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# taz.de -- Klimakiller in Norwegen: Gasfackel fördert die Eisschmelze
> Die erste europäische Gasverflüssigungsanlage funktioniert nicht. Das
> überschüssige Gas wird abgefackelt. Dabei werden Millionen Tonnen
> Kohlendioxid freigesetzt.
Bild: Luftansicht der Gasverflüssigungsanlage der Betreiberfirma Statoil.
Im Jahre 2030 will Norwegen "CO2-neutral" sein. Das ist ein ehrgeiziger
Klimaplan. Doch die Realität sieht derzeit in Norwegen noch anders aus: Im
Norden des Landes ist weithin sichtbar eine Gasfackel zu sehen, die
Millionen Tonnen des schädlichen Klimagases CO2 freisetzt - für nichts und
wieder nichts.
"Sie ist zu einem wirklichen Alptraum geworden", kommentiert die Osloer
Wirtschaftszeitung Dagens Naeringsliv. Die Gasfackel mit dem unpassenden
Namen "Snøhvit" (Schneewittchen) liegt nördlich des Polarkreises auf einer
Insel vor der Stadt Hammerfest und gehört zur ersten europäischen
Gasverflüssigungsanlage. Nach sechsjähriger Bauzeit im vergangen Herbst
fertiggestellt hat sie seither gerade einmal zwei Tankerladungen Flüssiggas
produziert.
Schneewittchen hat ein Problem: Das von der deutschen Firma "Linde"
gelieferte Herzstück der acht Milliarden Euro teueren Anlage, funktioniert
nicht richtig. Eigentlich sollte die Anlage das Erdgas auf minus 161,5 Grad
Celsius abkühlen und dabei gleichzeitig das Volumen um den Faktor 600
komprimieren.
Ein großer Teil des Erdgases, das über eine 150 km lange Pipeline aus einem
Gasfeld unter dem Meeresboden angeliefert wird, wird jedoch aufgrund der
nicht funktionierenden Anlage und mangels anderer Verwendungsmöglichkeiten
einfach abgefackelt. Selbst die Besatzung der Internationalen
Weltraumstation ISS konnte die auf einem 137 m hohen Turm bis zu 130 m hohe
Flamme schon beobachten.
Über eine Million Tonnen CO2 wurden so binnen zwei Monaten nutzlos in die
Atmosphäre geschickt. Etwa soviel, wie eine halbe Million Autos
durchschnittlich in einem Jahr freisetzen. In den nächsten sechs Monaten
sollen mindestens weitere 1,5 Millionen Tonnen dazukommen.
Zunächst hatten die BewohnerInnen des nahegelegenen Hammerfest gemerkt,
dass da irgendetwas nicht stimmt. Statt einer frischer Brise zog dicke Luft
durch die Stadt; Fensterscheiben verschmierten und zum Trocknen aufgehängte
Wäsche verrusste.
"Anfangsprobleme" beruhigte das vom norwegischen Staatsunternehmen
"Statoil" angeführte "Snøhvit"-Konsortium, an dem auch die deutsche RWE
Anteile hält, zunächst die Öffentlichkeit: Doch diese "Anfangsprobleme"
haben sich mittlerweile zu einem zentralen Konstruktionsfehler gemausert.
Im November schaltete man die Anlage vorübergehend ganz ab. Ende Januar
soll sie wieder in Betrieb gehen. Den Rest des Jahres wird sie dann
höchtens mit halber Kapazität laufen. Ein teilweises "Redesign" sei
notwendig, gab "Statoil" bekannt. Ein sattes Verlustgeschäft für das
"Snøhvit"-Konsortium, das die eingegangenen Lieferverträge nicht erfüllen
kann und sich stattdessen auf dem Weltmarkt mit viel Geld Gas besorgen
muss. "Auch wenn wir nur ein kleiner Teilhaber sind, ist das keine
Traumsituation" gestand Hugo Sandal, Direktor der RWE-Tochter "RWE-DEA
Norge" gegenüber der Zeitung Stavanger Aftenblad.
Vor allem aber ist "Snøhvit" ein Umweltproblem. Die bislang abgefackelten
550 Millionen Kubikmeter Gas setzten nicht nur Kohlendioxid, sondern auch
Stickoxide und Tausende Tonnen eines von den Umweltbehörden als
krebserregend eingestuften Rußes frei. Der Ruß hat in dieser Region laut
Kristin Rypdal vom Osloer Zentrum für Klimaforschung (CICERO) einen
dramatischen Einfluss auf die Eisschmelze in der Arktis: "Nach dem Global
Warming Potential, der GWP-Berechnungsmethode, die auch dem Kioto-Protokoll
zugrunde liegt, entsprechen 2.200 Tonnen von diesem Russ 3,5 Millionen
Tonnen CO2."
Von "Wahnwitz" und einem "Projekt, das völllig außer Kontrolle ist",
spricht Lars Haltbrekken vom norwegischen Naturschutzverband "Norges
Naturvernforbund". Doch solange die Anlage nicht regulär produziert, ist
Abfackeln des Überschussgases laut Statoil die einzige technische
Möglichkeit. Da man frühestens "im Laufe des Jahres 2009" mit einer Lösung
der Probleme rechnet, könnten bis dahin zusätzlich weitere mehrere
Millionen Tonnen Kohlendioxid freigesetzt werden.
Für Guro Hauge von der Umweltschutzorganisation "Bellona" ein "Skandal":
Solange die Anlage nicht ordnungsgemäß funktioniert sollte sie überhaupt
keine Betriebserlaubnis erhalten. Das Überschuss-Gas einfach sinnlos
abzubrennen, sei keine Lösung, meint nun auch der norwegische
Umweltminister Erik Solheim: "Wie soll ich da noch appellieren, weniger
Auto zu fahren oder Strom zu sparen?"
24 Jan 2008
## AUTOREN
Reinhard Wolff
Reinhard Wolff
## TAGS
Norwegen
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