# taz.de -- FC St. Pauli-Präsident Corny Littmann: "Schwarz-Grün ist keine Li… | |
> Corny Littmann, Theaterchef und St. Pauli-Präsident, hat für die Grünen | |
> Politik gemacht - und schätzt die Arbeit der CDU. Warum er für | |
> Schwarz-Grün in Hamburg plädiert. | |
Bild: "...sondern notwendig", meint Corny Littmann. | |
taz: Herr Littmann, Sie haben einen guten Draht zu Bürgermeister Ole von | |
Beust, sind selbst aber den Grünen verbunden. Wie sympathisch wäre Ihnen | |
eine schwarz-grüne Regierung in Hamburg? | |
Corny Littmann: Es geht da nicht um Sympathie. Schwarz-Grün ist aus | |
vielerlei Gründen politisch richtig und notwendig. Eine solche Koalition | |
hätte alle Chancen, die Stadt voranzubringen. | |
Eine mutige Prophezeiung | |
In Hamburg haben wir eine traditionell vergleichsweise liberale CDU und | |
eine eher "rechte" SPD. Die inhaltlichen Unterschiede sind hier marginal, | |
egal ob wir über Elbvertiefung oder Bildungspolitik reden. Das heißt: Was | |
mit Rot möglich war, kann prinzipiell auch mit Schwarz gehen. Die SPD hat | |
im Wahlkampf nicht ganz erfolglos mit der "sozialen Frage" polarisiert. | |
Doch in Wahrheit ist die Behauptung, dass es in Hamburg zwischen der CDU | |
und der SPD gravierende Unterschiede gäbe, absurd. Wer sich die Politik der | |
rot-grünen Koalition in Hamburg zwischen 1997 und 2001 ansieht, erkennt, | |
dass die SPD damals keinen Deut anders agiert hat als die CDU heute. | |
Beispielsweise haben die Hamburger Sozialdemokraten mit der massiven | |
Abschiebung von Migranten begonnen. | |
Ist es deshalb aus Ihrer Sicht nur egal, mit wem die GAL koaliert, oder hat | |
Schwarz-Grün einen besonderen Charme? | |
Eine schwarz-grüne Koalition ist für die GAL attraktiver als eine rot-grüne | |
Zusammenarbeit. In der rot-grünen Koalition in Hamburg hat die SPD der GAL | |
keinen einzigen Erfolg gegönnt, sondern alle Initiativen der Grünen für | |
sich reklamiert. Ich bin der festen Überzeugung, dass die CDU so ein | |
Verhalten nicht nötig hat. Die Kompetenzen wären in einer schwarz-grünen | |
Koalition klarer verteilt und die CDU würde den Grünen ihre Erfolge nicht | |
streitig machen. Die GAL könnte in so einem Bündnis wesentlich profilierter | |
grüne Politik machen als mit der SPD. | |
Die identifizierten Knackpunkte zwischen CDU und GAL sind die Fragen nach | |
dem zukünftigen Schulsystem und dem Neubau eines Kohlekraftwerks in Hamburg | |
Moorburg. Wie sollen sich die Grünen da profilieren? | |
Da sind aber die Kompromisslinien bereits vorgezeichnet: ein kleineres | |
Kohlekraftwerk und Modellversuche im Schulbereich. Viel interessanter ist | |
doch die Frage, ob es den beiden Parteien in den Koalitionsverhandlungen | |
gelingt, eine gemeinsame Vision für die Zukunft Hamburgs zu entwickeln. | |
Wenn sie dazu nicht in der Lage sind, ist eine schwarz-grüne Koalition über | |
kurz oder lang zum Scheitern verurteilt. Sich in Einzelfragen zu | |
verstricken und in täglichen Klein-Klein-Streitereien aufzureiben, hilft | |
beiden Parteien ebenso wenig wie der Stadt. | |
Wo sehen Sie bei beiden Parteien Schnittmengen für eine gemeinsame | |
schwarz-grüne Stadtutopie? | |
Ich glaube, dass in beiden Parteien genug kreative Politiker sind, die ein | |
