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# taz.de -- Schule nach Nazi-Raketen-Erfinder benannt: Waffenschmied als Vorbild
> Eine sächsische Schule benennt sich nach einem Entwickler der Nazi-Rakete
> V2. Kaum jemanden stört es, dass der hochrangige Forscher für tausende
> Tote mitverantwortlich war.
Bild: Bilder vom Start einer V2-Rakete im Museum.
BERLIN taz Bernstadt auf dem Eigen ist eine kleine Stadt mit wenigen
Helden. Der eine hat an der ersten Diesellokomotive mitgebaut. Nach ihm
benannten sie eine Straße. Der andere hat die ersten Raketen zum Fliegen
gebracht. Nach ihm benannten sie eine Lehranstalt.
Eine Woche feierte die Mittelschule des sächsischen Städtchens ihren neuen
Namenspatron: "Klaus Riedel" steht jetzt auf dem Plexiglasschild neben der
Pforte des Plattenbaus - pünktlich zum Hundertsten des Raketenforschers.
Dass Riedel auch der Naziwaffe V2 zum Fliegen verhalf, sollte dabei nicht
stören. Auch nicht, dass je nach Schätzung 10.000 bis 20.000 Zwangsarbeiter
bei der Produktion der Raketen starben und tausende durch die Einschläge in
England, Holland, Belgien umkamen. "Riedel war ein Pionier", sagt
Bürgermeister Gunter Lange, "und hier in Bernstadt hat er die ersten
Versuche mit Flüssigtreibstoff gemacht." Kritik am neuen Namen der Schule
weist er zurück. "Sein Charakter, seine Zielstrebigkeit und sein Wirken
qualifizieren Riedel dazu, der Schule als Vorbild zu dienen."
Das sehen nicht alle Bernstädter so: Als Astrid Günther-Schmidt von dem
neuen Schulnamen hörte, war sie entsetzt. Vor allem wie unbedarft Riedels
Lebenswerk auf der Internetseite der Schule präsentiert wurde, störte die
Grüne, die als Abgeordnete im sächsischen Landtag sitzt. "Adolf Hitler
hatte Gefallen an der Rakete gefunden und ließ sie in Massenproduktion
anfertigen", hieß es auf der Website, "Dr. Goebbels taufte sie in V2 um!"
Von den Opfern und Folgen der Entwicklung kein Wort, auch nicht von den
Bedingungen, unter denen die Raketen gebaut wurden. "Es wird triumphiert,
dass sich mit der Raketenforschung der Himmel für die Menschheit geöffnet
habe", sagt Günther-Schmidt, " dass sich für die KZ-Häftlinge und
Zwangsarbeiter dabei die Hölle öffnete, wird verschwiegen." Die Schule
müsse nach außen sichtbar dokumentieren, dass sie weiß, was sie sich für
einen schwierigen Namenspatron gesucht hat, fordert Günther-Schmidt.
So sah es auch das sächsische Kultusministerium, das von der Abgeordneten
auf die Website hingewiesen wurde. Nach einer Beratung der Schule durch die
Regionalvertretung des Ministeriums wurde die Website geringfügig geändert.
"Wir haben den unglücklichen Lebenslauf angesprochen", sagt
Ministeriumssprecher Andreas Kunze. "Aber zu dem Namen können wir
prinzipiell nichts sagen." Dafür sei der Landkreis zuständig. Und der
identifiziere sich nun mal stark mit Klaus Riedel.
Deshalb wollen die Verantwortlichen in Bernstadt dem Raketenbauer auf jeden
Fall die Treue halten. "Wir stehen hinter dem Namen", sagt Bürgermeister
Lange. Es sei Riedel immer nur um den Flug zum Mond gegangen. "Es gibt da
nicht allzu viele dunkle Seiten." Der Mann sei gar von den Nazis verhaftet
worden.
Eine eigenwillige Interpretation von Riedels Lebenslauf. Zwar wurde der
Wunderwaffenbastler tatsächlich verhaftet, aber das sei kein Beweis für
eine weiße Weste, sagt der Technikforscher Johannes Weyer. Riedel sei in
"eine Intrige der SS" geraten, dunkle Seiten gebe es an dem V2-Forscher
zuhauf. Weyer, der an der Technischen Universität Dortmund forscht, hat
sich intensiv mit den Raketenbauern aus der Zeit des Nationalsozialismus
beschäftigt. "Klaus Riedel hat zum innersten Führungszirkel in Peenemünde
gehört", sagt er. In der dortigen Heeresversuchanstalt wurde die V2
entwickelt. "Er wusste, unter welchen Umständen die Raketen gebaut wurden,
und ihm war völlig klar, dass es sich nicht um Weltraumraketen handelte."
Eine Schule nach Riedel zu benennen hält Weyer demnach für
"unverantwortlich". "Hätte er nach 1945 noch gelebt, hätte man ihn vor ein
Kriegsgericht stellen müssen", sagt der Wissenschaftler.
Die grüne Abgeordnete Günther-Schmidt macht sich derweil andere Sorgen.
Wenn die Schüler die Nazizeit unreflektiert mit technischen Entwicklungen
verknüpften, würden sie empfänglich für die Parolen der Rechten, befürchet
sie. "Und wenn die NPD mitbekommt, was in Bernstadt für ein tolles Denkmal
steht, wird die Stadt für die zum Kranzabwurfplatz." Das habe dann bestimmt
keiner gewollt.
4 Feb 2008
## AUTOREN
Lars Gaede
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