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# taz.de -- Kinderarbeit: Niedliche Motive?
> Als Fotomodelle für Touristen verdienen Kinder in den peruanischen Anden
> oft genauso viel wie Büroangestellte - und werden zu Haupternährern der
> Familie
Bild: 30 Cent für ein Foto
Peru ist aufgeblüht. Attraktionen gibt es viele, von Oasen in der Sandwüste
bei Ica über die Inka-Stätten um Cusco, die Bergwelt der Anden bis hin zum
Dschungel. Der Tourismus wächst und treibt zuweilen seltsame Blüten. Leise
sind die Kinderstimmen am Wegesrand zu hören. "Foto, Foto?", flüstern die
Kleinen.
Der Colca-Canyon liegt rund drei Fahrstunden von Arequipa entfernt. Die
Fahrt von Perus zweitgrößter Stadt führt auf einer Schotterpiste über einen
4.910 Meter hohen Pass. Am oberen Rand des Canyon angekommen, treffen
Touristen auf erstaunlich viele kleine Mädchen in bunter traditioneller
Kleidung. Ihr schwarzes Haar ist zu zwei langen Zöpfen geflochten. Oft
schleppen sie in den markanten bunt gewebten Tüchern auf ihrem Rücken Waren
oder kleinere Geschwister mit sich. Manche tragen auch kleine Lämmer auf
ihren Armen. Offensichtlich wird dadurch das Begehren der Touristen erhöht,
die Kleinen auf einem Bild für zu Hause einzufangen. Die Kinder posieren
für die Touristen als Fotomodelle - eine neue Form der Kinderarbeit. "Ich
finde es okay für die Fotos zu zahlen", sagt Oliver aus Berlin. "Warum
sollen die Leute hier nicht ihr Geld dafür bekommen?" Bereitwillig greift
er in seine Tasche und schießt anschließend das Foto für sein Urlaubsalbum.
"Un Sol" ist der Preis für das Kinderfoto. Knapp 30 Cent. "Ob es Erwachsene
oder Kinder sind, die für die Fotos Geld verlangen, ist entscheidend", sagt
Nicole Häusler, Ethnologin beim Gemeinsamen Arbeitskreis Tourismus und
Ethnologie (Gate) in Berlin. Einer alten Frau zum Beispiel gäbe sie einen
Dollar für ihr Foto. "Aber, ich fotografiere keine Kinder, wenn sie Geld
dafür haben wollen, auch wenn sie noch so süß lächeln." Im Sinne des
nachhaltigen Tourismus findet Häusler es nicht in Ordnung, Kindern Geld zu
geben, weil diese erstens damit teilweise mehr einnehmen als ihre Eltern
und so zu den Haupternährern der Familie werden. Das stört das soziale
Gefüge. Und zweitens würden die Kinder so oft nicht in die Schule gehen,
was ihnen natürlich jegliche Zukunftschance verbaut.
Während der Tourismussaison verdienen die Drei- bis Zehnjährigen so viel
wie eine Büroangestellte in der Gegend, rund 200 Soles (zirka 50 Euro) in
Monat. Trotzdem seien sie normalerweise vormittags in der Schule, behauptet
eines der Mädchen. In Peru besteht für alle Kinder Schulpflicht, und der
Schulbesuch ist kostenlos. Trotzdem geht ein Viertel der Kinder im Land
nicht in die Schule.
Um dagegen zu halten, sei es wichtig, dass die lokale Bevölkerung eine
gewisse Kontrolle über das habe, was im Tourismus passiert, betont Wolfgang
Strasdas, Professor im Fachbereich Nachhaltiger Tourismus in Eberswalde.
Für die Bauernfamilien im Colca-Canyon ist der Verkauf von Handarbeiten die
Haupteinnahmequelle. Gewebte Tücher aus Alpaka, Bänder mit traditionellen
Mustern oder Täschchen mit touristischen Motiven bestickt sind im Angebot.
Dies sollte so weit ausgebaut werden, dass die Arbeit der Kinder nicht mehr
notwendig ist.
Die meisten Peruaner haben keinen festen Arbeitsplatz. Sie arbeiten dort,
wo gerade etwas Geld zu verdienen ist. Häufig haben sie mehrere und
wechselnde Jobs. Arbeitslosigkeit hingegen kann sich kaum einer leisten.
Arbeitslosengeld bekommen nur diejenigen, die vorher eine feste
Arbeitsstelle hatten und deren Arbeitgeber Zahlungen auf ein Sonderkonto
geleistet haben, wie es gesetzlich geregelt ist. Aber juristisch geregelt
ist vieles, so verbietet die peruanische Gesetzgebung auch die
Kinderarbeit. Dennoch kann der Staat sie nicht verhindern. Kinder arbeiten
in der Landwirtschaft genauso wie als Schuhputzer. Letzterer, "lustrabota"
genannt, gilt als regelrechter Kinderberuf, überwiegend von Jungen
ausgeführt.
Die kleinen Mädchen erwirtschaften eher als Fotomodelle Geld. Heute habe
sie schulfrei, erklärt Catalina, eines der Fotomädchen. Daher ist sie schon
vor Sonnenaufgang aufgebrochen. Der Weg zur Touristenroute ging eineinhalb
Stunden steil bergauf. Jetzt sitzt die Achtjährige neben ihrer Freundin und
blickt auf Anforderung grinsend in die Kameras. Sie präsentiert
traditionelle Maissorten, um den Fotowert zu erhöhen, und versucht,
nebenbei noch ein paar selbst gewebte dünne Armbänder zu verkaufen. Ihre
Tage sind lang und anstrengend. "Wenn ich hier fertig bin, helfe ich noch
auf dem Feld oder hole die Alpakas und Ziegen von den Weiden", sagt das
zierliche Mädchen. Eines Tages möchte sie Englisch lernen. Das ist nötig,
um im Tourismus weiterzukommen: zum Beispiel Touren führen und über die
Sehenswürdigkeiten informieren. Tourismus könnte Catalinas einzige Zukunft
sein.
6 Feb 2008
## AUTOREN
Meike Kloiber
## TAGS
Reiseland Peru
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