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# taz.de -- Knast-Debatte: "Verfassungsgemäß wegsperren"
> Bei einer Veranstaltung im taz-Café diskutierten Politiker und
> Ex-Häftlinge am Donnerstag über Gefängnisse als Ort der Gewalt.
Hermann Heilbach ist seit über einem Jahr tot - als Insasse der JVA
Siegburg war er von Mitinsassen stundenlang gefoltert und schließlich
erhängt worden. Die Frage, wer die Verantwortung für diesen grausamen Mord
trägt - nur die ebenfalls jugendlichen Täter oder auch das Wachpersonal,
die Justizverwaltung und die Landesregierung - hat die Zustände in
Deutschlands Knästen wieder zum Thema gemacht. Fragen, denen am Donnerstag
im Rahmen der "Kriminalpolitischen Gespräche", veranstaltet vom Verein
Freiabonnements für Gefangene und der taz, nachgegangen wurde: "Das
Gefängnis als Ort der Gewalt?".
Die Männerriege auf dem Podium im taz-Café - unter anderem besetzt mit dem
rechtspolitischen Sprecher der Linken, Klaus Lederer, und seinem
FDP-Kollegen, Sebastian Kluckert - wurde aber zunächst unterbrochen: Das
Entrollen von Transparenten war der Auftakt für die Verlesung einer
Erklärung der "Kritischen Knasthilfe" (KKH). Fünf junge Frauen, Angehörige
von Gefangenen, wollten auf die "tatsächlich herrschenden Zustände" in den
Knästen hinweisen. Das Publikum reagierte entnervt bis fasziniert auf den
unangemeldeten Besuch, der auf das "Establishment" zielte und dabei auch
offene Türen einrannte. Tatsächlich haben sich die "Kriminalpolitischen
Gespräche" schon zu einer Institution entwickelt: Politiker,
Vollzugsbeamte, Sozialarbeiter, Exgefangene und Kriminalbeamte kommen hier
zusammen. Insofern waren die Aktivistinnen durchaus an der richtigen
Adresse, wie auch ein Besucher fand: "Das ist ja wie früher hier, da fühlt
man sich gleich um Jahre jünger."
Es gibt massive Probleme im Strafvollzug - und massiven Gesprächsbedarf.
Taz NRW-Korrespondent Pascal Beucker, zuständig für die Berichterstattung
im Fall Siegburg, warnte davor, sich in der recht professionellen Runde nur
über Stellenschlüssel zu unterhalten: "Mehr Beamte einzustellen, darüber
ist man sich schnell einig." Beucker nannte es einen "Skandal", dass gegen
die in Siegburg zuständigen Beamten nicht weiter ermittelt werde und warf
in die Runde, dass es den Typus des "Schließers" durchaus gebe: "Bei meinen
Recherchen habe ich oft einfach einen Mangel an Empathie vorgefunden". Die
so Adressierten wehrten sich: "Wir baden am Ende aus, was die Gesellschaft
falsch gemacht hat. Wir verdienen Respekt" sagte Thomas Goiny vom Bund der
Strafvollzugsbediensteten aus dem Publikum heraus.
Das Podium arbeitete sich derweil an den Widrigkeiten des Systems ab.
Lederer als Vertreter der Regierungskoalition räumte ein, dass die
Situation in Berlins JVAs nicht glücklich sei und man Gefangene
"verfassungsgemäß wegsperren" müsse, wozu auch die Gewährung der
persönlichen Sicherheit gehöre. Dem konnte sich Kluckert anschließen: "Der
Staat muss die Sicherheit der Gefangenen garantieren."
Neue Gefängnisse bauen oder Knäste abschaffen? Wie erreicht man, dass die
Beamten mehr als sechs Prozent ihrer Arbeitszeit für die Betreuung der
Gefangenen aufwenden können? Wie ehrenamtlich Engagierte besser einbinden?
"Wir müssen uns zusammensetzen und ein Forum bilden", forderte Joachim
Jetschmann vom Deutschen Beamtenbund. Ein Anfang ist gemacht.
16 Nov 2007
## AUTOREN
Martin Reichert
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