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# taz.de -- Warmes Öl auf der Haut: Kloster statt Wellness-Tempel
> Die Arenberger Dominikanerinnen bieten Balsam für Leib und Seele. Ihr
> Motto: "Die Sprache der Zeit sprechen, ohne peppig zu sein"
Bild: Manchen reichen schon die Denkanstöße
## Kloster statt Wellness-Tempel
## Die Arenberger Dominikanerinnen bieten Balsam für Leib und Seele. Ihr
Motto: "Die Sprache der Zeit sprechen, ohne peppig zu sein"
Das Öl, hmm, das Öl. Es ist warm auf der Haut, duftet ganz zart nach
Zedernholz, Mandarine und Orange. Musik und Licht sind gedämpft. Es tut
gut, mit geschlossenen Augen zu verfolgen, wie die geübten Hände geschickt
die Verspannungen aufspüren und mit sanftem Druck aus den Muskeln
massieren. Leider sind 35 Minuten schnell rum. "Sie sollten etwas gegen
ihren Rundrücken tun", sagt ein paar Minuten später ganz nüchtern die Frau,
die zehn Jahre lang leitende Physiotherapeutin einer Düsseldorfer
Unfallklinik war. Für Schwester Andrea, die seit 20 Jahren dem Orden der
Arenberger Dominikanerinnen angehört, ist es kein Widerspruch, einen Beruf
auszuüben, der mit dem Körper des Menschen zu tun hat. "Im Sinne der
Ganzheitlichkeit gehören Körper, Seele und Geist für mich zusammen", sagt
die 48-Jährige.
Darauf basiert das Konzept des 1868 gegründeten Dominikanerinnen-Klosters,
das nahe der Festung Ehrenbreitstein am Rande von Koblenz im hoch gelegenen
Stadtteil Arenberg zu finden ist. Das Gästehaus hat eine wechselvolle
Geschichte hinter sich, als karitative Einrichtung, Reservelazarett und
Kneipp-Sanatorium. Für die Betreuung der Gäste gilt hier das Leitbild
"erholen, begegnen, heilen". Während frühmorgendliches "Tautreten" eher zu
den ausgefallenen Angeboten gehört, ähneln Massagen, Brandungsbäder, Sauna,
Schwimmen im eigenen Pool und diverse Kneipp-Anwendungen schon eher der
Angebotspalette in Wellness-Tempeln. Aber eine Schönheitsfarm ist das hier
nicht.
Das war auch nicht beabsichtigt, als die Schwestern 1999 nach gut 45 Jahren
das Ruder herumrissen. Die Gäste wurden älter, kamen seltener, nicht
zuletzt deshalb, weil die Kassen die Kneipp-Kuren nicht mehr bezahlten.
Auch sonst fehlte eine strategische Ausrichtung. Bewegung, Ernährung,
Wasseranwendungen, Heilpflanzen und Ordnungstherapie, das sind die fünf
Säulen der Kneippschen Lehre. Aber "Kneipp war irgendwann nur noch kaltes
Wasser", formuliert es Geschäftsführer Bernhard Grunau überspitzt. Der
ehemalige Bundeswehroffizier ist eine der wenigen nichtgeistlichen
Führungskräfte des ansonsten überwiegend von den Schwestern selbst
geleiteten Hauses, das rund 95 "zivile" Mitarbeiter und 10 Ordensschwestern
beschäftigt. Doch nicht nur das Konzept stimmte nicht mehr. Der Komfort,
damals ohne Duschen auf den Zimmern, entsprach nicht mehr dem Standard. So
entschieden sich die weltweit rund 200 Nonnen des Ordens bei einem
Generalkapitel für einen kompletten Neuanfang. Mit Ersparnissen und dem
Verkauf von klostereigenen Immobilien finanzierten sie dann den 15
Millionen Euro teuren und besonders umweltfreundlichen Um- und partiellen
Neubau des Gästehauses.
Das Gebäude mit seinen 79 Zimmern und 99 Betten, schließt sich direkt an
das Mutterhaus des Ordens an. Ganz rentabel läuft das Haus seit der
Wiedereröffnung im Juli 2003 zwar noch nicht, aber eine Auslastung von 79
Prozent lässt hoffen. "Die Sprache der Zeit sprechen", ohne "peppig" zu
sein", beschreibt Grunau die Neuausrichtung, die sich nicht nur an die
50-plus-Generation wendet, sondern Menschen ab 25 Jahren ansprechen will.
