# taz.de -- Wanderritt durch die tunesische Sahara: Nur Himmel, Sand und Stein | |
> Sich im Sattel von Pferden durch die Wüste schaukeln zu lassen ist | |
> Meditation. Und mit unpassender Kleidung durchaus aufreibend. | |
Bild: Einsamer Reiter in der Wüste | |
Der erste Morgen in der Sahara beginnt mit einem ebenso schönen wie | |
nützlichen Geschenk. Jutta und Bettina, unsere „Rittführerinnen“ haben f�… | |
jeden ein langes Tuch mitgebracht. „Schecha“ nennen sie es, und bald hat | |
jeder der Gruppe einen fein gewickelten Turban um den Kopf - in Wüstengelb, | |
Skorpionschwarz, Blütenweiß oder Tuaregblau. Gut geschützt, fast wie | |
Beduinen, werden wir nun die Sahara bereiten. Beim allmorgendlichen Wickeln | |
helfen uns fünf Reitersmännern unsere beiden Reitkolleginnen Hanne und | |
Sylvia. Insgesamt also sieben Kunden, zwei lokale Führer, die | |
Rittführerinnen sowie ein Trossfahrzeug mit Fahrer, Koch und Helfer. „Sand | |
und Sterne, Wind und Wüste “ heißt das Programm, mit dem uns Jutta | |
Scheuthle von Ross & Rhön eine Woche auf Pferden und Kamelen durch die | |
Sahara führen wird: „Die Faszination der Einfachheit“. | |
Von 11 bis 3 Uhr morgens sind wir mit einem Kleinbus von Djerba nach Douz, | |
dem „Tor zur Wüste“, in Südtunesien gefahren. Dann noch 30 Kilometer hine… | |
in die Sahara. Im Dunkeln haben wir unser erstes Lager aufgeschlagen - die | |
Abenteuerlustigeren im Freien, die andern im Zelt. Der gerade aufgehende | |
Halbmond hat uns geholfen. Denn die vom Tross gestellten Schlafsäcke und | |
-unterlagen mussten erst noch bequem im Sand positioniert werden: Mit guter | |
Sicht auf die Sterne und die aufgehende Sonne. | |
Nun sitzen wir noch etwas zerknautscht im Schneidersitz oder liegen auf der | |
Seite und nehmen unser erstes Frühstück ein. Die Nacht haben alle gut | |
überstanden. Bei der anschließenden Pferdeverteilung fällt mir Shakira zu, | |
eine schöne, heißblütige, weiße Stute: „Araberber“ bedeutet mir Bettina, | |
die seit 30 Jahren in Tunesien lebt und der alle Pferde gehören. Sechs Tage | |
lang darf ich Shakira jeden Morgen und Mittag ausführlich striegeln. Danach | |
wird das Zaumzeug angelegt und gesattelt. Wie ein Fetischist bin ich vor | |
der Reise durch die Kaufhäuser gezogen, habe in jeder Unterhose Stärke und | |
Platz der Nähte getestet. Und dann doch nur gewöhnliche Baumwollhöschen | |
sowie eine leichte Jeans gekauft. Die schwarze Pumphose vom Basar in Houmt | |
Souk, Djerba, soll Kollege Thomas ausprobieren, der fröhliche schwäbische | |
Schauspieler. Er reitet seine „Klimahose“ in dieser Woche zu Schanden, | |
entdeckt jeden Tag neue Löcher und bleibt mehrmals mit dem pludrigen | |
Gesäßteil gefährlich am Sattel hängen. Doch er sieht aus wie Omar Sharif. | |
Ein echter Wüstensohn eben. | |
Meiner Shakira Trense, „Martingal“ sowie die verschiedenen Riemen und | |
Schnallen allein anzulegen, überfordert mich. Den Sattel und die von | |
Bettina selbst genähten Satteltaschen aber bugsiere ich ohne Hilfe auf den | |
Pferderücken. Triumph: Auch nach sechs Tagen habe ich keine aufgeriebenen | |
Stellen. Thomas Sharif hingegen borgt sich am dritten Tag dankbar mein | |
Töpfchen Melkfett. Äußerst hilfreich sind die spanischen „Chaps“, edle | |
Ledergamaschen bis zum Knie, die meine Waden schützen. Sylvia leiht sie mir | |
zwei Tage. | |
Geritten wird meistens hintereinander - selbst bei den drei, vier | |
„Galoppaden“, die die reiterischen Höhepunkte jedes Tages sind. | |
Unglaublich, wie freudig die Tiere auch in der Hitze losstürmen. Shakira | |
ist dabei kaum zu bremsen und rückt auch im Schritt gerne dicht an die | |
Pferdehintern vor sich heran. Das geruhsam schunkelnde Hintereinander | |
