# taz.de -- Die Frankophobie der Literaturkritik: Wem gehört der SS-Mann? | |
> Wir lassen uns unsere Nazis doch nicht von einem Franzosen wegnehmen: Ein | |
> Überblick über die deutsche Rezeption von Jonathan Littells "Die | |
> Wohlgesinnten". | |
Bild: SS-Wachmannschaften im KZ Neuengamme | |
"Die deutsche Literaturkritik versagt vor Littells Roman", so überschrieb | |
die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung meine Kritik an deutschen | |
Reaktionen auf "Die Wohlgesinnten". Das ist zu differenzieren. Nicht alle | |
Rezensenten halten Littell für einen schlechten Schriftsteller, wie Iris | |
Radisch in der Zeit: ein "Idiot", der "nichts Neues" biete, uns aber mit | |
pornografischen Gymnasiastenfantasien verfolge. | |
"Die Wohlgesinnten" des 40-jährigen, französisch schreibenden Amerikaners | |
Jonathan Littell ist ein großartiges Buch, mag es auch zu den grausamsten | |
der Weltliteratur gehören. "Nicht für einen Augenblick beschleicht einen | |
der Gedanke, dass der Autor leichtfertig die Ästhetisierung des Grauens | |
betreibt", schreibt Andreas Isenschmidt in der Neuen Züricher Zeitung (22. | |
2.). Wolfgang Schneider, Deutschlandradio (24. 2.) in der bisher | |
ausführlichsten Besprechung überhaupt, findet es notwendig, sich "auf die | |
Gedankengänge der Überzeugungstäter" einzulassen; er resümiert: "Geschickt | |
operiert Littell auf einer Grenzlinie. Max Aue gehört einerseits zur | |
SS-Elite, ist uns andererseits aber nahe genug für die | |
Lektüre-Identifikation. Er ist umgeben von SS-Leuten, die bornierte | |
Unsympathen oder Fanatiker sind. Oft kommt es zu Streitigkeiten - und in | |
diesem Zusammenhang schlagen wir uns beim Lesen unweigerlich auf Aues | |
Seite." Das habe ich ebenso empfunden. | |
Die Behauptung vieler Rezensenten, keinen Augenblick würde man sich auf die | |
Seite Aues begeben, erscheint mir als Abwehr. Littells Kunst oder | |
Raffinesse besteht gerade darin, die Leser spüren zu lassen, dass ein Teil | |
von Aues "Rationalität" genau jener gleicht, die in der Sprache des | |
heutigen Öffentlichen, im Nachrichtenjournalismus etwa, vorherrscht. Man | |
wird verstrickt in Aues SS-Scheiße, wie man verstrickt ist in die Kälten | |
der Tagesschau(en). (Deswegen ist es - nebenbei bemerkt - gut, dass | |
verboten nicht Tagesschau heißen darf.) | |
Wissen dieses Buchs: Littell zeige, dass "die Judenvernichtung nur im | |
Zusammenhang mit den militärischen Operationen zu verstehen" ist, so | |
Schneider. Als bündigen Schlusspunkt unter die Legende von der "sauberen | |
Wehrmacht" lassen sich die ersten 300 Seiten von Littells Roman absolut | |
lesen. Die ersten 300 Seiten, die vielen Rezensenten "den Magen umgedreht | |
haben" und den Wunsch erzeugt, das Buch in die Ecke zu schleudern. Etliche | |
von denen, die dies nicht getan haben, kommen am Ende zu ganz anderen | |
Schlüssen. So Volker Weidermann in der FAS (16. 2.): "Ein Horrorbuch, | |
grauenhaft, kitschig, brutal, pervers und obszön ich hasste dieses Buch vom | |
ersten Satz an"; der am Schluss aber schreibt: "Es ist fast unglaublich, | |
dass nach all den Bildern, die man von diesen Schrecken sah, nach all den | |
Filmen, die man kennt, den Büchern, die man gelesen hat, dass nach alldem | |
immer noch eine tiefe Erschütterung und Verstörung möglich ist. J. Littell | |