Einige Gäste sitzen in der großen Halle, warten auf eine Anwendung oder
lesen ein Buch. Da ist zum Beispiel eine 38-jährige Brüsseler Beamtin, die
nach zwei juristischen Staatsexamen und intensiver beruflicher Belastung
gesundheitlich zusammenklappte, mit Medikamenten gepeppelt wurde, bis sie
diese nicht mehr vertrug. Eine Woche gönnt sie sich im Kloster, zweifelnd,
ob es reichen wird. Den Tipp, den habe sie von anderen Brüsseler Beamten
bekommen, erzählt sie. Und da ist eine Antwort, die man sehr oft hört: "Ich
suche Erholung für Leib und Seele." Das bekennt etwa jene 64-Jährige, die
aus dem Bistum Münster hierhergekommen ist. "Es ist ein Ort der Stille",
sagt sie. Für die Katholikin ist der Bezug zu Gott, die Möglichkeit zum
seelsorgerischen Gespräch und zum Besuch der Messe sehr wichtig. Die Pflege
ihrer 90-jährigen Mutter ist etwas, worüber sie reden will. Und sie sucht
nach geistigen Anstößen für den Alltag.
Zu finden sind solche Anstöße beispielsweise im Schwesternchor des
Mutterhauses. Fehlt dem nüchternen Zweckbau des Gästehauses der Charme
eines alten Klosters, fühlt man sich beim Stundengebet - der Mittagshore -
in eine andere, vielleicht bessere Welt versetzt. Die förmliche Strenge des
Rituals und das innige Gebet der Schwestern - die 65 Nonnen des Klosters
sind im Durchschnitt 75 Jahre alt - vermitteln einen Eindruck von dem, was
es bedeutet, den Glauben zum Fundament des Lebens zu machen. Seelsorge und
Glauben sind im Kloster Arenberg gegenwärtig, werden aber unaufdringlich
behandelt. Zwar hängen in den Zimmern Kreuze über dem Bett und natürlich
liegt auch die Bibel zur Lektüre bereit, aber niemand nötigt dem Gast ein
Gespräch auf, mahnt zum Besuch der Kapelle oder zum Rosenkranz-Gebet.
Wer aber Beistand braucht, bekommt ihn. Probleme im Gepäck, ja, das habe
wohl jeder, meint ein 60-jähriger Jurist, einer der noch
unterrepräsentierten männlichen Gäste. Er sei noch nicht so weit, sich
einen Gesprächspartner zu suchen, sagt er. Ihm reichen schon die
sogenannten Impulse, christliche Denkanstöße, die um 8.15 Uhr früh und
21.15 Uhr am Abend in der betongrauen, kargen Kapelle im Obergeschoss des
Erweiterungsbaus gegeben werden. An diesem Abend geht es um das Loslassen.
"Den Tag gut sein lassen und ihn Gott zurückgeben", so etwa drückt es
Schwester Scholastika aus, bevor sie anhebt zum gemeinsamen Gebet des
Vaterunser. Mit ihren 42 Jahren ist die gebürtige Schweizerin die
zweitjüngste Schwester, ihr Fachgebiet ist die Seelsorge. In der fünften
Säule der Kneippschen Lehre, der Lebensordnung, sieht sie "unsere
spirituelle Aufgabe". Mit den morgendlichen Impulsen will sie in dieser
Woche auf das Wesentliche des Lebens hinweisen, dazu ermuntern, die Suche
nach dem Reichtum des Lebens nicht im Außergewöhnlichen, sondern im
Normalen zu beginnen.
Und die Gespräche mit den Gästen? "Bei vielen bricht etwas auf durch die
Stille", sagt sie. Den Menschen akzeptieren und annehmen, mit all seinen
Schwächen, darum geht es der Nonne. Älter werden, sich ausgebrannt fühlen,
der Verlust geliebter Menschen, das sind die Themen, mit denen sich die
Gäste an sie wenden. Mittlerweile sind vier Seelsorger für die
Gesprächswünsche der Gäste da. Doch im Kloster geht es alles andere als
schwermütig zu. Weil sie "nur mal wieder ihr Lachen" hören wollte, rief zum
Beispiel eine Leipzigerin einmal Schwester Josefa an. Die 49-Jährige ist
die Herrin über den Klosterpark, wo die Gäste im Kräutergarten zwischen
Frauenmantel, Schafgarbe, Malven, Ringelblumen und Salbei nicht nur
Wissenswertes über Kräuter lernen, sondern sich auch bei der Ernte nützlich
machen können. Und oft, ganz nebenbei, kommen sie mit Schwester Josefa über
Gott und die Welt ins Gespräch.
Aus dem Grünzeug, das im Klostergarten wächst, lässt sich, nebenbei
bemerkt, ein ganz vorzüglicher Tee bereiten. Auch der Apfelsaft, der aus
dem Obst der Streuobstwiese gewonnen wird, schmeckt köstlich.
Ganzheitlichkeit heißt eben auch, im Einklang mit der Natur zu leben.
1 Dec 2007
## AUTOREN
Marco Heinen
## TAGS
Reiseland Finnland
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