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# taz.de -- Debatte China: Keine Leisetreterei mit China
> Anlässlich der Olympischen Spiele will die chinesische Regierung ihr
> Bad-Guy-Image loskriegen. Ein perfekter Zeitpunkt, die Einhaltung der
> Menschenrechte einzuklagen.
Donnerstag Nachmittag hat das Europäische Parlament in Straßburg die
chinesische Regierung unmissverständlich aufgefordert, Hu Jia sofort aus
der Haft zu entlassen. Hu Jia engagiert sich seit Jahren gegen die harsche
Diskriminierung von Aidskranken in China und wurde Ende Dezember in Peking
verhaftet. Vorgeworfen wird ihm die Subversion der Staatsgewalt. Zuvor
stand er schon seit Monaten unter Hausarrest.
Auch am Fall Hu Jia sehen wir, wie die chinesische Regierung das Eintreten
für die Rechte von Aids-Kranken und jede Kritik an der Obrigkeit ummünzt in
Staatsverrat. Dabei hatte sich die Regierung im Vorfeld der
Olympia-Entscheidung dem Olympischen Komitee gegenüber verpflichtet, die
Menschenrechte besser zu achten. Denn China möchte nicht mehr der bad guy
sein, sondern ein anerkanntes Mitglied der Weltgemeinschaft, das seine
Verbrechen gegen die Menschlichkeit seit der Kulturrevolution überwunden
hat.
Im Moment hat man jedoch den Eindruck, dass die innenpolitische Repression
zunimmt und Regimekritiker noch schärfer als bislang verfolgt werden. Auch
angesichts des großen internationalen wirtschaftlichen Engagements in China
muss die internationale Gemeinschaft die kommenden Monate bis zu den
Olympischen Spielen nutzen, Peking zum Einhalten der Menschenrechte zu
drängen. Dazu gehören glasklare Worte von Seiten der Politik, aber auch die
Forderung an westliche Sportlerinnen und Sportler, während der Spiele in
Peking Kontakt zu Menschenrechtsaktivisten aufzunehmen und ihnen so
Öffentlichkeit zu verschaffen. Gerade weil China diesen dringenden Wunsch
nach internationaler Anerkennung hat, muss man die Zeit vor den Olympischen
Spielen nutzen, China zu Zugeständnissen an die innere Liberalisierung zu
zwingen.
Erinnern wir uns: Angela Merkels Treffen mit dem Dalai Lama im vergangenen
Sommer hatte viel Protest und Ärger ausgelöst. Ich halte das für heilsamen
Ärger. Er nötigt uns, die Haltung zu China noch einmal zu überdenken und zu
präzisieren. Antje Vollmer ging so weit, zu sagen, dass es eine echte
Chance auf die Rückkehr des Dalai Lama vor der Olympiade gegeben hätte,
wäre man nur bei der Geheimdiplomatie geblieben. Nach meinem Besuch in
Tibet und China und den offiziellen Gesprächen mit chinesischen
KP-Funktionären und Regierungsmitgliedern halte ich diese Einschätzung für
naiv. Keinesfalls wird die chinesische Regierung den Dalai Lama in
absehbarer Zeit zurücklassen. Denn die Funktionäre haben viel zu viel
Angst, er könnte eine Volksbewegung auslösen, die Unruhe ins Land bringt
und andere Regionen zur Ablösung von China inspiriert, etwa Taiwan und die
Uiguren.
Weitere Kritiker warfen Merkel damals vor, der Dalai Lama sei ein
Separatist und bedrohe die territoriale Integrität Chinas. Außerdem
vertrete er eine reaktionäre Politik. Der Dalai Lama aber verlangt schon
seit vielen Jahren nicht mehr die Loslösung Tibets von China, sondern
kulturelle Autonomie. Angesichts der offensiven Siedlungspolitik der
Han-Chinesen und der Überformung der tibetischen Kultur halte ich diese
Forderung für richtig. Man kann durchaus das Unfreie im streng religiösen
Leben der Tibeter sehen und kritisieren und sich dennoch für ihre
kulturelle Autonomie einsetzen.
Und was China in Tibet treibt, hat mit Freiheit nun mal gar nichts zu tun.
Insgesamt kann von Freiheitsrechten im heutigen China nicht die Rede sein.
