# taz.de -- Strafvollzug: "Ein Gefängnis mit Würde und Anstand" | |
> Sein Gefängnisbau im steirischen Leoben steht für humanen Strafvollzug. | |
> Jetzt baut der Österreicher Josef Hohensinn für Berlin einen Männerknast | |
Bild: Der Architekt Josef Hohensinn | |
taz: Herr Hohensinn, stellen Sie sich vor, Sie müssten ins Gefängnis. Wie | |
würden Sie am liebsten untergebracht werden? | |
Josef Hohensinn: Für mich wäre das Wichtigste, dass meine Würde als Mensch | |
erhalten bleibt. | |
Die Berliner Justizvollzugsanstalt Heidering ist der zweite Knast, den Sie | |
in ihrem Leben bauen. Was reizt Sie so an dieser Art von Gebäuden? | |
Reizen ist der falsche Begriff. Im Vordergrund meiner Arbeit als Architekt | |
steht die soziale Komponente. Im Mittelpunkt befindet sich immer der Mensch | |
als Nutzer. Das ist bei einem Gefängnis nicht anders als bei einem | |
Wohnhaus. Auf dem Gebiet des Gefängnisbaus hat es in den letzten 150 Jahren | |
nicht so viele Weiterentwicklungen gegeben. | |
Die über 100 Jahre alten Berliner Haftanstalten Tegel und Moabit sind dafür | |
ein gutes Beispiel. Wie wirkt sich das auf die Insassen aus? | |
Ich kenne solche Haftanstalten aus Österreich. Die Häftinge werden durch | |
die Architektur eingeschüchtert und entmündigt. Ex-Häftlinge haben mir | |
berichtet, dass sie nach ihrer Entlassung Monate brauchten, um ins normale | |
Leben zurückzufinden. Einer blieb bei jeder Tür stehen, die Hände auf dem | |
Rücken, und wartete, dass man ihm aufsperre. Meine Vorstellung von Knast | |
ist ein Mikrokosmos, in dem es trotz des Freiheitsentzugs möglich ist, ein | |
annähernd normales Leben zu führen. | |
Wie soll das gehen, wenn man eingesperrt ist? | |
Die Außenmauern und Sicherheitsvorkehrungen lassen sich bei einem Gefängnis | |
nicht wegdiskutieren. Der Gefangene bleibt ein Gefangener. Aber innerhalb | |
der Anlage kann man durch bauliche Qualitäten bewirken, dass der Mensch den | |
Freiheitsentzug mit Würde und Anstand ertragen kann. Wie das geht, haben | |
meine Mitarbeiter und ich beim Bau des Justizzentrums in Leoben gezeigt. | |
Die Grundidee für die neue Berliner Gefängnis ist die gleiche, nur das es | |
mit fast 650 Plätzen deutlich größer wird. | |
Die Strafanstalt Leoben in der Steiermark wurde 2004 eröffnet. Sie gilt als | |
Prototyp des humanen Strafvollzugs. Was ist in Leoben anders als in anderen | |
Gefängnissen? | |
Wir haben versucht, einen Grundriss der Wohngruppen aus städtebaulicher | |
Sicht zu entwickeln. Die Zellen sind sozusagen die Wohnungen, die Flure | |
sind die ruhigen Wohngassen, es gibt Plätze wie die Gruppenküche und | |
Gemeinschaftssräume, die als Treffpunkte fungieren. Darüber hinaus haben | |
wir in jeder Wohngruppe eine Loggia eingerichtet. Das ist eine wichtige | |
kleine Neuerung, für die wir uns sehr eingesetzt haben. | |
Was für eine Funktion erfüllt die Loggia? | |
Das ist ein balkonähnlicher Freiluftraum im Bereich der Gemeinschaftsküche. | |
Der Häftling kann ins Freie treten und frische Luft schnappen. Er kann das | |
selbstkontrolliert tun, nicht nur in der Zeit, in der ihm ein Hofgang | |
zugewiesen wird. | |
Wie sehen die Zellen aus? | |
Das sind 10 Quadratmeter große Räume, die mit integrierter Teeküche und | |
einem abgetrennten Sanitärbereich eine komplette Wohnsituation darstellen. | |
Die Möbel - Bett, Schrank, Regal, Tisch, Sessel - sind aus einfachem hellem | |
Birkensperrholz und mit einem Schienensystem an den Wänden befestigt. Um | |
