# taz.de -- Pro & Contra: Ist Sarkozy noch lustig? | |
> Der französische Präsident wurde mit seiner Bruni-Liaison in Kürze zur | |
> weltweiten Ikone. Ist das Pop? Politik? Beides? Und vor allem: Darf man | |
> sich davon noch unterhalten lassen? Zwei Ansichten. | |
Bild: Der Ehering. | |
## QUI!, sagt Arno Frank | |
Mag sein, dass es für die Franzosen kein allzu großer Spaß ist: dabei | |
zusehen zu müssen, wie ihr Präsident, schier besoffen von der eigenen | |
Wichtigkeit, sich derzeit zum virilen Überstenz stilisiert. Allein | |
vermittels seiner Krawatten-, Urlaubs-, Uhren- und Frauenwahl hat er es | |
schließlich binnen weniger Monate zu weltweiter Popularität und auf die | |
buntesten Seiten der buntesten Länder gebracht. Nicht nur in den Dschungeln | |
des südlichen Indien wird man bestens über Sarkozy und seine | |
Weibergeschichten informiert, sondern auch im bürgerkriegsgeplagten Kenia, | |
wo die Menschen doch eigentlich ganz andere Probleme haben sollten. | |
Probleme haben sie übrigens auch in Frankreich: Probleme bei der | |
Integration von Einwanderern; Probleme mit dem Wirtschaftswachstum, das mit | |
gerade mal zwei Prozent am unteren Ende amtlicher Prognosen dümpelt; | |
Probleme mit dem Außenhandel und seinem Defizit von knapp 30 Milliarden | |
Euro; Probleme mit der allzu schlaffen Kaufkraft der Konsumenten; Probleme | |
vor allem mit der Jugendarbeitslosigkeit, die bei satten 21 Prozent liegt. | |
Alles Probleme, die Sarkozy in Angriff zu nehmen versprochen hat. | |
Stattdessen scheint Sarkozy, wenn er nicht gerade französische Atomtechnik | |
an ehemalige Schurkenstaaten verhökert, vor allem mit der | |
öffentlichkeitswirksamen weil glamourösen Möblierung seines Privatlebens | |
beschäftigt. | |
Als Franzose dürfte man jenseits aller Stilfragen durchaus argwöhnen, dass | |
hier die lustvolle Inszenierung des Privaten die reale Politik überdeckt, | |
wenn nicht sogar verdrängt - und sich fragen, was der Mann im Windschatten | |
seiner Prominenz denn nun eigentlich anpackt, so als Präsident der | |
Republik. | |
Wenn man allerdings aus Deutschland so hinüberschaut über den Rhein nach | |
Frankreich, dann stellen sich diese Fragen nicht, dann stellen sich, je | |
nach Gemüt, nur diffuse Gefühle wie Erheiterung, Amüsement, Befremden - und | |
auch ein gewisser Neid ein. Die üblichen stereotypen Affekte also, mit | |
denen die Deutschen den Franzosen von Alters her zu begegnen pflegen. Zumal | |
es, ebenso wenig wie zur französischen Force de frappe und dem | |
ungebrochenen gallischen Nationalstolz, hierzulande nicht einmal den Hauch | |
einer Entsprechung des Theaters gibt, das sich derzeit in Paris abspielt. | |
Frankreich hat einen Präsidenten mit ausufernder Patchworkfamilie und | |
offenbar vitalem Liebesleben, der auf geradezu schmerzhafte Weise mit der | |
landesüblichen Dezenz bricht und auf sittliche Traditionen pfeift. Wir | |
haben einen Christian Wulff. | |
Frankreich hat einen Präsidenten, der sich für 34.000 Euro schminken und zu | |
einem ähnlichen Preis eine Armbanduhr von Patek Philippe (nicht von Rolex, | |
parbleu!) schenken lässt. Wir hatten einen Kanzler, bei dem auch keine | |
Schminke mehr geholfen hätte, bei dem es gerade mal für einen protzigen | |
Mantel von Brioni gereicht hat. | |
Frankreich hat einen Präsidenten, der sich mit seiner Upperclass-, Model- | |
und Popstar-Freundin vor dem Hintergrund der Pyramiden ablichten lässt. Wir | |
haben eine Angela Merkel, die, wenns hochkommt, mit Rucksack und | |
Allwetterjacke durch alpine Loipen ächzt, gefolgt von ihrem angeblich | |
nobelpreisverdächtigen Professoren-Gatten - und ansonsten jetzt schon, | |
abgesehen von ihrer eigenen Wiederwahl vielleicht, keine aufregenden Ziele | |
zu verfolgen scheint, nicht einmal privat. | |
Frankreich hat nun also ein Ehepaar im Élysée, bei dem Iris Radisch von der | |
Zeit "unser hohes Ideal einer großen Liebe auf Augenhöhe" vermisst, warum | |
auch immer. Unterdessen beckmessert die FAS, die Ehe von Sarko und Bruni | |
würde enden wie die von Paul McCartney und Heather Mills. Aber die | |
