| # taz.de -- Zu Fuß unterwegs: Lakonische Erkundungen | |
| > Die Südwestküste der Halbinsel Lakonien offeriert Wanderern eine karge, | |
| > aber mitnichten öde Natur. Der steinige Pad zum Kloster Sankt Irene | |
| > bietet weite Blicke übers Meer. | |
| Bild: Gasse in Monemvasia | |
| Skurrile Steinformationen ragen aus dem felsigen Grund. Unter ihnen, und | |
| manchmal auch durch ihre Hohlräume hindurch, rauscht die Meeresbrandung. | |
| Was wie Relikte einer vergangenen Zeit aussieht, sind tatsächlich die | |
| versteinerten Überreste von Bäumen. Englische Forscher haben | |
| herausgefunden, dass es sich um einen drei Millionen Jahre alten Palmenwald | |
| handelt. | |
| Hier am Steinwald von Agia Marina, an der Südspitze der griechischen | |
| Peloponnes-Halbinsel Lakonien, beginnen wir unsere Wanderung. Wir wollen | |
| weiter nach Osten zum Kap Maleas. Ob das Kap der südlichste Punkt des | |
| europäischen Festlands sei oder ob zum Beispiel Gibraltar doch weiter | |
| südlich liege, das ist die Streitfrage, die in den nächsten Stunden immer | |
| wieder aufgeworfen werden wird, die wir gemächlichen Schrittes die | |
| Küstenpiste auf kargem, rotem Untergrund gen Osten laufen. | |
| Die Südwestküste der Halbinsel Lakonien, südlich des Hafenstädtchens | |
| Neapolis, ist ruhiger als der Nordosten. Dort liegt mit Monemvasía das | |
| touristische Zentrum Lakoniens. Und die Ortschaft ist zweifellos auch | |
| historisch interessant. Der auf dem Festland gelegene, stetig wachsende | |
| Ortsteil Géfira ist weniger der Anziehungspunkt der Stadt als vielmehr der | |
| vorgelagerte Burgberg. Früher war er durch eine Zugbrücke mit Géfira | |
| verbunden, mittlerweile gibt es einen kurzen Damm, den auch Autos passieren | |
| können. Wer durch die schmalen kopfsteingepflasterten Gassen in der | |
| Unterstadt der einstigen Burg vorbei an byzantinischen Kirchen flaniert, | |
| kann nachempfinden, was für eine bedeutende Stadt Monemvasía einst war: | |
| Zwischen dem 13. und 16. Jahrhundert, unter Byzantinern und Venezianern, | |
| lebten hier in der Blütezeit der Stadt mehr als 30.000 Menschen; die Burg | |
| in der Oberstadt auf dem Plateau des mächtigen Felsens galt als | |
| uneinnehmbar - bis im 16. Jahrhundert die Türken kamen und die Burgstadt | |
| bis 1690 besetzt hielten. | |
| Doch weil wir auch die Natur Lakoniens sehen wollen, sind wir zur | |
| Südwestküste gefahren. Vom Steinwald bei Agia Marina bis zu dem dem Kap | |
| Maleas vorgelagerten Kloster Sankt Irene sind es rund 5,5 Kilometer: Der | |
| Weg ist mit einem roten Punkt markiert - und netterweise haben die Griechen | |
| gleich dazugeschrieben, wie lange dafür bei angenehmen Schritttempo zu | |
| veranschlagen sei: 2 Stunden und 15 Minuten. Da es hier in der Einöde | |
| keinen Verkehr gibt, muss man den Weg allerdings hin und zurück per Pedes | |
| bewältigen. Luftlinie nach Norden ins Landesinnere sind es nur drei | |
| Kilometer zu einem Punkt, der auf unserer Karte als „German Watch-Post“ | |
| verzeichnet ist. Von hier aus haben die deutschen Truppen im Zweiten | |
| Weltkrieg die Seebewegungen beobachtet. | |
| Wir halten uns aber lieber an den Trampelpfad an der Küste. Weil immer | |
| wieder Geröll auf dem Weg liegt, sollte man vorsichtig gehen - die Küste | |
| fällt hier ziemlich steil zum Meer hin ab. Und wer in der Mittagszeit geht, | |
| sollte Sonnenschutz nicht vergessen, denn wegen des kräftigen Windes, der | |
| häufig von Osten weht, unterschätzt man schnell die Kraft der Sonne. Die | |
| Landschaft am Wegesrand ist zwar karg, aber nicht öde: Neben den | |
| Grünschattierungen des Ginstergestrüpps bieten Sternanemonen, Krokusse und | |
| Veilchen farbliche Tupfer. Außer wilden Olivenbäumen wachsen hier auch | |
| Gewürze aller Art - von Salbei über Thymian bis Oregano. | |
| Der Weg windet sich die Steilküste entlang, und mehrmals denken wir, als | |
| wir einen der nächsten Felsvorsprung umrundet haben, dass wir gleich am | |
| Kloster Sankt Irene angelangt seien. Doch der Weg zieht sich unerwartet in | |
| die Länge. Dann passieren wir einen Heiligenschrein am Wegesrand, kurz | |
| darauf ein mehrfach mit Ketten gesichertes Gatter. Jetzt sind wir uns | |
| sicher, dass wir so gut wie am Ziel sind. Denn die Absperrung dient dazu, | |
| dass keine Ziegen auf das Klostergelände gelangen und alles kahl fressen. | |
| Einige Meter weiter stoßen wir auf die inzwischen verlassene Klosteranlage, | |
| wo wir erst einmal eine wohlverdiente Rast einlegen und die Aussicht aufs | |
| offene Meer genießen. Nur einmal im Jahr kehrt hier Leben ein: wenn die | |
| Prozession zu Ehren des Klosterheiligen begangen wird. Läuft man von hier | |
| aus rund 200 Meter weiter, kann man das alte Kloster Sankt Georgios | |
| besichtigen und einen Blick auf das Kap Maleas werfen. Wer die | |
| Klosteranlage betritt, sollte sich allerdings nicht über den Anblick | |
| erschrecken: Den Heiligen auf den Wandbildern wurden von den Türken Augen | |
| und Münder ausgeschlagen. | |
| Weil sich die Sonne allmählich dem Horizont zuneigt, müssen wir leider bald | |
| umkehren. Auf dem Rückweg begegnen wir dann doch noch zwei Wanderern - es | |
| soll die einzige Begegnung mit Menschen bleiben, bis wir mit dem Auto | |
| Neapolis erreichen, um nach dem mehrstündigen Fußmarsch in einer der | |
| Hafentavernen einzukehren. Übrigens: Obwohl wir uns am verlassenen, | |
| windigen Kap Maleas so gefühlt hatten, als wären wir am Ende Europas, als | |
| würde Afrika gleich hinter dem Horizont liegen, werden wir eines Besseren | |
| belehrt, als wir beim Essen einen Blick auf die Landkarte werfen. Schon | |
| Mani, der mittlere der drei Peloponnes-Finger, ragt ein kleines Stück | |
| weiter gen Süden. Afrika ist vom Kap Maleas aus ohnehin noch einige hundert | |
| Kilometer entfernt. | |
| 22 Dec 2007 | |
| ## AUTOREN | |
| Markus Wild | |
| ## TAGS | |
| Reiseland Griechenland | |
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