# taz.de -- Bundesamt für Strahlenschutz: Höhere Krebsgefahr im AKW-Umkreis | |
> Ein von AKW-Gegnern oft beschworenes Risiko ist jetzt amtlich: Die Gefahr | |
> für Kinder, an Leukämie zu erkranken, nimmt zu, je näher sie an einem | |
> Kraftwerk-Standort wohnen, so eine Studie. | |
Bild: Auch um den Reaktor in Biblis lebt sich's ungesund | |
Eine Krebsstudie im Auftrag des Bundesamtes für Strahlenschutz hat ein von | |
AKW-Gegnern oft beschworenes Risiko erneut bestätigt: Die Gefahr für | |
Kinder, an Leukämie zu erkranken, nimmt zu, je näher sie an einem der 16 | |
deutschen AKW-Standorte wohnen. Die vom Deutschen Kinderkrebsregister in | |
Mainz durchgeführte Studie wird am Montag offiziell vorgestellt, am | |
Wochenende gab das Bundesamt bereits die wichtigsten Ergebnisse bekannt. | |
Nach der Untersuchung des Kinderkrebsregisters erkrankten in den Jahren | |
1980 bis 2003 in einem Umkreis von fünf Kilometern um die deutschen AKWs 37 | |
Kinder neu an Leukämie. Nach dem statistischen Durchschnitt hätte man nur | |
17 Leukämieerkrankungen erwarten müssen. "Etwa 20 Neuerkrankungen sind also | |
allein auf das Wohnen in diesem Umkreis zurückzuführen", stellte das | |
Bundesamt für Strahlenschutz fest. | |
Für die Studie wurde die Entfernung des Wohnorts der Kinder vom Atommeiler | |
mit einer Genauigkeit von 25 Metern bestimmt. Zudem wurden neben 1.692 an | |
verschiedenen Krebsformen erkrankten Kindern auch 4.735 nicht erkrankte | |
Kinder aus derselben Gegend einbezogen. Die Untersuchung konstatierte dann | |
für die 41 Landkreise in der Umgebung von 16 AKW-Standorten einen | |
"entfernungsabhängigen Risikoanstieg". Das Risiko, an einem Tumor oder | |
Leukämie zu erkranken, steigt demnach statistisch signifikant mit der Nähe | |
des Wohnortes zu einem Reaktor an. Ausschlaggebend für den Risikoanstieg | |
sind dabei im Wesentlichen die vermehrten Leukämieerkrankungen von Kindern | |
unter fünf Jahren. | |
Anlass, die Studie in Auftrag zu geben, waren eigene Auswertungen der Daten | |
des Kinderkrebsregisters durch Strahlenschutzspezialisten oder Mediziner, | |
die etwa den "Internationalen Ärzten gegen den Atomkrieg" (IPPNW) nahe | |
stehen. In diesen Auswertungen spiegelte sich der Streit wieder, den es | |
lange um Untersuchungen des Kinderkrebsregisters gab: Unabhängige Experten | |
konstatierten ein erhöhtes Krebsrisiko in der Nähe von AKWs. Das | |
Kinderkrebsregister sah dies Risiko bis jetzt nicht. | |
Aus den Daten einer Studie aus dem Jahr 1992 zu Kinderkrebs in der Nähe von | |
AKWs konnte man zwar durchaus ein erhöhtes Leukämierisiko bei Kindern für | |
den 5-Kilometer-Radius ablesen. Die Studie betrachtete dann aber das | |
Krebsrisiko in einem Umkreis von 15 Kilometern um die Atommeiler. Die | |
Ausdehnung des betrachteten Gebietes führte zu einer Art Verdünnungseffekt | |
des Risikos. Plötzlich gab es um AKWs kein statistisch signifikant höheres | |
Risiko mehr. | |
Der Auftraggeber der neuen Studie, das Bundesamt für Strahlenschutz, wollte | |
den Pro-und-Contra-Streit unterschiedlicher Experten von vornherein | |
vermeiden. Entworfen und begleitet wurde die Studie daher von einer | |
zwölfköpfigen Expertengruppe, die sich gestern noch einmal in Frankfurt | |
traf, um die Veröffentlichung der gesamten Studie vorzubereiten. In der | |
Gruppe hatten sich von Anfang an Kritiker und Verteidiger der Atomkraft auf | |
eine gemeinsame Vorgehensweise zu einigen. "Unterschiedliche Akteure mit | |
unterschiedlichem Ansatz haben gemeinsam das Design der Studie entwickelt", | |
sagte BfS-Präsident Wolfram König. Nach einer Ausschreibung erhielt dann | |
das Kinderkrebsregister in Mainz den Auftrag. | |
Grünen-Vorsitzender Reinhard Bütikofer forderte die Bundesregierung auf, | |
weitergehende Untersuchungen in Auftrag zu geben. "Wer angesichts solcher | |
Ergebnisse für einen längeren Betrieb von Atomkraftwerken eintritt, handelt | |
völlig verantwortungslos", sagte Bütikofer der Agentur AP. | |
10 Dec 2007 | |
## AUTOREN | |
Jürgen Voges | |
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