# taz.de -- Sportwetten & Machenschaften im Tennis: Mafia am Centre Court | |
> Spieler berichten von dubiosen Gestalten die Geld für Niederlagen bieten. | |
> Wettanbieter arbeiten mit Spielervereinigungen zusammen und melden | |
> Unregelmäßigkeiten bei ungewöhnlich hohen Einsätzen. | |
Bild: Spitzenspieler mit Hang zu unerwarteten Niederlagen: Der Russe Nikolai Da… | |
Da der Mensch spielerisch veranlagt ist, wettet er gern. Das ist eine | |
anthropologische Konstante. Zum Wettfex wird der homo ludens, wenn er den | |
Ausgang der Wetten kennt. Das verspricht satte und sichere Gewinne. Der | |
Tennisprofi ist davon nicht ausgenommen. Zwar verdient er in seinem Sport | |
exorbitante Summen, aber warum sollte er sich nicht gegen eine | |
Erstrundenniederlage absichern, indem er gegen sich wettet - oder | |
Insiderinformationen über eine Verletzung, eine Unpässlichkeit weitergibt | |
an Dritte, die mit dieser heißen Info ihr Unwesen im Internet treiben, etwa | |
auf der Seite des Wettanbieters [1][betfair.com]. Um die Profis herum | |
schwirren diverse Schlägerbespanner, Physiotherapeuten, Einflüsterer und | |
Trainer, die als Handlanger für ein mafiöses Netzwerk infrage kommen. Diese | |
Strukturen wollen die Spielervereinigungen ATP (Männer), WTA (Frauen) und | |
der internationale Verband ITF nun unter die Lupe nehmen. "Tennis ist | |
verwundbar", sagt Bill Babcock, ITF-Generalsekretär. | |
Auslöser des Ganzen ist ein Spiel des Russen Nikolai Dawidenko gewesen, der | |
Anfang August beim Turnier im polnischen Sopot absichtlich gegen den | |
Außenseiter Martin Arguello verloren haben soll. Der hoch favorisierte | |
Russe lag vorn, hatte den ersten Satz gewonnen, den zweiten verlor er, im | |
dritten gab er auf. Betfair registrierte nach dem ersten Satz einen Zustrom | |
von Geld, das auf Sieg Arguello gesetzt wurde - Indiz für ein manipuliertes | |
Match. Die Quote von 1:1,29 auf einen Sieg des damaligen | |
Weltranglisten-Vierten veränderte sich auf 1:4,29, obwohl Dawidenko doch | |
den ersten Satz gewonnen hatte. Betfair annullierte die Wette. "Das läuft | |
wie bei der Börsenaufsicht", sagt Peter Reinhardt, Deutschland-Chef von | |
betfair. "Wir haben ja bestimmte Muster. Diese Muster können wir unsichtbar | |
über unseren Markt drüberlegen", sagt er, "und wenn es eine Abweichung | |
gibt, dann geht die rote Lampe an." | |
Seit 2003 besteht zwischen betfair und der ATP eine Vereinbarung, ein | |
sogenanntes Memorandum of Understanding. Der Wettanbieter erklärt sich | |
bereit, "Informationen über Nutzer - einschließlich Namen und gezahlte | |
Geldbeträge - zu liefern, wenn bei diesen verdächtige Wettaktivitäten | |
beobachtet werden", heißt es darin. Mittlerweile hat die ATP 140 auffällige | |
Partien ausgemacht und auf einer Liste verzeichnet, die es bis zum | |
Westdeutschen Rundfunk (WDR) geschafft hat, aber noch nicht zum Deutschen | |
Tennis-Bund (DTB). Dort sagt ein Sprecher, man solle vorsichtig mit | |
Vorverurteilungen sein, auch sei Dawidenkos Entgegnung ("Ich habe noch nie | |
in meinem Leben gewettet und weiß auch nicht, wie das geht") glaubwürdig. | |
"Griechenland ist ja auch Europameister geworden. Wer hätte denn das | |
erwartet!?" | |
In der Tennisszene setzt man sich differenzierter mit dem Problem von | |
Spielabsprachen auseinander. Mehrere Spieler sagen, dass sie Bescheid | |
wissen, ja, dass sie selbst schon einmal von sinistren Gestalten | |
angesprochen worden seien, ob in diesem oder jenen Spiel nicht etwas gehe. | |
Der Tscheche Tomás Berdych spricht von "Zockern", die Profis bedrängt | |
hätten, "vor allem in Russland". Michaël Llodra (Frankreich) und Paul | |
Goldstein (USA), Andy Murray (Großbritannien), Novak Djokovic (Serbien) und | |
James Blake (USA) oder der Österreicher Werner Eschauer gewähren Einblick | |
ins Gebaren der Manipulateure, zu denen übrigens auch ein gewisser Ante | |
Sapina gehörte - glaubt man der Aussage von Ex-Schiri Robert Hoyzer vorm | |
Berliner Landgericht. Sapina soll kroatische Spieler angesprochen und sein | |
Bruder Filip einmal gesagt haben, dass Tenniswetten ungleich einfacher zu | |
manipulieren seien als Fußballwetten. | |
Von "Zockern" spricht auch der frühere Davis-Cup-Held Bernd Karbacher, | |
einer der Sprecher von "Tennis Germany", eines informellen | |
Zusammenschlusses, in dem 25 deutsche Tennisprofis vernetzt sind. Jede | |
Bewegung eines Spielers, vor während und nach einem Match werde genaustens | |
registriert, bevor gewettet wird, sagt er. Von mafiösen Strukturen geht | |
Karbacher dennoch nicht aus. Regelmäßig absichtlich zu verlieren, das könne | |
sich eh kein Spieler leisten. "Dann fehlen die Weltranglistenpunkte und er | |
ist gar nicht mehr dabei." Die Einlassungen eines deutschen Profis, der in | |
der WDR-Sendung "sport inside" behauptet hatte, von einem Spiel zu wissen, | |
das manipuliert worden sei und auf das auch aus dem Umfeld der Profis | |
Wetten abgeschlossen worden seien, bezeichnete er als "ganz schwach". Der | |
Spieler solle sich an die ATP wenden und genau sagen, "wer wo was gemacht | |
hat". Karbacher setzt auf die abschreckende Wirkung eines Pönalsystems für | |
manipulierende Profis. "Dann gibt es eine Sperre und der Spieler ist erst | |
einmal weg vom Fenster." | |
Die ATP hat inzwischen eine Telefonhotline eingerichtet, wo sich betroffene | |
Profis ausweinen können. Bei nachgewiesener Verstrickung in einen | |
Wettskandal droht eine Geldstrafe von 100.000 Dollar sowie eine dreijährige | |
Sperre. Außerdem soll eine "Tennis Integrity Unit" den Kampf gegen | |
Korruption im weißen Sport aufnehmen. So durfte beispielsweise Michael | |
Francese, früheres Mitglied der Ostküstenmafia, vor der versammelten | |
Tenniselite in New York darüber dozieren, wie sich kriminelle Banden an den | |
gemeinen Profi heranschleichen, um ihn für böse Dinge zu gewinnen. | |
6 Nov 2007 | |
## LINKS | |
[1] http://betfair.com | |
## AUTOREN | |
A. Rüttenauer | |
M. Völker | |
## TAGS | |
Wetten | |
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