die Zelle luftiger erscheinen zu lassen, haben wir bis zum Boden verglaste | |
Fenster eingebaut. Licht und Luft sind ein wichtiger Punkt. Das sind | |
Kleinigkeiten, die aber sehr zur Entspannung beitragen. | |
Die französischen Fenster und die Loggia haben Sie auch für das Gefängnis | |
Heidering vorgesehen? | |
Selbstverständlich. | |
Soetwas hat es noch in keinem deutschen Knast gegeben. Rechnen Sie mit | |
Widerständen? | |
In der Bearbeitung wird sicher noch das eine oder andere diskutiert werden. | |
Aber ich bin optimistisch. | |
Gibt es schon Erfahrungswerte aus Leoben? | |
Die soziologische Studie ist noch in Bearbeitung. Ein wichtiger Nebeneffekt | |
ist, dass sich die Krankenstände deutlich reduziert haben - sowohl beim | |
Personal als auch bei den Insassen. Die räumlichen Gegebenheiten haben also | |
eine Auswirkung auf die Gesundheit. Dass die Beamten in einem Gefängnis | |
eigentlich lebenslänglich haben, wird gern vergessen. Darum ist es ungemein | |
wichtig, auch für das Personal eine menschenwürdige Umgebung zu schaffen. | |
In Leoben waren die Mitarbeiter in den Planungsprozess eingebunden und | |
haben sehr positive Anregungen gegeben. | |
In Loeben findet die Überwachung hauptsächlich über Monitor statt. Wie geht | |
das mit Ihrem Anspruch auf Wahrung der Menschenwürde zusammen? | |
Videoüberwachung gehört heutzutage überall zum Standard. Wenn es in der | |
freien Welt in jedem Einkaufszentrum und an jedem Verkehrsknotenpunkten | |
Videoüberwachung gibt, bleibt das Gefängnis nicht ausgespart. Ich kann | |
Ihnen nicht sagen, wie im Detail das siccherheitstechnische Konzept in | |
Heidering aussehen wird. Aber in Leoben ist der Privatbereich der Insassen | |
tabu. Kameras gibt es nur im allgemein zugänglichen Bereich. | |
Es ist denkbar, dass in Berlin Stimmen laut werden, die von einem | |
Hotelvollzug sprechen. | |
Das hat die Klatschpresse in Österrreich auch versucht. Aber das ist | |
schnell im Sande verlaufen. Das Konzept lässt sich nicht für solche | |
Behauptungen ausschlachten, es sei denn man verdreht die Tatsachen. | |
Im Männergefängnis Tegel gibt es eine ausgeprägte Drogenkultur. Wird so | |
etwas im neuen Gefängnis noch möglich sein? | |
Die bauliche Situation hat nichts mit der Subkultur zu tun. Das einzige, | |
was sich vielleicht ändert, ist dass die Insassen entspannter sind und | |
Drogen deshalb nicht mehr so notwendig sind. | |
Von dem langjährigen katholischen Seesorger in Tegel, Pater Vincens stammt | |
der Vorschlag, ein Knastschwimmbad zu bauen. Damit könne man sich die | |
Kosten für die Therapie sparen. Warum kein Schwimmbad in Heidering? | |
Berlin hat in der Ausschreibung kein Schwimmbad vorgesehen. Mein Büro | |
arbeitet gerade an einem Wettbewerb für eine Jugendstrafanstalt, in der | |
auch ein Schwimmbad gefordert ist. Kein Wellnessbad, ein richtiges | |
Sportbad. Die Bewegsmöglichkeiten sind in einem Gefängnis zum | |
Aggressionsabbau ungemein wichtig. | |
Berlin ist ziemlich klamm. Ist die Kostenkalkulation der Justizsenatorin | |
von 118 Millionen Euro realistisch? | |
Wir haben das nachgerechnet und finden, das ist exakt und gut vorbereitet. | |
Exakt wie auf dem Papier wird Ihr Entwurf bestimmt nicht umgesetzt. Wo | |
liegt für Sie die Grenze? | |
Wenn gefordert wird, das Projekt im Grundkonzept zu ändern und das meiner | |
Überzeugung entgegensteht. | |
12 Feb 2008 | |
## AUTOREN | |
Plutonia Plarre | |
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