ist es gelungen, dass einem die Vergangenheit die Zähne ins Fleisch | |
schlägt." Das tut es in der Tat, und es sind Giftzähne, die schmerzen. | |
Ähnlich Bettina Schulte, Badische Zeitung (23. 2.): "Dieser Roman ist ein | |
Monster. Eine unverschämte Zumutung"; um zu enden: "Man muss davon | |
ausgehen, dass es Littell - im Namen der Toten, denen der Roman gewidmet | |
ist - um Wahrheit zu tun ist. Ein großes Wort. Doch will man den | |
Wohlgesinnten gerecht werden, sollte man es ernst nehmen". Wechselbad der | |
Gefühle. "Es ist ein Geniestreich, und es ist der letzte Dreck" - der alte | |
Haudegen Klaus Harpprecht. (Ähnlich Britta Bode in der WamS): "Es zeugt, in | |
der Exaktheit der historischen Spurensuche, von einem immensen Fleiß und | |
von einem energischen Willen zur Wahrheit, und dennoch ist es | |
grundverlogen." Letzteres erklärt er nicht. Fügt aber an, dass Littell den | |
Jungen mehr vom Horror des Krieges und der Vernichtung beibringe, als es | |
"ganze Bibliotheken und das verknoppisierte Fernsehen" vermöchten. | |
Die Kommentare Claude Lanzmanns, Herausgeber der Les Temps Modernes und | |
Enkel jüdischer Immigranten aus Osteuropa, zu Littells Buch verlaufen auf | |
einer ähnlichen Linie. Mit jeder neueren Äußerung rückt Lanzmann weiter von | |
seiner anfänglichen Verwerfung ab. Jorge Semprun, Fürsprecher von Littels | |
Buch in der Jury zum Prix Goncourt, hatte leicht mokant angemerkt, Lanzmann | |
habe nicht das Copyright auf die Schoah. Eine Formulierung, deren | |
Berechtigung Lanzmanns indirekt bestätigt, wenn er sagt, "die beiden | |
einzigen Menschen, die dieses Buch von A bis Z verstehen können, sind Raul | |
Hilberg und ich" (FAZ, 28. 11. 06). Die beiden Einzigen, die die Schoah | |
wirklich kennen; die die Arbeit ermessen können, die Littell in "Die | |
Wohlgesinnten" gesteckt hat - und Hilberg ist nun tot, inzwischen. | |
Hin und her gerissen zeigen sich auch die meisten Beiträge im Reading Room, | |
den die FAZ im Internet aufgemacht hat; eine erstmalige, verdienstvolle | |
Einrichtung. Hubert Spiegel, Lorenz Jäger und Patrick Bahners formulierten | |
vom 4. bis 22. Februar jeweils eine "Frage des Tages" zu Littells Roman: | |
"Ein Holocaust-Roman unter vielen oder etwas ganz Neues? Wie historisch ist | |
Max Aue? War eine solche Figur im Dritten Reich möglich? Fakten und | |
Fiktionen - Ist der Roman der Geschichtsschreibung überlegen? Wie ist der | |
ungeheure Erfolg des Romans in Frankreich zu erklären? Warum wird der | |
Nationalsozialismus in der Kunst so oft sexualisiert?" usw., gestellt an | |
eine Runde von Experten, die in lockerem Wechsel auf gutem Niveau | |
antworteten; Leser konnten (und können: die Sache läuft noch) elektronisch | |
kommentieren. Unter den Experten die Historiker Ulrich Herbert, Jörg | |
Baberowski, Anselm Doering-Manteuffel, der Romanist Frank-Rutger Hausmann, | |
der Germanist Helmut Kiesel, Zeitzeuge und Publizist Klaus Harpprecht, der | |
Medientheoretiker Lutz Hachmeister und andere. Durch die Vielfalt der | |
Fragen ergaben sich wechselnde Perspektiven. | |
Außer U. Herbert, der Littells Buch entschieden verwarf (und sich dann | |
nicht mehr meldete), nutzten alle die Gelegenheit, die eigenen Standpunkte | |
zu variieren bzw. zu korrigieren. Man kann das anklicken und nachlesen im | |
Netz ([1][readingroom.faz.net/littell]). Aus der Diskussion, die nun seit | |