Die richtige Politik aus meiner Sicht ist daher, sowohl von Tibet als auch
von China die Einhaltung der Menschenrechte zu verlangen, nicht aber
europäisch-imperial die Lebensverhältnisse vor Ort von oben umgestalten zu
wollen. Die bürgerlichen Freiheitsrechte müssen schon von unten erkämpft
werden.
Die chinesischen Regierungsvertreter setzen sich bei unseren
parlamentarischen Treffen zwar der europäischen Kritik aus. Diese Treffen
haben aber immer das Ziel, ihre Ideologie der Ein-China-Politik, das
Herzstück von Maos Erbe, ohne Wenn und Aber zu propagieren und Gefolgschaft
dafür einzuklagen. Und sie können recht ungemütlich werden, wenn man ihren
absoluten Machtanspruch nach innen in Frage stellt. Großzügige Lösungen von
kultureller Autonomie, wie wir das für die Kurden in der Türkei fordern,
ist für die chinesische Regierung nicht denkbar. Vor diesem Hintergrund
finde ich eine deutsche und europäische Außenpolitik richtig, die ihr
Wertefundament nicht vergisst und auch öffentlich die Einhaltung der
Menschenrechte einklagt. Ein Treffen mit dem Dalai Lama gehört dazu.
Gleichzeitig darf man auch sicher der noch heikleren Frage nicht
ausweichen, wie man es mit dem Unabhängigkeitsstreben Taiwans hält. Dieses
hat in dieser Woche bei den Parlamentswahlen in Taiwan einen Dämpfer
erhalten. Bisher ist die europäische und amerikanische Außenpolitik
eindeutig darauf ausgelegt, die Ein-China-Politik nicht zu kritisieren.
China droht Taiwan im Falle der Unabhängigkeitserklärung mit Krieg. Aber
müssen wir Europäer die Ein-China-Machtpolitik wirklich für sakrosankt
erklären? Müssen wir nicht vielmehr auch im Falle von Taiwan für das
Selbstbestimmungsrecht der Völker eintreten? Und: Könnte es nicht auch für
China eine Entwicklungsperspektive geben, den Tibetern und Uiguren
kulturelle Autonomie zu gewähren und somit letztlich den Zusammenhalt
Chinas zu bestärken? Könnte China der kleinen Insel Taiwan nicht einen
teilsouveränen Status zugestehen, anstatt dass die Ein-China-Politik in
innere Repression umschlägt, mit der Kritiker ohne rechtsstaatliche
Verfahren inhaftiert werden? Das aber sind für das chinesische Regime
derzeit verbotene Fragen; vorgeblich gefährden sie die Stabilität Chinas.
Jeder, der sie in China stellt, wird dafür verfolgt. Ein demokratischer
Ansatz ist das sicher nicht. Noch wagt sich die europäische
Regierungspolitik hier nicht heran. Gerade deshalb sollte wenigstens ein
Gespräch mit dem Dalai Lama - auch im Kanzleramt - möglich sein.
Es ist allemal besser, moralisch Flagge zu zeigen, als etwa die Doppelmoral
Sarkozys gutzuheißen. Der französische Präsident hatte für die französische
Ratspräsidentschaft ankündigt, die Einhaltung der Menschenrechte sei das
Markenzeichen Europas, um dann in China den Verkauf von AKWs und TGVs
voranzutreiben. Eine solche Heuchelei brauchen wir nicht. Da ist es besser,
wenn Merkels Treffen mit dem Dalai Lama für großen Ärger sorgt.
Denn aus meiner Sicht gelingt es dieser Geste zumindest, der chinesischen
Führung zu verdeutlichen, dass zum Dialog auch die Konfrontation gehört.
Auch ich wünsche mir den zwischen Deutschland und China vereinbarten
Rechtsstaatsdialog. Für diesen ist es zwingend notwendig, dass wir
umgekehrt nicht glauben, mit eurozentrischer Arroganz den Weg vorgeben zu
müssen oder zu können. Zugleich aber darf die deutsche und europäische
Haltung aber auch nicht aus Anbiederung und Leisetreterei bestehen. Dialog
nämlich bedeutet immer auch Streit.
17 Jan 2008
## AUTOREN
Helga Trüpel
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