# taz.de -- Schriften zu Zeitschriften: Ein Buchpreis für die Poesie | |
> "BELLA triste" debattiert über junge Lyrik, "Schreibheft" erinnert an den | |
> Jahrhundertdichter Ezra Pound und "Akzente" wirbt für die Dichtung. | |
Bild: Jung und aufregend: Bellatriste. | |
Am Donnerstag ist wieder High Noon im Literaturbetrieb; es schlägt die | |
Stunde der Sieger und Verlierer. Nachmittags wird die Jury die Gewinner des | |
diesjährigen Preises der Leipziger Buchmesse verkünden. Im Unterschied zum | |
Deutschen Buchpreis, der im Herbst in Frankfurt vergeben wird, gibt es | |
jeweils Sieger in den Kategorien Belletristik, Sachbuch/Essayistik und | |
Übersetzung. Und bis auf wenige Ausnahmen sehen die drei Kandidatenlisten | |
vielversprechend aus. | |
Umso schmerzlicher fällt die klaffende Lücke bei den Preiskategorien ins | |
Auge, sowohl jetzt in Leipzig als auch in Frankfurt: Die Dichtung fehlt. | |
Nun lässt sich vieles gegen die Buchpreismanie der letzten Jahre einwenden | |
und damit die Abstinenz der Lyrik verteidigen. Im Schatten einiger weniger | |
Bücher verschwinden unendlich viele gehaltvolle Titel, Popularität siegt | |
immer über Avantgarde, Resonanzerzeugung und Bestsellerstatus für die einen | |
drückt andere stärker denn je unter die Wahrnehmungsschwelle der | |
literarischen Öffentlichkeit. | |
Solchen Gefahren mochte sich die traditionell auf ästhetische Reinheit | |
bedachte Lyrik bislang nicht aussetzen. Doch das sollte sich nach Abwägung | |
der Risiken unbedingt ändern. Denn publikumswirksame, debatten- und | |
verkaufsfördernde Preise täten hierzulande dem verblassten Status der | |
Dichtung als literarischer Königsdisziplin gut, auch wenn es am stets | |
gefährdeten Nischendasein des zarten Pflänzchens Lyrik natürlich nichts | |
ändern würde. Es mag paradox klingen und mancher dürfte seine elitäre Nase | |
rümpfen, dennoch: Das Land Goethes, Georges und Gernhardts braucht im | |
Frühjahr und Herbst Buchpreise für Poesie. | |
Und wir leben ja in durchaus lyrischen Zeiten. Von Peter Rühmkorf erscheint | |
in wenigen Wochen sein dichterisches Alterswerk unter dem Titel | |
Paradiesvogelschiß; für Mai sind als erster Band einer Werkausgabe die | |
gesammelten Gedichte des im vergangenen Jahr verstorbenen | |
Büchner-Preisträgers Wolfgang Hilbigs angekündigt. Zuletzt erschien Averno, | |
Lyrik der großen amerikanischen Dichterin Louise Glück in der kongenialen | |
Übersetzung ihrer Kollegin Ulrike Draesner; ein weiterer Band wird dieses | |
Jahr folgen. | |
Die junge deutsche Poesie ist schon seit längerem weitaus aufregender als | |
die junge Prosa. Das bewies 2007 Heft 17 der Literaturzeitschrift BELLA | |
triste; in dieser als Bestandsaufnahme konzipierten Sonderausgabe hatten | |
Nora Bossong, Nico Bleutge, Daniel Falb, Anja Utler, Monika Rinck, Ann | |
Cotten und viele andere ihre Auftritte, begleitet von kritischen Analysen | |
ihrer Kollegen. Das Heft wurde ein großer Erfolg mit zweiter Auflage; | |
seither tobt in der Zeitschrift eine heftige Auseinandersetzung über | |
Positionen, Begriffe und Mechanismen moderner Poetologie. Wer wissen will, | |
wie es um die deutsche Dichtung steht, kommt an BELLA triste nicht vorbei. | |
Einen Blick zurück auf einen großen Dichter des vergangenen Jahrhunderts | |
wirft eine wieder hervorragend zusammengestellte Ausgabe des Schreibhefts. | |
Der in Italien lebende Amerikaner Ezra Pound (1885-1972) verbrachte die | |
Jahre 1945 bis 1958 im Washingtoner St. Elizabeths Hospital, in das er als | |
"Geisteskranker" eingewiesen wurde: aufgrund profaschistischer Propaganda | |
während des Kriegs hätte ihm die Verurteilung und möglicherweise sogar die | |
Todesstrafe gedroht. | |
Hier kann man nun seinen Briefwechsel aus jener Zeit mit dem Dichterfreund | |
William Carlos Williams nachlesen ("Du lieber alter Mistkäfer" - "Du armer | |
dummer Depp"), ebenso die Briefe, die der spätere Medientheoretiker | |
Marshall McLuhan an Pound schrieb. Wiederabgedruckt ist eine Diskussion in | |
der "Partisan Review" von 1949 über den umstrittenen Antisemiten Pound u.a. | |
zwischen W.H. Auden und George Orwell sowie eine Transkription des | |
legendären Filminterviews, das Pier Paolo Pasolini 1968 mit Pound führte. | |
"Auffällig wenig" sei von Poesie zuletzt geredet worden, meint der Dichter, | |
Lyrikförderer und Hanser-Verlagschef Michael Krüger im aktuellen Heft | |
seiner Zeitschrift Akzente. Seit nunmehr 55 Jahren stöbert die Zeitschrift | |
mit nie erlahmendem Spürsinn nach literarischer Qualität. Krügers klagendes | |
Klappern in eigener Sache ist durchaus gerechtfertigt, obwohl es mehr | |
lyrische Bewegung gibt als vor zwanzig Jahren: Es fehlt der Dichtung an | |
"enthusiastischen Fürsprechern. Sie begnügt sich mit einer stabilen | |
Leserschaft von ein paar hundert Verschworenen, mit ein paar klandestinen | |
Zeitschriften und Lesungen an verschwiegenen Orten. Aber irgendwie glaubt | |
sie fest an ihren Nachruhm." Und für ein bisschen Ruhm bereits zu Lebzeiten | |
sollten künftig Buchpreise für Poesie in Leipzig und Frankfurt sorgen. | |
"BELLA triste", Hefte 17, 18, 19, 5 bzw. 8 Euro, [1][www.bellatriste.de] | |
"Schreibheft". Zeitschrift für Literatur, Heft 69, 12 Euro, | |
[2][www.schreibheft.de] | |
"Akzente", 55. Jg., Heft 1, Februar 2008, 7,90 Euro, [3][www.hanser.de] | |
11 Mar 2008 | |
## LINKS | |
[1] http://www.schreibheft.de | |
[2] http://www.schreibheft.de | |
[3] http://www.hanser.de | |
## AUTOREN | |
Alexander Cammann | |
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