Herbst 2006 läuft, greife ich zwei Punkte heraus: das Verhältnis der | |
Rezensenten zu Frankreich und zur Frage "Wie gut oder schlecht sind 'Die | |
Wohlgesinnten' geschrieben" - "Ist das denn Literatur"? | |
Der Spiegel eröffnete früh mit Frankreich-Skepsis: "Das Land, das seit | |
vielen Jahren nur noch mittelmäßige Bücher hervorbringt, hat nach Michel | |
Houellebecq einen neuen internationalen Star- und Skandalautor" (Nr. 46, | |
2006). Zunächst Lob: "Aus dem Gedächtnis des SS-Manns Aue sprudeln wie in | |
einem gewaltigen Strom alle Fakten, die sich sein Schöpfer Littell | |
jahrelang in Hunderten von Büchern angelesen hat - über das | |
Reichssicherheitshauptamt, über die Einsatzgruppen im Osten, über den | |
Betrieb der Konzentrationslager, über die Obessionen des Reichsführers | |
Heinrich Himmler, zu dessen persönlichem Stab Aue ab 1943 gehört." Dann | |
Tadel: "Die psychologische Umwandlung des gebildeten und belesenen, | |
promovierten Akademikers Aue in einen kaltblütigen Massenmörder fehlt - und | |
damit hat auch der Roman im Grunde sein Thema verpasst." Eine | |
nachvollziehbare Psychologie Aues wäre nach Spiegel-Autor Romain Leick das | |
Thema gewesen. "Kein Zweifel, Littell weiß unglaublich viel, aber er will | |
auch alles, was er weiß, in diesen über ein Kilogramm schweren Roman | |
stopfen. Sein Held ist auf allen Kriegsschauplätzen präsent (), kennt alle | |
Welt im Nazi-Reich und ist mit kollaborationistischen Schriftstellern in | |
Frankreich wie Robert Brassillach und Lucien Rebatet bestens befreundet. | |
Gerade das mache aus diesem Max Aue eine totale Kunstfigur, eine völlig | |
ungeschichtliche Gestalt, so der deutsche Historiker Peter Schöttler." Man | |
wirft dem Romanautor also vor, er habe eine Kunstfigur geschaffen. Die | |
deswegen, so Schöttler, völlig ungeschichtlich sei. | |
Warum zitiert Leick solchen Quatsch? Weil er ähnlich denkt, wenn er | |
einwendet: "In seinen historisch exakten Teilen scheint das Buch | |
überflüssig, weil es nichts Neues enthält; da greift man besser gleich zu | |
Raul Hilberg oder Saul Friedländer. Und in seinem hinzugedichteten Teil | |
klingt es völlig unplausibel, ein Vexierspiel mit literarischen Zitaten, | |
Andeutungen und Anspielungen." Der Romancier erlaubt sich ein Spiel mit | |
Zitaten und Anspielungen. Was für Anwürfe! Ohne Substanz; aus Gründen, die | |
im Dunkeln bleiben. Leick schließt: "Mal sehen, ob das deutsche Publikum, | |
das sich mit der Vergangenheit unvergleichlich viel besser | |
auseinandergesetzt hat als das französische, aus den 'Wohlwollenden' | |
ebenfalls einen Bestseller machen wird." Er rät milde davon ab. Ob das | |
französische Publikum "unvergleichlich viel schlechter" informiert ist - | |
weiß ich nicht. | |
Auch U. Herbert sieht als Grund für den Erfolg, dass in Frankreich "die | |
historischen Zusammenhänge von Holocaust und Krieg in der SU in einer | |
breiteren Öffentlichkeit nur wenig bekannt waren, ebenso wie die | |
ideologischen und kulturellen Kontexte der Führung von SS und | |
Sicherheitspolizei. Hier wirken Littells Kompilationen aus NS-Forschung und | |
Spekulation dann sensationell und wie etwas ganz Neues." Schlicht | |
rückständig also, die Franzosen. Haben noch keinen Herbert, brauchen | |
deswegen Littell. Harpprecht über Aue: "Ein Intellektueller, gebildet, | |
