, Vegetarier, | |
krasser Typ. Bei Bela läuft immer alles auf was Versautes raus. | |
Supergenial. Nur auf dem einen Konzert in Chemnitz, da hatte er ein | |
Netz-Shirt an, das sah aus, als hätte er einen Bauch, einen Bierbauch. War | |
ein komisches Gefühl, innerlich, sagt sie. | |
Das Beste an den Ärzten? Kaum möglich, sich festzulegen, sagt Stephanie. | |
Die Musik, Punkrock. Zum Alleineabrocken und zum Gemeinsamfeiern. Zum | |
Abschalten und Entspannen. Passt immer. Am schönsten ist es auf Konzerten. | |
Wenn sie in einer Masse steht, die das Gleiche denkt und will. Stephanie | |
würde die Zeit, die sie bis jetzt auf Ärzte-Konzerten verbracht hat, gegen | |
nichts auf der Welt eintauschen. Für zehn Konzerte der "Es wird eng"-Tour | |
hat sie Karten gekauft, unter anderem für Leipzig, München, Frankfurt am | |
Main. Braucht es noch, um Fan von FarinBelaRod zu sein. | |
24 Oct 2007 | |
## AUTOREN | |
Thomas Feix | |
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