# taz.de -- Manu Chao in Berlin: Freak on Speed | |
> Das Glück liegt in der Regression: Bei seinem Konzert in Berlin klang | |
> Manu Chao, als wäre er wieder mit seiner alten Band Mano Negra unterwegs. | |
Bild: Politische Geste als Folklore - Manu Chao auf Deutschlandtounee. | |
Wo andere aufhören, fängt Manu Chao erst an. Kaum ist das Licht in der | |
Berliner Arena erloschen, steht seine halbe "Radio Bemba"-Kapelle bereits | |
mit nacktem Oberkörper auf der Bühne und legt ein wildes Crescendo vor, in | |
das sich andere Bands erst zum Finale steigern. Mit einem Kaltstart von | |
null auf 180 in wenigen Sekunden überrumpelt Manu Chao sein Publikum und | |
unterstreicht damit die Dringlichkeit seines Anliegens: Its an emergency. | |
Die Welt ist aber auch aus den Fugen geraten, seit Manu Chao sich vor sechs | |
Jahren, im Sommer 2001, das letzte Mal am gleichen Ort blicken ließ. Damals | |
kam er gerade aus Genua zurück, wo er beim G-8-Gipfel für die | |
Gegendemonstranten aufgespielt hatte. Die globalisierungskritische Bewegung | |
stand auf ihrem Höhepunkt und Manu Chao war ihr Held. Doch dann kam der 11. | |
September und der "Krieg gegen den Terror", der alles in den Schatten | |
stellte, und auch von Manu Chao hörte man nicht mehr viel. Selbst von den | |
Konzerten in Heiligendamm oder "Live Earth" hielt er sich fern. | |
Bei seiner Rückkehr in die - erneut ausverkaufte - Arena nach Berlin benahm | |
sich Manu Chao nun wie ein alter Freund, der gleich mit der Tür ins Haus | |
fällt, es sich dann auf der Couch gemütlich macht und auf seiner Gitarre | |
ein paar Akkorde klimpert, um anschließend ein wenig in der Küche zu | |
randalieren: ein Freak on Speed. Recht schmucklos war sein Auftritt, der | |
klang, als wäre er wieder mit seiner alten Band Mano Negra unterwegs. Auch | |
schien sein Set mehr Songs aus jener frühen Epoche zu enthalten als vom | |
neuen Album "La Radiolina": Das war schön für alle, die zu jung sind, um | |
ihn noch mit Mano Negra erlebt zu haben. Für jene, die sich etwas mehr | |
Abwechslung gewünscht hätten, war es ein wenig enttäuschend. | |
Manu Chao hat von jedem seiner Songs verschiedene Versionen parat. In | |
Berlin beschränkte er sich auf zwei Aggregatzustände: die milde | |
Reggae-Ballade oder das "Uffta-Uffta"-Ska-Stakkato; manchmal trug er den | |
gleichen Song auch gleich in beiden Varianten vor. Den größten Teil seines | |
Publikums schien das nicht zu stören, es war zum Feiern aufgelegt. Auf den | |
ersten Blick wirkten die vielen No-Globo-Boys und -Girlies in ihren | |
Trainingsjacken und Kapuzenshirts recht homogen, altersmäßig war das | |
Publikum aber gut durchmischt: Manu Chao hat in jeder Generation seine | |
Fans. | |
Zur Folklore eines Manu-Chao-Konzerts gehört es, dass zwischendrin eine | |
Frau ans Mikrofon tritt, die "Freiheit für die politischen Gefangenen in | |
Mexiko" skandiert und auf eine Soli-Veranstaltung einlädt. Oder dass zum | |
Ende des Konzerts ein alter Kumpel wie der baskische Dub-Aktivist Fermin | |
Mugurutza für eine Weile das Kommando übernimmt. Als Vater des | |
"Mestizo-Rock", wie man die Fusion von Ska-Punk mit lateinamerikanischen | |
Einflüssen nennt, kann Manu Chao sich das erlauben. Man muss aber sagen, | |
dass viele der Bands, die inzwischen in seine Fußstapfen treten, | |
musikalisch filigraner zu Werke gehen. Bei Manu Chao dagegen paart sich der | |
Zwang zum Stadionrock, der sich aus seiner Popularität ergibt, zuweilen mit | |
einem Hang zur musikalischen Regression: Dann schlägt er sich etwa | |
rhythmisch mit den Mikrofon gegen die Brust. | |
Man kann das auch als Ausdruck einer Verweigerungshaltung deuten. Sein | |
neues Album hat Manu Chao ja eher diskret auf den Markt geworfen, hat sich | |
Interviews und Medienrummel entzogen. Warum sollte er also jetzt mit neuen | |
Songs oder neuem Sound aufwarten? Die künstlerische Freiheit, sie wird ja | |
nicht nur gegen George W. Bush verteidigt. Sondern auch gegen allzu | |
vorgefasste Erwartungen. | |
29 Oct 2007 | |
## AUTOREN | |
Daniel Bax | |
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kommt dort jedenfalls an. |