solches Leitbild für die Stadt entwickeln können. In der Hamburger CDU gibt | |
es nach meinen Erfahrungen eine grundsätzliche Offenheit, ganz pragmatisch | |
sachbezogene Diskussionen zu führen und sich neuen Themen zu öffnen. In der | |
Stadtentwicklungspolitik haben wir etwa das Phänomen, dass die Menschen | |
wieder von der Peripherie in die Metropole ziehen. Die Frage ist: Wo | |
entstehen neue Wohnviertel und wie sehen sie aus? Hat Hamburg neben der | |
Hafencity weitere Flächen für Wohnungsbau, und wie soll der vielbeschworene | |
Sprung über die Elbe aussehen? Das sind entscheidende Zukunftsfragen für | |
die Stadt Hamburg. | |
Welche Akzente erwarten Sie da von den Grünen? | |
Die Frage, wie ein Stadtteil Identität ausbildet, ist sehr komplex. Die | |
Hafencity, die zurzeit entsteht, ist ein absolutes Negativbeispiel. Sie ist | |
ein Grauen in Glas und Beton und kein lebendiger Stadtteil. Deshalb gilt | |
es, sich in anderen Städten umzuschauen und notfalls auch mal Ansätze zu | |
klauen. Bei den Grünen gibt es viele interessante Ansätze, weil sie über | |
den Tellerrand hinausblicken. Also: In die Ferne schauen und gute Ideen | |
klauen | |
Ein Bündnis zwischen CDU und GAL war lange Zeit auch sehr fern, im Grunde | |
undenkbar - was hat sich da in den vergangenen Jahren bei beiden Parteien | |
verändert? | |
Die handelnden Personen haben sich verändert. Mit den ehemaligen | |
CDU-Fürsten Jürgen Echternach und Hartmut Perschau wäre Schwarz-Grün ebenso | |
wenig denkbar gewesen wie mit den GALiern Thomas Ebermann und Rainer | |
Trampert. | |
Das jeweilige Führungspersonal ist doch nur Ausdruck der Verfassung einer | |
Partei. Hat sich die verändert? | |
Die Hamburger CDU hat sich verjüngt und zu einer anderen Politik gefunden. | |
Bei der GAL hat sich im gleichen Maße was getan. Der entscheidende Bruch | |
war der rot-grüne Senat. In dem Moment, wo sie von der parlamentarischen | |
Vertretung der außerparlamentarischer Opposition in die gestaltende | |
Regierungsbeteiligung gegangen ist, hat sich in der Partei grundsätzlich | |
etwas verändert. Die Grünen erheben jetzt den Anspruch, mit einer Fülle von | |
umsetzbaren Ideen die Stadt zu gestalten. Ob grüne Marktwirtschaft, | |
Stadtplanung oder alternatives Verkehrskonzept für Hamburg: Sie sind nicht | |
mehr die Partei, die drei, vier Einzelthemen oder Vorschläge in die | |
politische Debatte wirft und sich um deren Realisierung dann nicht mehr | |
kümmert. | |
Viele Beobachter prophezeien, Schwarz-Grün werde eine Koalition der | |
Besserverdiener ohne soziales Korrektiv. | |
Die Grünen haben in einer solchen Koalition die große Chance, in der | |
öffentlichen Wahrnehmung verlorengegangene soziale Kompetenz zurückgewinnen | |
und ihr soziales Profil zu schärfen. Für gewerkschaftliche Interessen oder | |
Migrantenorganisationen werden sie in einem schwarz-grünen Senat der erste | |
Ansprechpartner sein. Sie können in diesem Bereich also nur gewinnen. Klar | |
muss nur sein: Eine schwarz-grüne Koalition ist keine Jubelveranstaltung | |
oder Liebesehe, sondern ein ganz pragmatisches Bündnis. | |
Welche Erfahrungen haben Sie als Unternehmer im Hamburger Kulturbetrieb mit | |
der CDU-Regierung gemacht, die Sie so optimistisch für Schwarz-Grün stimmt? | |
