# taz.de -- Bosniens Musikszene: „Wo ist die nächste Party?“ | |
> Eher nicht mit Balkan-Beats: Netlabel-Macher und DJ Andrej Imamovic (30) | |
> über Teenager-Alltag im Krieg und die Rückkehr der Touristen nach | |
> Sarajevo. | |
Bild: Sarajevo bei Nacht | |
taz: Viele Menschen in Deutschland denken zuerst an Zerstörung, Krieg, | |
politische Wirren, wenn der Name Ihrer Stadt fällt. Wie sehen Sie Ihre | |
Stadt heute? | |
Andrej Imamovic: Ich kann das negative Image Sarajevos verstehen, | |
schließlich liefen grausame Bilder von Zerstörung und Krieg jahrelang im | |
TV. Andererseits hoffe ich, dass man in Zukunft aufhören wird, Sarajevo auf | |
den Krieg zu reduzieren. Was die aktuelle Politik betrifft: Viele hier | |
halten unsere Politiker für korrupte Bremser. Die Politikverdrossenheit ist | |
groß. | |
Ist Sarajevo gefährlich für Touristen? | |
Nein, definitiv nicht. Nicht gefährlicher als jede andere europäische | |
Großstadt. | |
Wer heute in Sarajevo Musik auflegt, hat den Krieg meist als Teenager | |
miterlebt. | |
Ich war 15 Jahre, als es angefangen hat - und 18 oder 19, als es vorbei | |
war. Wahrscheinlich war es für uns einfacher als für die Älteren. Für uns | |
zählten damals typische Teenie-Probleme, nach dem Motto: Lass uns | |
rausgehen. Wo ist die nächste Party? Im Prinzip bestand immer Lebensgefahr. | |
Uns war das in gewisser Weise egal. Wir haben wenig nachgedacht, wollten so | |
normal wie möglich leben. Während des Krieges habe ich in Grunge-Bands | |
Schlagzeug gespielt, dann die ersten elektronischen Sachen entdeckt. | |
Kommen heute zu den Partys Ihres Netlabels Oscilator.net mehr Touristen als | |
noch vor ein paar Jahren? | |
Ich habe noch nie so viele Touristen auf den Straßen Sarajevos gesehen wie | |
im vergangenen Sommer. Sehr international, nicht nur während des | |
Filmfestivals. Sarajevo ist günstig und damit ideal für junge Leute. | |
Deutsche, Österreicher, Italiener kommen. Klar, dass einige von ihnen auf | |
unseren Partys gelandet sind. Im Winter kommen hauptsächlich Gäste aus den | |
Nachbarländern - oft, um auf den olympischen Pisten um Sarajevo Ski zu | |
fahren. | |
Elektronische Musik wird gerne unter dem Etikett „Völker verbindend“ | |
subsumiert. Inwiefern gilt das mehr als zehn Jahre nach Ende des Krieges | |
für Bosnien und Exjugoslawien? | |
Seit zwei bis drei Jahren funktioniert die Szene verstärkt | |
länderübergreifend. Serbische und kroatische DJs spielen regelmäßig in | |
Sarajevo. Andererseits hatten zum Beispiel ich und mein Oscilator-Partner | |
Ensar Zgodic 2007 vier Gigs in Zagreb und einen in Novi Sad. Auch nach | |
Banja Luka im serbischen Teil Bosniens gibt es Kontakte. Die einzelnen | |
Szenen sind für kreativen Austausch ohnehin zu klein. Wenn sich die | |
Enthusiasten zusammentun, ist viel mehr möglich. | |
Welche Rolle spielt die Herkunft? | |
Ich kenne viele Leute nur mit Spitznamen, weiß nicht, ob sie moslemisch, | |
katholisch, orthodox sind. Religion ist für mich und viele andere nicht | |
relevant, schon gar nicht in einer Stadt voller Mischehen wie Sarajevo. | |
Aber natürlich gibt es außerhalb von Künstlerkreisen Vorurteile. Etwa, wenn | |
jemand im Krieg Angehörige verloren hat. | |
Derzeit experimentieren DJs in Westeuropa gerne mit Balkan-Beats. Ist das | |
auch ein Thema für Sie? | |
So etwas ist interessant für Leute, in deren Umfeld traditionelle | |
Balkanmusik nicht zum Alltag gehört. Techno-Producer von hier werden eher | |
nicht mit Balkan-Beats arbeiten. Genauso wie deutsche DJs keine | |
Volksmusik-Elemente in ihre Auftritte einbauen. | |
28 Feb 2008 | |
## AUTOREN | |
Sebastian Brück | |
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