# taz.de -- Regierungsbildung in Hessen: SPD soll Duldung durch Linke planen | |
> Die hessische SPD-Spitzenkandidatin Ypsilanti will sich angeblich mit | |
> Stimmen der Linkspartei zur Ministerpräsidentin wählen lassen - nach der | |
> Hamburg-Wahl. | |
Bild: Darf die das? Andrea Ypsilanti könnte Ministerpräsidentin werden. | |
Zum Stellenprofil eines Generalsekretärs einer politischen Partei zählt die | |
Bereitschaft zum grobholzschnittartigen Statement ebenso wie die dauernde | |
Schuldüberantwortung an den politischen Gegner. Der Mann bei der CDU heißt | |
Ronald Pofalla, und der sagte am Mittwoch zur Frage, wie es denn nun | |
politisch in Hessen weitergehe: "Jetzt überlegen sie offensichtlich doch, | |
die hessische SPD-Spitzenkandidatin mit Hilfe der Linken zur | |
Ministerpräsidentin wählen zu lassen." Das "sie" umfasst die genannte | |
Politikerin sowie ihren Parteichef Kurt Beck und bleibt dennoch eine | |
vernebelte Wendung, denn: Überlegungen gibt es tatsächlich in beiden großen | |
Parteien. | |
Aber keine wird vor Sonntag, 18 Uhr, wenn die Wahllokale in Hamburg | |
schließen, öffentlich im Sinne einer echten Bejahung oder Verneinung | |
ausgesprochen - "offensichtlich" ist das so, seit in Hessen die Wahllokale | |
schlossen und Roland Koch nicht sicher sein kann, wie es um ihn in Zukunft | |
bestellt ist. Wahr ist jedenfalls: Die CDU kann nichts tun, sie kann | |
allenfalls abwarten, ob die SPD eine Koalition mit ihr eingehen wird, die | |
Union kann, anders gesagt, nur einen wie den Pofalla Vages formulieren | |
lassen, was ein wenig terrierhaft klingt und doch nur brav bleibt. Denn, | |
wie gesagt, Hessens CDU hat keine selbstbestimmten Optionen, sie will an | |
der Macht bleiben, weiß aber nicht wie. | |
Wahr ist darüber hinaus: Alle "überlegen" alles - und in der SPD sagt | |
niemand außer Kurt Beck Offizielles. Aber es wird geredet, in Berlins | |
Parlamentsfluren, vor allem aber im Café Einstein, dem allgemeinen | |
Treffpunkt des politischen Betriebs Unter den Linden. So hörte man am | |
Mittwoch von sozialdemokratischen Mandatsträgern, während im Hintergrund | |
eine Frau die Szenerie betritt, welche wie Erika Steinbach aussieht, und an | |
einem anderen Tisch der Publizist Hugo Müller-Vogg mit einer Frau | |
parlierte, dass die Lage doch ganz einfach sei. Niemand von diesen möchte | |
namentlich erwähnt werden, aber sie sagten: Nichts sei so schlecht wie | |
Opposition, niemand höre einem zu; die Ypsilanti werde sich in Wiesbaden | |
als Kandidatin aufstellen lassen, dann werde man sehen, wer sie wählt. Ob | |
das nicht einer Koalitionsaussage zugunsten der Linken gleichkomme, | |
schließlich hat die doch gesagt, für die Sozialdemokratin zu votieren? | |
Nein, oh nein, erst mal müsse, schon der Glaubwürdigkeit wegen, Koch weg, | |
am besten nach Berlin, er sei ja kein ganz Schlechter, als Minister könne | |
er seine Talente gewiss gut entfalten. | |
Und die Linke? Nobilitiert man die nicht als Bewegung, schließlich hat die | |
SPD in Hessen nur ihre neobürgerlichen Kundschaften (Caffe-Latte-Fraktion | |
nebst Manufactummilieu) mobilisieren können, keine Hartz-IV-Empfänger? | |
Nein, die sollen die Kandidatin wählen, und ansonsten, so heißt es, müsse | |
die Linke die ersten Jahre ihrer parlamentarischen Existenz so leiden wie | |
einst die Grünen. Als einer dann Holger Börners "Dachlatten"-Verdikt | |
zitierte, lachte die Runde am Tisch und spülte nach mit Wasser (still, | |
stubenwarm) und Tee (Darjeeling First Flush, kandisgesüßt). | |
Auch die Grünen hätten erst fundamentalistisch entschlackt werden müssen, | |
ehe man mit Politikern wie Joschka Fischer echte Politik habe machen | |
können. Kulturwissenschaftler würden das wohl so bezeichnen: "Hilfe zum | |
Erwachsenwerden nach klassischer SPD-Art". Die Linke werde jetzt jedenfalls | |
ein paar Jahre gequält, dann ginge es. Und, so lobte eine, ehe sie ein | |
Eckchen ihrer Madeleine zu sich nahm, "das Ding mit dieser DKPistin in | |
Hannover haben die klasse schnell hingekriegt", ein anderer ergänzte, ganz | |
Sportsmann, "geht doch". Und Hamburg? Die Umfragen? "Ole von Beust wird | |
bluten. Der Minusbalken geht ganz tief nach unten", die Runde nickt, "da | |
machen wir große Koalition, anders geht es nicht, Schwarz-Grün reicht | |
nicht, Rot-Grün auch nicht", und Rot-Rot-Grün ist "sowieso Quatsch". Und | |
warum als kleinerer Partner der Union? Jetzt kam es zum Zirkelschluss: | |
"Weil Regierung besser als Opposition ist." | |
Und wieso unter der CDU an der Elbe? "Hamburg ist doch sowieso unsere | |
Stadt", sozialdemokratisch alle Direktmandate zum Bundestag, richtig, "und | |
die CDU ohne von Beust ist dann bei den nächsten Wählen wieder da, wo sie | |
früher war", nämlich bei irgendwie knapp 30 Prozent. | |
Und warum das alles nur so geheimnisvoll, im Nichtzitierfähigen? "Weil die | |
nächste Wahl erst im Herbst in Bayern ist", sozialdemokratisches | |
Entwicklungsland, wo kein beschädigter Ruf die Kernkundschaft der SPD noch | |
schreckt, "und dann ist die Ypsilanti Ministerpräsidentin, und die Linke | |
darf weiter links sein, in der Opposition." | |
21 Feb 2008 | |
## AUTOREN | |
Jan Feddersen | |
Jan Feddersen | |
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Bürgerschaftswahl 2019 | |
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