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# taz.de -- Testkit für 999 Dollar: Der kleine Gentest für zwischendurch
> Anne Wojcicki hat eine bemerkenswerte Firma gegründet: 23andMe bietet für
> 999 Dollar Testkits an, mit denen jeder seine DNA untersuchen lassen
> kann.
Bild: So genau wollten wir es auch nicht wissen: Erbgut-Strang im Schulmodell.
BERLIN taz Die Büros sind schon einmal bunt - und das Paket, in dem der
kleine Messbecher steckt, erst recht: 23andMe, das neue Start-up der
Biologin und Biotech-Investorin Anne Wojcicki, versucht, sich einen
fröhlicheren Anstrich zu geben als manch andere Biotech-Neugründung. In den
Schlagzeilen ist das Unternehmen auch deshalb, weil Wojcicki Ehefrau des
Google-Gründers (und mehrfachen Milliardärs) Sergey Brin ist und die
Suchmaschine selbst mit rund 3,9 Millionen Dollar an der Firma beteiligt
sein soll.
Doch das Produkt von 23andMe ist eigentlich schon spektakulär genug: Für
999 Dollar verkauft die Firma Testkits, mit denen man seine Genausstattung
untersuchen lassen kann. Ist die Speichelprobe einmal an 23andMe
zurückgeschickt, analysiert man die enthaltene DNA auf die Variationen
einzelner Basenpaare, die so genannten SNPs (was für "Single Nucleotide
Polymorphism" steht). Daraus lassen sich dann diverse Dinge ableiten - vom
eher lustigen ("Kann ich besser die Geschmacksrichtung Bitter schmecken als
andere?") bis zum todernsten ("Ist mein Brustkrebsrisiko höher?"). Auch
Rückschlüsse auf Vererbungen und ähnliche Genausstattungen sind möglich,
falls auch Daten anderer Familienmitglieder vorliegen.
23andMe ist nicht die einzige Firma, die die neuartige Dienstleistung
erbringt. Auf dem Markt sind auch noch deCODE Genetics aus Island (wo sich
auch aufgrund der interessanten genetischen Zusammensetzung der Bevölkerung
ein Gentech-Cluster gebildet hat) sowie Navigenics aus Kalifornien. Bei
deCODE werden statt der 580.000 SNPs wie bei 23andMe eine runde Million
abgebildet; allerdings liegen die Erkennungsmöglichkeiten mit rund 20
Krankheiten und genetischen Neigungen gleich auf. Der Preis: 985 Dollar.
Navigenics will sich hingegen im High-End-Segment platzieren: Dort werden
für 2500 Dollar ab 2008 eine Million SNPs begutachtet und die Ergebnisse
dann von einem "persönlichen genetischen Berater" mitgeteilt (allerdings
nur telefonisch) - hier sollen Risiken von rund einem Dutzend Erkrankungen
erfasst werden können.
Die wissenschaftliche Basis, auf der die Firmen arbeiten, ist nicht immer
die allerneueste - die Genforschung ist ein enorm dynamisches Feld.
Zweifelsfrei lässt sich daraus nur wenig schließen, weshalb die
Dienstleister ihre Daten immer mit Vorbehalt mitteilen. Die Gefahr, dass
man sich nach seinem teuer erkauften Test verrückt macht, weil man nun das
Damoklesschwert einer genetisch bedingten Erkrankung über sich weiß, ist
nicht gering.
Die psychologischen Effekte dürften denen so genannter "Full Body Scans"
ähneln, die findige Ärzte in den USA und anderswo in ihr Praxisprogramm
aufgenommen haben: Dabei wird der ganze Körper mit bildgebenden Verfahren
durchleuchtet, um beispielsweise Tumore erkennen zu können. Ein solcher
Scan findet aber auch diverse harmlose Geschwülste, was zu einer Welle an
schmerzhaften wie eventuell völlig sinnlosen Nachuntersuchungen führen
kann. Ärzte nennen so etwas einen Zufallsbefund - und der kann eben positiv
für den Patienten (wenn Krankheiten vermieden werden) wie negativ (wenn man
zum "Geisterjäger" wird) sein.
Die New York Times-Reporterin Amy Harmon, die zu den ersten Journalisten
gehörte, die die 23andMe-Technologie ausprobieren durfte, beschrieb ihre
Gefühle dabei so: "Sobald ich mir meine Ergebnisse ansehen würde, gäbe es
keine Rückkehr mehr. Ich hatte mich heute auf das Schlimmste vorbereitet.
Doch was, wenn morgen noch etwas schlimmeres kommen würde?" Auch das gehört
nämlich zu den Diensten von 23andMe: Ist die DNA einmal im Rechner der
Firmen, erhalten Kunden regelmäßig online passwortgeschützte Updates mit
neuen Forschungsergebnissen. Ob diese eventuell auf tönernen Füßen stehen,
muss der Kunde entscheiden.
Harmon schaute schließlich auf ihre Daten und sah, dass etwa ihr
Brustkrebs- und Alzheimer-Risiko nur innerhalb des allgemeinen
Durchschnitts lag, sie aber auf ihr leicht erhöhtes Herzinfarktrisiko mit
einer besseren Diät reagieren müsse. So beruhigend der Blick auf die Gene
insgesamt auch war, ihre dreijährige Tochter will Harmon zunächst nicht für
den Dienst anmelden: "Ich wollte nicht, dass etwas in ihrem Leben
vorbestimmt erscheint."
Manch kritischen Beobachter dürfte auch die Verbindung zu Google über
Wojcicki sowie die Beteiligung des Konzerns von einer Nutzung des
23andMe-Dienstes abhalten. Das Ziel der großen Suchmaschine ist
schließlich, die Informationen der Welt zu organisieren. Dazu muss ja nicht
auch die persönliche DNA gehören.
31 Dec 2007
## AUTOREN
Ben Schwan
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