bringt etwas Meditatives in unsere kleine Gruppe. Manchmal wird über eine | |
Stunde lang nicht geredet: Gemächlich wippendes Becken, zufrieden nickende | |
Pferde, ab und zu ein Schnauben. Sonst nur Sanddünen, Steine und Büsche. | |
Darüber ein weiter, blauer Himmel. | |
Die Wüste bietet Abwechslung, doch nach einer Woche hat man trotzdem das | |
Gefühl sie zu kennen. Auch 100 Kilometer weiter sieht es nicht wirklich | |
anders aus. Der Reiz liegt im grandiosen Gesamtpanorama - und in den | |
Details: kleine Anhöhen mit Ginsterbüschen und getrocknetem Holz, aus dem | |
wir jeden Abend ein Lagerfeuer machen. Immer wieder neue Kräuselungen der | |
Dünen, über die der Wind wie ein Bildhauer streicht. Wüstenhasen und | |
-mäuse, die ab und zu von unserer Kleinkarawane wegstieben. Wunderbare | |
Sonnenuntergänge und noch aufregendere -aufgänge: Wenn die bitterkalte, | |
klammfeuchte Wüstennacht in einem bunten Farbenspiel der ersehnten Wärme | |
weicht, die im Nu die Decken und Schlafsäcke wieder trocknet. | |
Ein Erlebnis ist auch das andere Tempo der Menschen. In sechs Tagen schafft | |
es unser tunesisches Trossfahrzeug nur einmal, pünktlich zum vereinbarten | |
Treffpunkt zu kommen. So knallt Juttas schwäbische Korrektheit wiederholt | |
mit der arabischen Inschallah-Philosophie lehrreich zusammen. Allah will | |
eben manchmal anders. | |
Vielleicht, dass wir einen anderen Zeitbegriff kennenlernen? Merken, wie | |
bleischwer nach fünf Stunden Reiten die Beine sind? Oder lernen, immer | |
genügend Wasser und einen Pullover in den Satteltaschen zu haben? Doch | |
Allah ist auch gnädig: Irgendwie klappen die Treffen am Ende doch jedes | |
Mal. Das Lager wird errichtet, wir bekommen einfaches Essen: „salade | |
tunisienne“, Reis oder Nudeln mit roter Soße, Datteln und das köstliche, in | |
der Asche gebackene Brot mit der scharfen „Harissa“-Paste. Mehr braucht man | |
auch nicht. Ach doch: den Tee mit den drei Aufgüssen „bitter wie das Leben, | |
süß wie die Liebe, sanft wie der Tod“. Und den guten tunesischen Rotwein. | |
„Prost“ klingt im Arabischen übrigens wie „Allahsachtnix“. | |
Einen Tag lang haben die Pferde Pause, und wir ziehen mit Kamelen in die | |
hohen Sanddünen, wo die plattfüßigen Dromedare natürliche Vorteile haben. | |
Der Ritt auf Kamelen ist noch meditativer als auf Pferden: Einmal, weil der | |
Passgang der Tiere zu einem intensiven, fast einlullenden Schunkeln führt. | |
Dann wegen der fast irrealen Riesendünen und schließlich wegen der | |
Kameltreiber. Die Ruhe, mit der sie in ihren Pantoffeln die Kamele durch | |
den Sand führen, gemächlich das Mahl zubereiten und servieren und uns dann | |
in der Abendsonne wieder aus den Dünen lotsen, eröffnet uns eine Welt von | |
nahezu kosmischer Einfachheit. Was braucht man wirklich? | |
Kamele jedenfalls scheinen es zu wissen. Vielleicht schauen sie deshalb so | |
arrogant auf uns wuselnde Menschlein. Ihr Brunftschrei klingt dabei | |
interessanterweise wie eine laut gurgelnde Toilettenspülung - eine | |
akustische Fata morgana, geeignet steten Überfluss an Wasser vorzutäuschen. | |
Zurück in der Oasenstadt Douz. Sechs Tage ohne große Wäsche - doch wir | |
stinken nicht. Sechs Tage im Sattel und ohne Stühle - doch wir können noch | |
laufen. Der Besuch im Hamam, dem Dampfbad, ist der ideale Abschluss. Von | |
einem Profi porentief sauber gebürstelt und erfrischend durchgewalkt, | |
verlassen wir die Wüste: Wie neugeboren und mit einem schönen blauen | |
Turban. | |
29 Mar 2008 | |
## AUTOREN | |
Thomas Pampuch | |
## TAGS | |
Reiseland Tunesien | |
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