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# taz.de -- Dialekt im deutschen Fernsehkrimi: Kommissar Mundart
> Während jüngst die Falschmeldung die Runde machte, die EU wolle
> fremdländische TV-Ware nur untertitelt zulassen, leistet sich der
> deutsche Krimi Heimatklänge.
Bild: Ohne Rrrr: Wirt Höcki in "Lutter" .
Es sieht in Krimis ja immer ganz lässig aus, wenn Ermittler ihre Pinnwände
mit Crime-Scene-Close-Ups tapezieren. Manch einer der Cops streut sie gar
nach Feierabend auf seinem Bett aus und pennt darauf ein. Anders
Hauptkommissar Tauber (Edgar Selge): Der schläft schon lange nicht mehr
ein, und statt Tatort-Fotos hat er Karteikarten aufgehängt, die minutiös
den Ort des Verbrechens beschreiben. Er kann das Blut nicht mehr sehen.
Der aktuelle Fall war ein amtliches Massaker: Ein Ehepaar und ihr Sohn
wurden zerlegt, die Tochter (Nadja Bobyleva) war über Nacht bei Freunden,
und Tauber hat den Fehler begangen, ihr zu versprechen, den Fall
aufzuklären. Also kippt er Koffeingetränke in sich hinein und wird immer
dünnhäutiger. Professionalität sucht man beim Choleriker Tauber vergeblich,
jeder Fall wird zu einer Zumutung, Kollegin Obermaier (Michaela May)
versucht ihn gar aus dem Polizeidienst entfernen zu lassen.
Wunderbar, wie den Laborverwaltern und Alles-Checkern des "CSI"-Zeitalters
im Münchner "Polizeiruf" immer wieder eine Art geballte Überforderung
entgegengesetzt wird. Der Ermittler wird in die moderne Arbeitswelt
geworfen, jetzt muss er sich alleine durchschlagen.
Der Bayerische Rundfunk ist ja sowieso sehr gut darin, in seinen Krimis dem
Zeitgeist zu trotzen, ohne rückwärts gewandt zu wirken. Ist zum Beispiel
auch das Mundartliche im deutschen TV-Krimi auf dem Rückzug - in Bayern
pflegt man das örtliche Idiom. So werden regionale Eigenarten gewahrt,
während die jeweiligen Ermittler doch auf höchst aktuelle Weise als Player
einer globalisierten Welt in Szene gesetzt werden. Das lässt sich
vortrefflich an den Wurstsemmelermittlern des Münchner "Tatorts" studieren
- und jetzt auch an einer neuen Reihe mit Heimatkrimis. Zum Auftakt, am
Samstag in "Freiwild", agiert recht überzeugend Thomas Schmauser mit
fränkischem Dialekt als Hauptkommissar Haller in Würzburg. Im ersten Fall
geht es um den Mord an einem Au-Pair-Mädchen aus der Dritten Welt, das im
katholischen Milieu nicht nur auf Nächstenliebe gestoßen ist. Bald soll es
in andere wenig medienaffine Regionen gehen.
Mundartlich und doch modern, ortsbezogen und doch variabel: Der BR macht
vor, wie man geschickt das pseudomodernistische Profiler-Einerlei
durchbricht. Bleibt zu hoffen, dass uns die Ermittler vom Münchner
"Polizeiruf" noch erhalten bleiben. Mit der aktuellen Folge, vom
"Rose"-Team Alain Gsponer (Regie) und Alex Buresch (Buch) als Psychokrimi
über die Verwüstungen des Ermittleralltags in Szene gesetzt, schwindet
indes die Hoffnung, dass Tauber noch lange durchhält. Am Ende malt der
Einarmige im Sanatorium am See Landschaftsbilder.
11 Apr 2008
## AUTOREN
Christian Buss
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