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# taz.de -- Tonträger: Die Achse der übergangenen Platten
> Róisín Murphy vermischt Frühachtziger-Boogie mit Discopop; Dizzee Rascal
> und Wiley verabschieden ihre englische Version von Hiphop. Drei neue
> Alben voll Disco und Grime.
Bild: This is the end, my only friend: Cover von "Playtime Is Over".
## Wir sind überwältigt
Es gibt Platten, die wachsen. Nicht nur jedes Mal, das man sie hört. Auch
mit jeder Single, die ausgekoppelt wird. Zunächst hat man sie womöglich gar
nicht bemerkt, doch dann legen sie Schicht auf Schicht an Bedeutung zu.
"Overpowered", das zweite Soloalbum von Róisín Murphy, ist so eine Platte.
Róisín Murphy war schon als Sängerin von Moloko die Art von Star, den
Lifestylemagazinmacher gerne in die Experimentalklamotten von Jungdesignern
stecken. Zum einen, weil sie auch dann noch super aussieht. Zum anderen,
weil sie so etwas mit sich machen ließ. Für "Overpowered" hat sie aus
dieser Persönlichkeit ein Starmodell gebastelt, eine Figur, die - wie in
den Videos und auf den verschiedenen Covern sichtbar - Glamour und Alltag
aufeinanderprallen lässt. Am schönsten auf der Hülle der Single "Let Me
Know", wo sie in einem untragbaren schwarzen Plastikkleid in einem Park
steht und zwei Kinder in Kinderritterrüstungen sie anschauen. Jedem seine
Verkleidung. Aber diese brillante Oberfläche ist nur die eine Hälfte. Die
Musik ist die andere. "Overpowered" ist das grandiose Discopopalbum, das
Kylie Minogue nicht gelungen ist, tief den Discoästhetiken der vergangenen
dreißig Jahre verpflichtet - Frühachtziger-Boogie trifft Daft Punk. Fast
jedes Stück würde eine großartige Single abgeben. Eingespielt mit dem
sicheren Gefühl für den physischen Schub, den etwa eine bestimmte
86er-Electro-Bassline auch heute noch entwickeln kann, aber ohne die
Nostalgie, die damit oft einhergeht. Diese Disco ist ein Ort, wo Traum und
Alltag sich nicht ausschließen, sondern immer gleichzeitig da sind. Wo
Geschmackssicherheit und das dringende Bedürfnis, sich daneben zu benehmen,
zwei Seiten der gleichen Maxisingle sind. Róisín Murphy: "Overpowered"
(EMI)
## Das wars dann mit Grime
Unerklärliches England und ungerechte Welt: Lange ist es nicht her, drei
bis vier Jahre ungefähr, da gab es im Popdiskurs nichts, was höher
gehandelt wurde als Grime. Endlich hat England seine Version von Hiphop
entwickelt, ging die Erzählung. Grime, das war: Piratensender plus rappende
Unterschichtsjungs plus Bass plus UK-Breakbeat. Kurz alles, was in den
letzten zwanzig Jahren toll war an London, ergab zusammen etwas, was noch
toller war. Heute will niemand mehr etwas von Grime wissen. Was auch damit
zusammenhängt, dass es den Grime-Künstlern nie gelang, mehr zu sein als die
great British hope. Die ganze schöne Energie dieser Szene verpuffte in der
Anstrengung, die es bedeutete, der Welt einzureden, bald, ganz bald werde
man groß und berühmt. Daraus wurde aber nichts. Und ewig will sich niemand
vom Zustand kurz vorm Berühmtsein vorrappen lassen. Mit Dizzee Rascals
"Maths and English" und Wileys "Playtime Is Over" brachten die beiden
Zentralfiguren des Grime dieses Jahr Alben heraus, die das Genre
verabschieden. Ersterer, indem er es dem amerikanischen Hiphop
anverwandelte. Letzterer, indem er alles ließ wie gehabt -
Playstation-Sounds, schwere synkopierte Beats,
Hochgeschwindigkeitsgequatsche - und ankündigte, sich aus der Musik
zurückziehen zu wollen. Was nun? Dubstep ist die Musik der Stunde.
Grime-Instrumentals mit noch mehr Bass und mehr Platz zwischen den
einzelnen Sounds, wenn man so will. Realistischerweise wird es Dubstep wohl
ähnlich ergehen wie Grime. Der nächste heiße Scheiß ist schon da:
Bassline-House wird es 2008 wohl werden. Womit nichts über die Musik gesagt
wäre. Aber niemand versteht die Schönheit der Popschnelllebigkeit besser
als die Briten. Wiley: "Playtime Is Over" (Fat Cat), Dizzee Rascal "Maths
and English"
20 Dec 2007
## AUTOREN
Tobias Rapp
## TAGS
Pop
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