Scheidung von McCartney, die Musik von Bruni - hatte das nicht beides | |
höchsten Unterhaltungswert? | |
## NON!, sagt Dorothea Hahn | |
Wenn Einschaltquoten über die Qualität einer Schau entscheiden - dann ist | |
die Sarko-Schau perfekt. Der französische Präsident schafft es seit acht | |
Monaten, in den Schlagzeilen zu bleiben. Mal mit privaten Auftritten, mal | |
mit politischen. Und meist mit beiden. Sein Bild, sein Name und seine | |
Botschaft sind permanent präsent. Die Botschaft lautet: Ihr Präsident ist | |
immer für Sie da. Er ist kompetent in jeder Frage. Er kämpft für Sie. Und | |
er ruht nie. | |
Damit bestätigt Sarkozy einen Allmachtsmythos, von dem auch seine | |
Amtsvorgänger profitiert haben. Bloß mussten Jacques Chirac und vor ihm | |
François Mitterrand weniger rennen, weniger oft auftreten und weniger | |
Skandale veranstalten, um präsidential zu erscheinen. Sie waren qua Amt | |
eine Institution. Sarkozy ist es qua Agitation. Das hat auch | |
Generationengründe. Chirac und Mitterrand waren längst erwachsen, als | |
Sarkozy zur Welt kam und als die V. Republik vor dem Hintergrund des | |
Algerienkrieges gegründet wurde. | |
Beide hatten einen zeremoniellen Stil und eine Zurückhaltung, inklusive | |
Heimlichtuerei im Privaten, die einer anderen Zeit angehören. Jenen, die | |
wie Sarkozy erst nach 68 erwachsen wurden, ist das fremd geworden. | |
Der erste Nach-68er Präsident Frankreichs ist der erste, der sein | |
Privatleben als Teil seiner politischen Funktionen organisiert. Der erste, | |
der seine Virilität öffentlich inszeniert. Und der erste, der seine | |
Kungelei mit den Reichsten des Landes ohne Komplexe zeigt. Zugleich baut er | |
das Amt täglich weiter aus. Und entmachtet die anderen Gewalten in der | |
Republik. Er ist der erste Präsident, der seine MinisterInnen mit | |
Hausaufgabenlisten entmündigt. Der erste, der wichtige Fachdossiers der | |
MinisterInnen an sich reißt, um sie persönlich zu erledigen: in Paris, | |
Tripolis, NDjamena oder Brüssel. | |
Damit verbindet Nicolas Sarkozy traditionelle französische Machtfülle mit | |
dem Lebensgefühl der Nach-68er und dem People-Stil aus den USA und aus dem | |
Deutschland der Schröder-Ära. Wie seine ausländischen KollegInnen bedient | |
sich Sarkozy dabei meisterhaft der Medien. Anders als der Italiener | |
Berlusconi, der selbst Medienmagnat ist, folgt Sarkozy dabei einem aus | |
Deutschland bekannten Lehrsatz. Er lautete: "Zum Regieren brauche ich Bild, | |
BamS und Glotze." Sarkozy bedient sich auch der andernorts bekannten | |
taktischen Umgangsformen mit JournalistInnen: Manche duzt er. Andere macht | |
er öffentlich lächerlich. Wieder anderen droht er mit Klagen. Dahinter | |
steckt viel mehr als die Generation und der persönliche Stil. Sarkozy hat | |
in Frankreich dieselbe historische Aufgabe wie einst Schröder in | |
Deutschland. Sarkozy will das soziale Sicherungssystem, das Arbeitsrecht | |
und ein Steuersystem, das ein Stück sozialer Umverteilung bringt, | |
aushöhlen. Bei diesen Aufgaben wird er von sämtlichen EU-Regierungen | |
unterstützt - zuvorderst von Bundeskanzlerin Merkel. Sie alle finden, dass | |
Frankreich unbedingt und dringend den anderen EU-Ländern angepasst werden | |
muss. Und Sarkozy gilt ihnen - vermutlich zu Recht - als der einzige | |
französische Politiker, der es schaffen könnte, die verbliebenen | |
Widerstände zu brechen. Selbst wenn die Meinungsumfragen dabei | |
vorübergehend in den Keller sacken. | |
Während Sarkozy sich trennt, turtelt, sich verliebt und wieder verheiratet. | |
Während er sich im Urlaub von Milliardären aushalten lässt, während er | |
joggt und während er Verbalattacken gegen die Europäische Zentralbank | |
reitet, steigt Nebel auf. Die Medien berichten über seine Schau. Aber | |
dahinter geht die Politik umso ungestörter weiter. Der Sozialkahlschlag | |
unter dem hyperaktiven Präsidenten Sarkozy schreitet rasant voran. Das zu | |
gewährleisten, ist die eigentliche Aufgabe der Sarko-Schau. | |
5 Feb 2008 | |
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