kultiviert, sensibel, ein Ästhet. Darin entspricht er einem Klischee, von | |
dem die Franzosen so wenig lassen können wie die Briten von romantisch | |
überhöhten Gegnern à la 'Roter Baron'." Klischee: "Der verklärte 'Boche' ". | |
Das sei aber "so billig wie die SS-Uniformen und Stahlhelme, auf die kein | |
Schwulenkabarett in Paris (oder New York) verzichten konnte" (Zeit, 14. | |
2.). Iris Radisch findet, "die Nachtgewächse des französischen akademischen | |
Diskurses tragen nichts bei zur Lösung der schmerzhaften Frage, was genau | |
unsere Großväter zu Mördern gemacht hat". Schmerzhaft, nichts für | |
Nachtgewächs-Franzosen. | |
Bettina Bode: "Littell soll eine Marktlücke gesucht und gefunden haben und | |
dann den ahnungslosen Franzosen einen Horrorroman über den Weltkrieg | |
präsentiert haben, mit dem er nun Millionen scheffelt. Nicht mit uns, so | |
heißt es in den Feuilletons der Zeit und im Tagesspiegel, die NS-Zeit | |
erklären wir Deutsche uns doch lieber selber" (WamS, 17. 2.). "Als fühle | |
sich die deutsche Kritik von Littell enteignet", ergänzt Daniel | |
Cohn-Bendit; ihrer schwer erarbeiteten Deutungshoheit beraubt. | |
Zur Frage: "Ist das Literatur?" Dirk Knipphals in der taz: "Was nicht | |
funktioniert und den Roman damit zentrumslos erscheinen lässt, ist die | |
Charakterstudie." Ein Eindruck, den viele Rezensenten teilen. Und? | |
Natürlich funktioniert die "Charakterstudie Max Aue" nicht; weil sie gar | |
nicht intendiert ist. Littell benutzt seinen "Aue", um möglichst viele | |
Facetten des Nazireichs, des Krieges, der SS, der Vernichtungslager, der | |
kalten Gewalt, der sexualisierten Gewalt, der Bürokratie zu zeigen; er muss | |
ihn also "multifunktional" anlegen, nicht charakterologisch. | |
Aufschlussreich dafür Littells Antwort auf die Frage, warum er Aue | |
"homosexuell" sein lasse. "Aus ganz praktischen Gründen", sagt er. Und | |
nicht aus sexuellen. Um beschreiben zu können, was er beschreiben wollte, | |
brauchte er eine abseits stehende Figur, eine Art Außenseiter. Wer in der | |
SS homosexuellen Praktiken anhing, musste höchst aufmerksam sein; | |
aufpassen, was er macht; was die andern machen; Scharfblick entwickeln. | |
Außerdem gibt es den Zug männerbündlerischer, homosexueller Praktiken im | |
Umkreis verschiedenster NS-Organisationen; um diese aus der Ichperspektive | |
darstellen zu können, muss Aue solche Züge "annehmen". Er ist aus | |
funktionalen Schreibgründen ein "Homosexueller". | |
Aus ebensolchen Schreibgründen liebt er seine Zwillingsschwester Una | |
inzestuös. Das Mutterleibsthema wird damit darstellbar; seine Fantasien, | |
er, Aue, wäre Una. Die Wut auf die Mutter, die sie beide geboren hat, wird | |
"begründbar". Die Annäherung an die Orestie etc. Keine dieser | |
Zuschreibungen und Herleitungen ist charakterologisch; nichts an Aues | |
Sexualität(en) wird psychisch-individuell begründet. Bettina Schulte merkt | |
an: "Seine Homosexualität ist eine Maskierung des Wunschs, Frau zu sein". | |
Ja, so wie dieser Wunsch wiederum Maskierung des Wunschs ist, gewalttätig | |
penetriert zu werden; Orgasmen für "Aue" sind Auslöschungen, Black-outs des | |
Bewusstseins; eine Art Tod seines Männerkörpers, der physischen Tod (für | |
andere) unentwegt um sich streut. | |
Das Konglomerat SS-Mann, das Littell darstellen will und das Aue | |
