# taz.de -- Hillary Clintons Tränen: Sie hatte nur was im Auge | |
> Auch wenn Hillary Clinton, die Vorwahlsiegerin von New Hampshire, in | |
> einem Moment der Schwäche geweint haben mag - wäre ihr das nicht | |
> nachzusehen? | |
Bild: Das Leben, eine Landschaft: Hillary Clinton. | |
Musste das nicht jede feministisch durchreflektierte Seele verstören? Dass | |
diese Politikerin mit einer mitleidlosen Häme überzogen wurde, als sei sie | |
eine Rittmeisterin, die endlich einmal nicht mehr auf einem hohen Ross | |
sitzen konnte? | |
Wo waren denn nach den Vorwahlen im US-Bundesstaat Iowa die Kommentare, die | |
sie im Sinne eines aufgeklärten Diskurses zur Geschlechterdemokratie in | |
Schutz nahmen? Hillary Clinton aber, einst First Lady an der Seite von | |
Präsident Bill C., erntete nur fast niederträchtig klingende Kommentare, | |
nachdem ihr Rivale um den Status eines demokratischen Kandidaten, Barack | |
Obama, sie im Mittleren Westen ihres Landes geschlagen hatte. Man ätzte | |
über die geölte Wahlkampfmaschine der Hillary C., mokierte sich über die | |
Härte ihrer Gesichtszüge, den metallischen Klang ihrer Stimme und hielt | |
selbst die Tränen, die sie weinte, vor dem Votum vorgestern Abend in New | |
Hampshire, für falsch, peinlich, inszeniert. | |
Seltsam, dass dies einer Frau vorgeworfen wird. Heult ein Mann, gilt er als | |
modern, weil gefühlsnah und emotional berührbar; der gleiche, nach | |
getrocknetem Wasserstrom, ist noch besser, wenn er hernach den harten Kerl | |
raushängen lässt. Männern wird offenbar verziehen, was Frauen wie Hillary | |
Clinton wie eine Sünde ausgelegt wird. Vergösse ein Arnold Schwarzenegger | |
ein Rinnsal vor bestürzender Verzweiflung, käme ihm das als harter Mann nur | |
zugute: Mann, super, klasse - schwer besorgt um Klima & Kalifornien, das | |
geht ihm schon nah. | |
Aber die Frau, die professionell und, dürfen wir vermuten, außergewöhnlich | |
liebevoll die von den Konservativen ihres Landes entfachte Kampagne gegen | |
ihren Mann ausstand und ihm beistand, wird behandelt wie eine Megäre, eine | |
verhärmte Politikerin, die, allein unterstellterweise hochmütig scheinend, | |
ihres Sieges viel zu sicher scheint. | |
Es ist jedoch seltsam, dass Clinton stets als Frau gesehen wird, nie als | |
Politikerin, die, wie alle Politiker es tun, ihren Job so wirkungsvoll wie | |
möglich zu versehen sucht. Ihr nahm man übel, dass sie sich wehrte in den | |
Talkshows nach dem Iowa-Debakel, ihrem Kontrahenten Barack attestierte man | |
stattdessen souveräne Ruhe, an der die Clintonschen Angriffe abprallten. | |
Frauen in der Politik, in der Wirtschaft müssen, wollen sie an die | |
allerhöchsthängenden Trauben, offenbar Klischees bedienen, die sie | |
möglicherweise hassen wie Männer, die auf die ganz billige Weise zu punkten | |
wissen, mit cowboyhafter Sentimentalität eben. | |
Auch bei Kanzlerin Merkel schwingt immer noch der Verdacht mit, sie sei, | |
smart, wie sie aufzutreten weiß, keine echte Frau; Bildungsministerin | |
Schavan hatte aus ebendiesem Grund, eine Frau zu sein, in Baden-Württemberg | |
keine Chance für die Nachfolge auf dem Posten Erwin Teufels. | |
Die sich Stereotypen des Publikums - des spießigen wie des vermeintlich | |
aufgeklärten - entziehen, gelten fast als anrüchig. Frauen müssen viele | |
starke Momente von Mütterlichkeit vorzeigen. Die Tragödin geben wie Evita | |
Perón; die Jeanne dArc wie Petra Kelly, die Mutter wie die Norwegerin Gro | |
Harlem Brundtland oder wenigstens die Klavierspielerin wie Condoleezza | |
Rice. Frauen müssen klassische Frauen sein, irgendwie tapfer, zum Opfer | |
bereit, den Gefühlen nie fern und auf keinen Fall so geschäftlich-nüchtern, | |
wie Männer das von sich behaupten. Auch ein Klaus Wowereit, Berlins | |
Bürgermeister, macht viele verzweifelt, weil er als schwuler Mann partout | |
in keine Travestiekiste passen möchte. Seine Art weckt sogar Hass: Was | |
bildet dieser Homo sich hier ein? | |
Hass ist es auch, den Clinton zu provozieren scheint. Kein Mensch fragt | |
sich - und warum schweigt gerade die Frauenbewegung, der doch diese | |
Politikerin eine Heldin sein müsste, ein Idol? -, ob nicht viel mehr als | |
ein Obama über Managementqualitäten für einen sozialliberalen Wandel | |
verfügt? War sie es nicht, die 1993 als Präsidentenfrau mit Vorschlägen zu | |
einer Gesundheitsreform scheiterte, weil sie letztlich nur die Gattin vom | |
Boss war? Und verfügt nicht sie allein über das Format - diese Mischung aus | |
Erfahrung und Sachverstand -, ihre Partei, die Demokratie, aus dem | |
linkslibertären Verlierereckchen herauszubugsieren, und sei es um den | |
Preis, sich als besonders bibelfest öffentlich zu zeigen? | |
Hillary Clinton mag geweint haben, und das konnte einen berühren. Wer | |
hinter dieser brüchigen Fassade nur abgefucktes Entertainment erkennen | |
wollte, müsste eventuell diese Analyse für das Resultat eines Blickes in | |
den eigenen Spiegel halten: Ihnen dienen solche Bilder nur als Indizien für | |
eine Welt, die besser zu machen nicht recht lohnt, weil die Leute doch alle | |
blöde sind. | |
Barack Obama toll zu finden ist leicht; er ist der Newcomer, der Liebling | |
der Jugend, der Mann mit dem Appeal des ewigen Jungen. Hillary C. | |
verkörpert eine moderne Frau, die nicht mehr die Mutti geben will. Das | |
sollte ihr gelohnt werden. | |
9 Jan 2008 | |
## AUTOREN | |
Jan Feddersen | |
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