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# taz.de -- Stasi-Aufklärung bei "Berliner Zeitung": Zweifelhafte Ermittler
> Nachdem bekannt ist, wer die Stasi-Verstrickungen bei der "Berliner
> Zeitung" aufklären soll, mehren sich Zweifel an der Unabhängigkeit der
> Experten.
Bild: "Meine Akten kriegt ihr nicht!"
Bei der Berliner Zeitung gibt es weiter erheblichen Unmut über die
dreiköpfige Forschungsgruppe, die im Auftrag von Chefredakteur Josef
Depenbrock bis Mai die Stasi-Verstrickungen des Blattes aufarbeiten soll.
"Bei etlichen Redakteuren sind Zweifel aller Art an der Eignung der Gruppe
aufgekommen", sagt Thomas Rogalla vom Redaktionsausschuss des Blatts der
taz. "Einige haben klar gesagt, die bekommen meine Akte nicht."
Am Dienstag hatte Chefredakteur Depenbrock die Gruppe der Universität
Viadrina unter Leitung von Rechtsanwalt Johannes Weberling im Verlag
präsentiert. Ihr gehören außerdem der Sporthistoriker Giselher Spitzer
sowie der Journalistikprofessor Wolfgang Stock an. Weberling war bis Mitte
1996 Personalchef des Berliner Verlags und hatte später entscheidend an der
bereits ab 1994 laufenden Studie "Willfährige Propagandisten" über den
Einfluss der Stasi auf die DDR-Presse mitgearbeitet. Dreizehn ehemalige
Stasi-Mitarbeiter der Berliner Zeitung wurden im Zug der Studie enttarnt.
Diese Aufarbeitung sei damals vom Gruner+Jahr-Konzern, zu dem der Berliner
Verlag bis 2005 gehörte, instrumentalisiert worden, sagen an der Studie
Beteiligte heute.
Weberling ist derzeit Gastprofessor an der Viadrina und leitet dort die
Arbeitsgruppe "Aufarbeitung und Recht", die sich mit der SED-Diktatur
befasst. Doch genau in den Jahren, um die es aktuell gehe, sei er
Personalchef beim Berliner Verlag gewesen und werde jetzt mit den
Vorkommnissen von damals konfrontiert, heißt bei Kritikern, die sich
fragen, wie hier nun "wissenschaftliche Unabhängigkeit" möglich sein soll.
Noch umstrittener ist die Rolle von Wolfgang Stock, von 1996 bis 1998
selbst Redakteur bei der Berliner Zeitung. Stock lehrt an der
Gustav-Siewerth-Akademie, einer staatlich anerkannten privaten Hochschule
in Baden-Württemberg. Diese hat laut Selbstdarstellung zum Ziel,
"abendländische Wertvorstellungen" zu vermitteln und "die nihilistischen
Züge des Zeitgeistes" zu kritisieren. Die Akademie bezeichnet als "weiteren
Arbeitsschwerpunkt" die "Aufhellung der wechselseitigen Abhängigkeit des
Marxismus/Neomarxismus (insbesondere der Frankfurter Schule) von der
neodarwinistischen Naturerklärung". Stock unterrichtet hier
Zeitungsjournalismus und Medienethik. Der 48-Jährige ist zudem Vorsitzender
des Brüsewitz-Zentrums, das an den Pfarrer Oskar Brüsewitz erinnert, der
sich aus Protest gegen das DDR-Regime 1976 selbst verbrannte. Das
Brüsewitz-Zentrum galt in Zeiten vor Stock lange als rechtslastig.
Ursprünglich hatten sich vergangene Woche 85 von 90 anwesenden
RedakteurInnen bei einer Vollversammlung bereit erklärt, Akteneinsicht bei
der Stasi-Unterlagenbehörde zu beantragen. Zwei Mitarbeiter stimmten
dagegen, zwei enthielten sich, eine Stimme war ungültig.
Nun ist diese Stimmung teilweise gekippt. Der Redaktionsausschuss habe
Chefredakteur Depenbrock davon unterrichtet, aber noch keine Antwort
erhalten, sagte Rogalla gestern Nachmittag. Der Ausschuss hat zudem
vorgeschlagen, parallel zur Weberling-Kommission gemeinsam mit der
Chefredaktion einen Ehrenrat aus externen, unabhängigen und angesehenen
Persönlichkeiten zu berufen. Zwar habe Depenbrock ein solches Gremium
bislang abgelehnt, schließe es jetzt aber in Einzelfällen nicht mehr aus,
heißt es im Berliner Verlag.
Was bleibt, ist ein kaum zu lösender Generalkonflikt: Das gegenseitige
Misstrauen zwischen Redaktion und Chefredakteur sitzt tief. Doch nun finden
sie sich in einer Situation wieder, in der es nur mit gegenseitigem
Vertrauen weitergeht.
11 Apr 2008
## AUTOREN
S. Grimberg
K. Raab
## TAGS
Schwerpunkt Gentechnik
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