Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Queere Kultur in der griechischen Hauptstadt: Kein deutscher Export…
> Unter Schirmherrschaft des Goethe-Instituts fand in Athen ein
> "Gender-Pop-Festival" statt. Mit Musik und Performances wurden klassische
> Geschlechterkonzepte kräftig durchgeschüttelt.
Bild: Transsexuelle werden in Griechenland von ihrer Religion zurückgewiesen- …
"Die Leute sind heiß drauf! So etwas gab es hier in der Form noch gar
nicht", freut sich der Gender-Aktivist Tim Stüttgen. Gemeinsam mit der
Tänzerin und Kulturwissenschaftlerin Margarita Tsomou organisierte Stüttgen
das dreitägige Festival "Gender Pop Athens". In Kooperation mit dem Athener
Goethe-Institut stellten sie ein facettenreiches Programm zur sozialen
Konstruktion von Geschlecht in der Popkultur auf die Beine. Das Getümmel im
weitläufigen Athener Szeneclub "Bios" gibt ihnen recht.
Boyishe Lesbenpärchen, perfekt gestylte Hipster-Schwule, aufgedonnertes
Athener Ausgehpublikum, aus ganz Europa angereiste Bekannte der
PerformerInnen, Gender-Studies-Studis und professorale Goethe-Habitués
reiben neugierig die Schultern aneinander.
Während der mitunter sehr abstrakten Performances zwischen modernem Tanz,
Drag-Show und dekonstruktivem Striptease herrscht aufmerksame Stille im
Raum, "ehrfurchtsvoller als in jedem griechischen Theatersaal", wie der
neue Leiter des Athener Goethe-Instituts Wolfger Pöhlmann, nicht ohne eine
gewisse Befriedigung feststellt.
Der Schwerpunkt des Festivals lag auf Musik und Videos aus der Berliner
Szene, wobei es Stüttgen wichtig war, "ein Milieu darzustellen, das in
Deutschland noch nicht überrepräsentiert ist". Die Gender-Thematik solle
hier nicht als neuester deutscher Exportschlager figurieren, "es muss klar
sein, gerade auch aus der Position als KulturproduzentInnen heraus, dass
queerer Feminismus eine internationale Geschichte ist", so Tim Stüttgen. Es
sei von Anfang an angedacht gewesen, dass man mit der örtlichen Homo-Szene
zusammenarbeite. Sie ist, wie die meisten Kulturbereiche in der
griechischen Hauptstadt, extrem prekär.
Der Eintritt in einen Club kostet im Durchschnitt 25 Euro, durch
Getränkepreise von 10 Euro aufwärts wird er noch in die Höhe getrieben. Das
traditionsreiche Athener Goethe-Institut bietet als eine der wenigen
Institutionen vor Ort überhaupt finanzielle Unterstützung für kulturelle
Veranstaltungen. Es scheint der ideale Partner für eine derartige
Veranstaltung, zumal für alle Institute des südosteuropäischen Raums dieses
Jahr ein Gender-Schwerpunkt ausgerufen wurde. Dass nicht alle der geladenen
PerformerInnen aus Berlin einen deutschen Pass haben - na klar, Berliner
Kunstszene -, ist für das Sendungsverständnis der Kulturinstitution kein
Problem. "Die Goethe-Institute sehen sich heute viel mehr als europäische
Kulturinstitute", erklärt Pöhlmann. "Unsere Kultur ist mittlerweile keine
nationale mehr, denn, und da stellt sich für mich der Bezug zu einem
aktuellen Jubiläum her, 1968 war nicht nur der Beginn moderner
Geschlechterkonzeptionen, sondern auch der Mobilität. "
Im Keller des dreistöckigen Clubs widmet der in Athen lebende amerikanische
Installations-Künstler FF seinen meditativ-stillen Auftritt zwischen
Mönchskutte und Abendkleid allen Transsexuellen, die von ihrer Religion
zurückgewiesen worden seien. Dies funktioniert in dem laut Pöhlmann immer
noch stark von der griechisch-orthodoxen Staatskirche dominierten Land als
ein ebenso großer Tabubruch wie die halbnackten bis komplett entblätterten
androgynen Körper, die sich in verschiedenen Konstellationen über die Bühne
des Hauptsaals wälzen, tanzen und singen. Eszter Salomon und Arantxa
Martinez intonieren als langhaarige Drag-Kings queer zu lesende Pophits im
minimalistischen Gewand, William Wheeler macht als in grüne Kunstwolle
gekleideter Alien den Borderstrip, und Namosh und Rhythm King and Her
Friends rocken mit ihren überbordenden Elektrodiskurspop-Varianten den
Saal.
Der 29-jährige Germanistikstudent Grigoris, mit seiner kessen grauen
Haartolle und seinem berlinischen Styler-Outfit ein bisschen ein junger,
schwuler George Clooney, gibt begeistert zu Protokoll, dass es so etwas
"Ungewöhnliches" in Athen bis dato noch nicht gegeben habe. Als Mitarbeiter
des Programmhefts, das in einer Art Guerilla-Pop-Aktion grafisch an die
zahllosen örtlichen Free Mags angelehnt und gratis verteilt wurde, hat er
die Texte ins Griechische übersetzt und musste dabei beim Begriff "Gender"
passen. Der sticht nun, wie auch "queer", "camp" und "drag", aus dem Meer
griechischer Zeichen lateinisch heraus.
Theo, ein Teil des schwulen Athener DJ-Duos Amateur Boys, als
selbsternannte DJ-Amateure bespielen sie alternative bzw. preisgünstige
Orte wie bulgarische oder polnische Diskotheken, glaubt zwar nicht, dass
das Festival ad hoc einen Aufschwung queerer (Sub-)Kulturen in der Stadt
bewirken wird, da die Sichtbarkeit und Vernetzung bis jetzt einfach noch
fehle. Aber auf Dauer, da ist er sich sicher, wird auch hier eine Umwälzung
stattfinden. SONJA EISMANN
9 Apr 2008
## AUTOREN
Sonja Eismann
## TAGS
Griechenland
## ARTIKEL ZUM THEMA
Lebenspartnerschaft für Homosexuelle: Endlich auch in Griechenland
Regierungschef Tsipras bezeichnet das neue Gesetz als Ende von
„Rückständigkeit und Schande“. Widerstand kam von konservativen
Abgeordneten und der Kirche.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.