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# taz.de -- die wahrheit: Die Macht des Fickens
> Regieren wie Sarko in Frankreich. Neues aus der Bruchbude Élysée-Palast.
Bild: Wo ist Carla Bruni? Frankreichs Frauenheld Nummer eins geht einer anderen…
Da haben die Franzosenverächter im Lande sehr gelacht und sich über die
Bestätigung ihrer Vorurteile gefreut, als Ende der vergangenen Woche die
Nachricht vermeldet wurde, der französische Staatspräsident habe sich im
Wahlkampf für 34.500 Euro schminken lassen. Ein äußerst durchschnittlicher
Teutone, der mir auf einer langen Bahnfahrt von Hannover nach Frankfurt am
Main gegenübersaß, kommentierte seine Zeitungslektüre: "Was ist das bloß
für ein eitler Geck, Monsieur le Président! Was ist das für ein Land, das
einen Mann zum Staatschef wählt, der Lippenstift und Puder im Wahlkampf
einsetzt!" Ringsum nickten die Herren, aber auch die Damen, von denen keine
Einzige nur einen Hauch Lidschatten aufgetragen hatte. Niemand in diesem
Zug schien zu begreifen, dass der französische Staatspräsident als
erfolgreicher Herzensbrecher auch für die Emanzipation kämpft. Seine
Gegenkandidatin Ségolène Royal gab im Wahlkampf mit 53.581 Euro etwas mehr
Geld für ihre Schönheit aus als ihr durchaus dezent geschminkter Gegner,
und ich bin mir sicher, dass Nicolas Sarkozy sich noch immer darüber
ärgert, vor den Fernsehdebatten nicht noch mehr Cremes und Düfte
aufgetragen zu haben. Allein der Gleichberechtigung wegen.
Die für die Wahlkampfkosten zuständige Pariser Finanzkommission hat den
beiden Kontrahenten übrigens jeweils nur ein Drittel der Make-up-Ausgaben
erstattet, weil sie angeblich "privater Natur und exzessiv" gewesen seien.
Drängt sich die Frage auf, was privat und was politisch ist im heißen
Regierungsgeschäft? Sarkozy jedenfalls ist ganz 68er, indem er gekonnt
Privates und Politisches vermischt. Die Vorstellung seiner innen- und
außenpolitischen Ziele nutzte der Präsident, um von seiner Liebe zu Carla
Bruni zu schwärmen, und so wird der mächtigste Mann Frankreichs, ganz dem
dialektischen Populismus verpflichtet, seiner Angebeteten in den
Privatgemächern des Élysée-Palastes wahrscheinlich nur Politisches
angedeihen lassen.
Das ist durchaus angemessen, da der Élysée ohnehin kein schmuckes
Liebesnest mehr ist, sondern ein hochgefährlicher Ort: Neulich wäre dort
ein ausländischer Staatschef beinahe von einem abstürzenden Stuckengel
erschlagen worden. Man kann wirklich nicht sagen, der französische Staat
sei verschwenderisch. Seit 35 Jahren hat man die einst prunkvollen
Räumlichkeiten nicht mehr renoviert. Überall bröckelt es, die Fenster
schließen schlecht, die Teppiche sind verschlissen. Das würde kein
deutscher Mieter tolerieren. Sarkozy aber schlägt aus der heiklen Situation
wiederum Kapital.
Wo einst die Mätresse des französischen Königs residierte, wo die Marquise
de Pompadour ihren Ludwig verwöhnte, treibt heute ein Präsident seine
Freundin zur Arbeit. Carla Bruni soll mittlerweile im Élysée-Palast ein
Aufnahmestudio haben, um dort ihr neues Album einspielen zu können.
Leerstehende Räume gibts gewiss genug in dem Gammelpalast, und statt die
verschimmelten Wandtapeten und den bröseligen Deckendekor aufwendig zu
restaurieren, wurde offenbar in einem Salon der Kram aus dem 18.
Jahrhundert entsorgt und durch schalldämpfendes Schaumgewebe und allerlei
Audiotechnik ersetzt. Wozu Barockspiegel und Kronleuchter, wenn es Mikrofon
und Mischpult gibt? Ja, das ist der wahre Politrock des 21. Jahrhunderts!
Wenn der Einwanderersohn Nicolas Sarkozy demnächst wieder mal
demonstrierende Immigranten beschimpft oder im säkularsten Land Europas
erklärt, die "Wurzeln Frankreichs" seien "im Wesentlichen christlich", dann
sollte man wissen: Frankreich, das Land der Revolution, ist in
Regierungsdingen wieder Avantgarde.
Der niedersächsische Christdemokrat Christian Wulff hat von seinem
französischen Kollegen schon viel gelernt. Lässig zieht er mit seiner
schwangeren Geliebten durch Hannovers Markthalle. Dass der
ministerpräsidiale Schlingel noch verheiratet ist und dabei gleichzeitig so
aussieht, als besuche er weiterhin fleißig den Konfirmandenunterricht,
gehört zum Erfolgsrezept des postpostideologischen Politikstils.
Roland Koch hingegen hat nur noch eine Chance, die Wahl in Hessen zu
gewinnen. Er muss umgehend 50.000 Euro für Schminke ausgeben. Außerdem
sollte er sich eine Lady aus dem Dschungelcamp aussuchen, von der es noch
keine Nackfotos gibt, und mit ihr einen FKK-Urlaub in Nordkorea machen.
Statt weiterhin gegen kriminelle Jugendliche und noch kriminellere
Rosa-Grün-Rot-Kommunisten zu hetzen, müsste er, falls er wirklich noch an
einen Sieg glauben sollte, in der Staatskanzlei ein Fotostudio für seine
Zweitfrau aus dem Dschungelcamp einrichten.
21 Jan 2008
## AUTOREN
Carsten Otte
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