repräsentiert, verhält sich, als ob der Unterschied tot/lebendig keine | |
Rolle für ihn spiele. (Es sei denn, er hatte ein besonderes Verhältnis zum | |
Toten, wie zum Sprachwissenschaftler Voss. Diesem, einem interessanten | |
Gesprächspartner, trauert er nach.) Ansonsten nimmt er das Sterben und | |
Töten, die Dauerverschlingung von Sexualität und Gewalt, ohne Gedanken oder | |
Skrupel hin. Es geht um den Körper- und Organisationstyp, in dem Liebe und | |
Tod kriegerisch verschlungen sind, auch wagnerisch und bürokratisch, je | |
nachdem. | |
Hunderte damit verbundener Einzelzüge realer Personen hat Littell den | |
Autobiografien und der Literatur über diese Männer entnommen, um sie alle | |
an "Aue" zu heften. Mit Eichmann wäre das nicht gegangen, sagt Littell. | |
Familienvater, Bürokrat, zu klare Konturen. Noch klarer wird das Verfahren | |
an der Figur Hitler. Er tritt nur einmal auf in den "Wohlgesinnten". Ist | |
aber als der Führer im Hintergrund des Romans immer anwesend. Littell sagt, | |
Hitler habe für die Deutschen wie ein Brennglas funktioniert. Nicht als | |
spezifischer Charakter. Hitler bündelt die höchstmögliche Zahl von | |
Eigenschaften "der Deutschen" und bringt sie zum Ausdruck. Ebenso hat | |
Canetti die Figur Hitler in Masse und Macht behandelt; und ich in den | |
Männerfantasien (anders: Joachim Fest). Es gibt keine Person an der Stelle | |
der totalen Machtausübung, nur den totalen, bündelnden Drecksack. | |
Genau das führt Littell in seinem Max Aue vor; alle möglichen | |
"Eigenschaften" aus dem SS-Umkreis müssen ihm anheftbar sein, je nach | |
Situation. Dass der Roman dadurch zentrumslos wird, dass sich daraus eine | |
Reihung von Ereignissen ergibt: alles richtig. Aber wozu muss ein Roman ein | |
Zentrum haben? Wozu Charaktere? Mr Slothrop in Pynchons Gravitys Rainbow | |
ist auch kein Charakter, sondern Kunstfigur, die durch eine Unzahl schräger | |
Situationen geführt wird - u. a. wie Max Aue durch Mittelbau/Dora - um uns | |
die Mysterien des deutschen Raketenbaus nahezubringen. | |
Wenn Sigrid Löffler in der Deutschen Welle behauptet, Littells Buch sei | |
"monströs" misslungen, könnte das etwas vorschnell sein. Der Bösewicht Aue | |
sei "nicht von innen heraus beschrieben", moniert sie. Littell wirft sie | |
vor, sein Argument, der Mord an den Juden sei keine spezifisch deutsche | |
Sache, anthropologisiere die Mordgeschichte und entlaste die Deutschen als | |
Täter. Littell entlastet aber nicht die Deutschen, er belastet potenziell | |
alle. Das ist ein Unterschied. | |
Im Ruf nach psychologischen Charakteren, im wütenden Einfordern | |
literarischer Qualität offenbart sich mit Einschränkung eine merkwürdige | |
Verhaftung in der Romanästhetik des 19. Jahrhunderts, wie sie von Balzac | |
bis Thomas Mann exekutiert wurde. Max Aue ist aber durchaus nicht der | |
"mittlere Held" des Historienromans. Er ist eine künstliche Monstrosität, | |
überdehnt in die unmöglichsten Extreme; keine Person mit "Eigenschaften"; | |
komprimiert in der Behauptung, keineswegs Unmensch zu sein, sondern immer | |
nur Mensch. Mensch selbst ist das Monströse. | |
28 Feb 2008 | |
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[1] http://readingroom.faz.net/littell/ | |
## AUTOREN | |
Klaus Theweleit | |
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