Ich will das am Stadtteil St. Pauli deutlich machen. Dieser Kiez war für | |
die Hamburger Sozialdemokraten immer ein weißer Fleck auf der Landkarte - | |
sie haben sich für St. Pauli geschämt. Helmut Schmidt hat Mitte der | |
Achtzigerjahre betont, dass ein Hamburger nicht auf die Reeperbahn geht, | |
und Michael Naumann hat im Wahlkampf allen auswärtigen Besuchern empfohlen, | |
die Reeperbahn zu meiden. Der CDU-Senat hingegen hat mit der Reeperbahn und | |
St. Pauli Städtewerbung betrieben. Er hat ganz pragmatisch gesagt: Hier | |
kommen jährlich 20 Millionen Touristen her. Diese Besucherströme können und | |
wollen wir etwa mit Hilfe des Stadtmarketings etwas lenken. | |
Auch als Präsident des FC St. Pauli haben Sie mit der CDU Erfahrungen | |
gemacht. | |
Die SPD hatte jahrelang jede finanzielle Unterstützung für den längst | |
überfälligen Neubau des Millerntor-Stadions verweigert, mit dem Hinweis | |
darauf, es gäbe ja schon ein bundesligataugliches Stadion am Volkspark. | |
Damit war die Diskussion beendet. Die CDU hat hingegen erkannt, dass dieses | |
neue Stadion Anziehungskraft weit über Hamburg hinaus haben könnte und dass | |
es für die Zuschauer, die ans Millerntor gehen, undenkbar wäre, sich am | |
Volkspark Fußballspiele anzusehen. Inzwischen hat der Stadionneubau nach | |
fast dreißig Jahren vergeblichen Mühens mit finanzieller Hilfe und | |
unbürokratischer Unterstützung des Senats begonnen. Zusammengefasst: Die | |
CDU-Politik hier im Stadtteil ist pragmatisch und unideologisch. | |
Gleichzeitig ist gerade die Reeperbahn, an der auch Ihre Theater liegen, im | |
Fokus der CDU-Innenpolitik. Videoüberwachung und Waffenverbot sind da nur | |
zwei Stichworte. Notwendige Entwicklungen, um die Hamburger Amüsiermeile | |
sicherer zu machen? | |
Bei jährlich 20 Millionen Besuchern auf so einem begrenzten Areal kommt es | |
immer zu gewissen Auseinandersetzungen, die auf die Kriminalstatistik | |
durchschlagen. Es gibt die bedrohliche Tendenz, dass CDU und SPD im | |
Schulterschluss zu immer repressiveren Maßnahmen greifen, um diese | |
Entwicklung unter Kontrolle zu bekommen. Beide Parteien schenken sich da | |
gar nichts. Kommt CDU-Innensenator Nagel mit Videoüberwachung und | |
Waffenverbot um die Ecke, fordert der SPD-Bezirksamtsleiter Herr Schreiber | |
sofort das Alkohol- und Flaschenverbot auf den Straßen und Plätzen rund um | |
die Reeperbahn. | |
Springen wir vom Stadtteil in den Bund: Sehen Sie Schwarz-Grün auch als | |
Zukunftsoption für Berlin? | |
Das halte ich in absehbarer Zeit für ausgeschlossen. Ich glaube zwar, dass | |
Hamburg in den nächsten Jahren nicht das einzige Bundesland bleibt, das von | |
einer schwarz-grünen Koalition regiert werden könnte. Aber bei der | |
anstehenden Bundestagswahl ist diese Konstellation keine realistische | |
Option. Der größte Hinderungsgrund ist die CSU. Da gibt es auf absehbare | |
Zeit eine kulturelle Kluft, die nicht überwindbar ist. Eine schwache | |
CSU-Spitze, die es nötig hat, nach außen Stärke zu demonstrieren, wird | |
niemals mit den Grünen eine Koalition eingehen. Und ich kann mir auch nicht | |
vorstellen, dass die Grünen mit dieser CSU etwas zu tun haben wollen. | |
INTERVIEW: MARCO CARINI | |
7 Mar 2008 | |
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