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# taz.de -- Papst Benedikt XVI besucht die USA: "We are Pope!"
> Der Papst liebt Amerika, aber er hasst die Amerikanisierung. Jetzt
> besucht das Oberhaupt der Katholiken die Führungsmacht der christlichen
> Welt.
Bild: "Here I come, my little Lambs!"
Der Papst in Amerika - was für eine Begegnung! Amerika, das ist für den
Papst einerseits die Führungsmacht der christlichen Welt, das Land, dem
seine Gründerväter strikte Religionsfreiheit und die Trennung von Kirche
und Staat in die Verfassung geschrieben haben, das aber von Gläubigkeit und
Spiritualität geprägt wird. Fast jeder Zweite glaubt dort an die
buchstäbliche Wahrheit der Bibel, kaum ein Mensch wäre bereit, jemanden zum
Präsidenten zu wählen, der nicht an Gott glaubt, und "God bless you" gehört
zum Standardrepertoire jeder Politikerrede. Aber Amerika ist auch das Land,
aus dem alles Schreckliche kommt, der Relativismus der Massenkultur, der
Nihilismus, Kommerz und Konsumismus. Benedikt XVI. liebt Amerika. Benedikt
XVI. hasst Amerika.
Er wird vor der UNO in New York sprechen und der Welt ins Gewissen reden,
als Höhepunkt der Pontifex-Visite gilt aber jetzt schon das Gebet, das der
Papst auf Ground Zero halten wird. Danach wird er die Todeszone des 11.
September segnen. Natürlich wird er auch Präsident George W. Bush treffen.
"Der amerikanische Papst", titelt das Nachrichtenmagazin Time zur Begrüßung
des Pontifex - klingt fast wie "We are Pope!" Erstaunlich ist das zunächst
deshalb, weil die amerikanischen Katholiken nicht nur von Skandalen und
Krisen gebeutelt sind, sondern auch, weil sie seit je eine Minorität im
Land sind. Nicht einmal 25 Prozent der Amerikaner sind Katholiken. 51
Prozent sind Protestanten. Und aufgrund der wachsenden Politisierung der
Evangelikalen gerieten die Katholiken in der öffentlichen Wahrnehmung noch
mehr ins Hintertreffen. Aber das ist nur die eine Hälfte der Wahrheit. Die
andere Hälfte: Mit dem Bedeutungsverlust der "Traditionsreligiosität" sind
die Grenzen der Konfessionen nicht mehr gar so trennscharf. Man hat
gemeinsame Gegner: den Werterelativismus, die Homo-Ehe, die liberale
Abtreibungsregelung, die linken Ungläubigen in New York und den anderen
Metropolen. George W. Bush, eigentlich ein Protestant, hat sich immer
wieder auf Reden von Johannes Paul II. bezogen und mit signifikant vielen
frommen katholischen Redenschreibern umgeben. "Man kann George W. Bush den
ersten katholischen Präsidenten der USA nennen", schrieb die Washington
Post am Wochenende mit leiser Ironie.
Benedikt XVI. wiederum hat eine Idee, ein Idealbild von Amerika im Kopf:
das Bild von einer optimistischen, vitalen und vor allem frommen
Gesellschaft, in der "der Glaube und glaubensbasierte Konversation" auch in
politischen Fragen lebendig geblieben sind, urteilt Time. Amerika sei für
den Papst ein "Modell und eine Inspiration für seine europäische Heimat".
In Amerika, so Ratzinger selbst, habe man die "offenkundigen spirituellen
Fundierungen" nie aus den Augen verloren - die christlichen Wurzeln der
Nation. Schlussendlich sieht der Papst Amerika auch in der Konkurrenz der
Weltreligionen als die christliche Supermacht - nicht zuletzt in der
Auseinandersetzung mit dem Islam. Der Papst glaubt an den "Kampf der
Kulturen", da soll man sich nichts vormachen - er ist bloß nicht dafür, ihn
mit Marschflugkörpern und Sprengstoffgürteln auszutragen.
Dumm nur, dass der "amerikanische Geist", der Individualismus und der
unternehmerische Optimismus, mögen sie ursprünglich auch von der
Frömmigkeit gläubiger Siedler inspiriert worden sein, längst nicht bloß mit
christlichen Tugenden verbündet sind, sondern eher mit Lastern. Die Spar-
und Investitionsgesinnung der "protestantischen Ethik", für Max Weber noch
Triebfeder des Kapitalismus, ist in der Konsumgesellschaft passé. "In God
we trust", die Botschaft auf den Dollarscheinen, ist nur mehr nostalgische
Reminiszenz. Heute lebt der Kapitalismus vom ungezügelten Konsum, verdient
macht sich um diese Wirtschaftsweise nicht der Asket, sondern wer Tonnen
von Fastfood in sich hineinstopft, ein Privatflugzeug anschafft oder
Hardcore-Pornos guckt. Der "Geist" des Konsumkapitalismus, somit das, was
man heute so salopp "Amerikanismus" nennt, ist von der Gewissheit beseelt,
dass jedes Begehren berechtigt ist und dass der Markt die Güter
bereitstellt, um es zu stillen. Wer, wie Benedikt XVI., den
"Werterelativismus" zur schlimmsten Todsünde unserer Zeit erklärt, kann
darüber nicht hinwegsehen.
Oder vielleicht doch? Das Geschäft mit dem Papstbesuch blüht jedenfalls. So
kann man auf [1][www.papalvisit2008.com] einen süßen weißen Bären kaufen,
der einen kleinen Sweater mit der Aufschrift trägt: "Christ Is Our Hope".
Amerikanismus und Christentum, oder einfacher formuliert: Pray and Pay.
15 Apr 2008
## LINKS
[1] http://www.papalvisit2008.com
## AUTOREN
Robert Misik
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