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# taz.de -- Bahn-Tarifstreit: Merkel soll Lokführer zur Arbeit treiben
> Bahnchef Mehdorn ruft die Kanzlerin zu Hilfe. Sie soll die Macht der
> "Spezialistengewerkschaften" gesetzlich einschränken. Derweil herrscht
> Verwirrung darüber, wann es zu nächsten Streiks kommt
Bild: Bahnhöfe einweihen kann die Kanzlerin, denkt Mehdorn, aber bringt sie au…
BERLIN afp/dpa/taz Das Urteil des Landesarbeitsgericht Sachsen war noch
nicht gesprochen, da ereilte die Kanzlerin bereits der Hilferuf: Bahnchef
Hartmut Mehdorn fordert Angela Merkel in einem Brief dazu auf, in den
Tarifstreit mit der Lokführergewerkschaft GDL einzugreifen: Die Kanzlerin
möge die Macht von "Spezialistengewerkschaften" gesetzlich einschränken.
In seinem am Wochenende bekannt gewordenen Schreiben argumentiert Mehdorn,
dass der Arbeitskampf der GDL die Sozialpartnerschaft in Deutschland
bedrohe. Andere Berufsgruppen in der Bahn könnten ebenfalls eigene
Gewerkschaften gründen und ihre Interessen mit gleicher Begründung
durchzusetzen versuchen. Es drohten eine "Spaltung der Belegschaft" und
"schwer zu beherrschende Tarifvielfalt". Ein Eingreifen der Politik sei in
diesem Fall kein Eingriff in die Tarifautonomie. Mit den
"Spezialgewerkschaften" könnten die Unternehmen nicht fertig werden.
Bei der Lokführergewerkschaft GDL kann man diese Sorgen nicht
nachvollziehen. "Es dauert Jahrzehnte, bis eine Berufsgruppe streikfähig
wird, bis eine Streikkasse aufgebaut ist, die kriegsfähig ist", sagte die
GDL-Sprecherin Gerda Seibert der taz.
Die GDL vertritt drei Viertel der deutschen 20.000 Lokführer. Insgesamt
fallen in ihren Zuständigkeitsbereich 31.000 Mitarbeiter, neben den
Lokführern auch Zug- und Servicebegleiter. Sie sehen sich im Hinblick auf
die Bezahlung und die Arbeitszeiten im Vergleich zu anderen Mitarbeitern
der Bahn benachteiligt. Und von der Bahn-Tarifunion Transnet und der GDBA
fühlen sie sich schlecht vertreten. Zudem unterstützten beide
Gewerkschaften auch die Privatisierungspläne. Laut Mehdorns Brief muss es
das Ziel sein, dass in einem Betrieb immer nur die Bestimmungen eines
Tarifvertrages anwendbar sein sollen.
Auch kleine Gewerkschaften hätten ein Recht auf eigene Tarifverträge,
meinen hingegen die Richter des Sächsischen Landesarbeitsgerichts. Die
Berufungsinstanz hatte am Freitag das Streikverbot im Fern- und
Güterverkehr aufgehoben. Zuvor hatte das Arbeitsgericht Chemnitz der GDL
nur im Nahverkehr zu streiken erlaubt.
Nun erwägt die Lokführer-Gewerkschaft in ihrer Vorstandssitzung am Dienstag
oder Mittwoch "falls nötig" neue Streiks zu beschließen. Man wolle aber der
Bahn Gelegenheit geben, ein neues Tarifangebot vorzulegen, sagte der
GDL-Vorsitzende Manfred Schell. Andernfalls könnte der Ausstand "sofort
beginnen - zunächst aber nur im Güterverkehr", ergänzte sein Stellvertreter
Claus Weselsky in der Bild am Sonntag.
Und was sagt die Bundespolitik zu Mehdorns Vorschlag? Aus dem Kanzleramt
hieß es dazu lediglich: Der Brief werde abgewartet - und dann sorgfältig
bewertet. "Es ist ein Gebot der Stunde, die Verhandlungen zügig wieder
aufzunehmen", sagte Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee in der
Frankfurter Rundschau. Doch die Bahn denkt derweil auch über eine
Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe nach. Allerdings meinen
Arbeitsrechtsexperten, dass dies aussichtslos sei: So gebe es zwar ein
Grundrecht, zu streiken, nicht aber eines, nicht bestreikt zu werden.
Unterdessen ist es zur Verwirrung bezüglich der Streikdrohungen der GdL
gekommen. Die Lokführergewerkschaft widerrief am Sonntagabend Äußerungen
ihres Chefs Manfred Schell, wonach in dieser Woche keine Streiks geplant
seien. Die Pressestelle der Gewerkschaft zog die zuvor freigegebene
Ankündigung Schells in einem Interview mit sueddeutsche.de zurück, teilte
die Süddeutsche Zeitung mit. Die übrigen Passagen des Interviews seien
korrekt, hieß es.
"Zunächst werden wir uns nun mit dem Vorstand zusammensetzen und
diskutieren, was für einen Weg wir einschlagen. Dazu zählt auch, dass wir
darüber nachdenken, welche Art von Arbeitskampf wir führen", sagte Schell
der Internet-Ausgabe der Süddeutschen Zeitung. Falls es zu Streiks käme,
solle der Schwerpunkt im Güterverkehr liegen. Dort würden besondere
Spielregeln gelten. "Wir wissen, was wir tun", sagte Schell.
5 Nov 2007
## AUTOREN
Christine Zeiner
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