# taz.de -- Prozess um Hallen-Einsturz: Bad Reichenhall will nicht schuld sein | |
> Im Prozess um den Einsturz der Eissporthalle vor zwei Jahren geben die | |
> Verteidiger der Stadt Mitschuld. Die habe sich jedoch mit einem | |
> "Alibi-Gutachten" aus der Affäre gezogen. | |
Bild: 15 Menschen starben in den Trümmern der Eissporthalle. | |
MÜNCHEN taz Tagelang hatte es geschneit, es war der Chaos-Winter, vor genau | |
zwei Jahren. Am 2. Januar 2006 waren die Balken der städtischen Eishalle | |
Bad Reichenhall schließlich so durchnässt und belastet, dass das Dach | |
plötzlich innerhalb von Sekunden zusammenbrach. 15 Tote und 34 zum Teil | |
schwer verletzte Menschen, das war die traurige Bilanz nach vier Tagen | |
Sucharbeiten. Seit gestern stehen nun drei Baufachleute vor Gericht, die | |
Staatsanwaltschaft wirft ihnen fahrlässige Tötung und Körperverletzung vor. | |
Das Verfahren gegen einen vierten Angeklagten musste abgetrennt werden, da | |
dieser erkrankt ist. Ein ursprünglich angeklagter fünfter Baufachmann ist | |
Ende Dezember verstorben. | |
Zum Prozessauftakt kritisierten zwei Verteidiger und mehrere Nebenkläger, | |
dass kein Vertreter der Gemeinde auf der Anklagebank sitze, obwohl diese | |
ihre Kontrollpflichten vernachlässigt habe. Es stelle sich die Frage, ob | |
die Angeklagten zu Bauernopfern gemacht würden und die Stadt mit einem | |
"Alibi-Gutachten" entschuldigt werde, erklärte Nebenklage-Anwalt Daniel | |
Amelung. Tatsächlich hatte in den Tagen nach dem Unglück der bayerische | |
Baustaatssekretär Georg Schmid - heute CSU-Landtagsfraktionschef - der taz | |
erklärt, dass die Stadt Reichenhall "Eigentümerin" der Halle gewesen sei - | |
und als Bauaufsichtsbehörde zugleich Kontrollinstanz in Sachen Statik und | |
Bausicherheit. "Wenn es einen Bau-TÜV gäbe, wäre das in dem Fall auch die | |
Stadt Reichenhall gewesen. Es ist klar, dass die Stadt in dem Fall die | |
doppelte Verantwortung hat", sagte Schmid damals der taz. | |
Für die Planung, Herstellung und Montage des Dachs war der angeklagte | |
Bauingenieur Walter G. verantwortlich. Der heute 67-Jährige gab zu, eine | |
Berechnung der auf dem Dach lastenden Spannung versäumt zu haben. Außerdem | |
habe er beim Bau Anfang der 70er-Jahre andere Träger für den Bau des Dachs | |
gewählt als erlaubt. Er habe geglaubt, dass die Hersteller ihn gewarnt | |
hätten, wenn die Verwendung für das Dach nicht erlaubt gewesen wäre. "Ich | |
habe mich darauf verlassen, dass ich das machen kann - sonst hätte ich das | |
nicht getan", sagte G. "Vielleicht war ich zu fahrlässig, das räume ich | |
ein." Laut Anklage wäre das Gebäude ohne die Fehler von G. nicht | |
eingestürzt. | |
Mit auf der Anklagebank sitzt der 54 Jahre alte Bauingenieur S., der den | |
Zustand der Halle noch 2003 in einem 3.000 Euro teuren Gutachten für die | |
Stadt als "gut" bezeichnet hatte. S. ließ den Vorwurf der Anklage | |
zurückweisen, er habe die Halle nicht vereinbarungsgemäß überprüft. Sein | |
Verteidiger sagte, die Stadt nutze das Papier nun als "strafrechtlichen | |
Ablassbrief", sein Mandant stehe stellvertretend für die Gemeinde vor | |
Gericht. Dabei hätte diese sich nie um die Eishalle gekümmert, nur in einem | |
Fall hätte sie auf Mängelhinweise reagiert. | |
Die zivilrechtliche Seite des Falles ist bereits abgeschlossen. Ende 2006 | |
einigten sich die Hinterbliebenen und Verletzten außergerichtlich mit der | |
Versicherungskammer Bayern auf eine finanzielle Entschädigung. Das Urteil | |
des Landgerichts Traunstein soll voraussichtlich am 24. April verkündet | |
werden. | |
28 Jan 2008 | |
## AUTOREN | |
Max Hägler | |
## TAGS | |
Bauen | |
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