# taz.de -- Kommentar Frühjahrsgutachten: Hoffen auf den Kaufrausch | |
> Das Frühjahrsgutachten zur Konjunktur ist wiederspüchlich: Es wird ein | |
> Wachstum von 1,8 Prozent erwartet. Das soll der Verbraucher schaffen - | |
> doch dafür braucht er mehr Geld. | |
Eine erstaunliche Nachricht: Um 1,8 Prozent soll die deutsche Wirtschaft in | |
diesem Jahr wachsen. So prognostiziert es das Frühjahrsgutachten der | |
Forschungsinstitute. Schön wärs ja - aber wo soll dieses Wachstum | |
herkommen? Das bleibt selbst in der Expertise zunächst rätselhaft, denn | |
sehr ausführlich werden die Konjunkturrisiken aufgezählt: der steigende | |
Euro, die Finanzkrise in den USA, die schwächere Weltkonjunktur, die hohen | |
Kosten für Nahrungsmittel und Energie. Doch inmitten dieser eher düsteren | |
Aussichten entdecken die Institute dann doch noch einen Lichtblick: den | |
privaten Konsum. Er soll kräftig zulegen. | |
Diese Prognose ist gewagt. Denn bisher ist Deutschland nicht durch eine | |
boomende Binnennachfrage aufgefallen. Im Gegenteil: Die Bürger sparen | |
lieber; selbst Weihnachten zieht ihnen kaum noch Geld aus der Tasche. Und | |
jetzt sollen die Deutschen in einen Kaufrausch verfallen? | |
Auch den Forschungsinstituten ist nicht entgangen, dass sie mit ihrer | |
Konsumthese einen völlig neuen Trend proklamieren, von dem bisher noch | |
nichts zu sehen ist. Aber der Blick der Wirtschaftsforscher reicht eben | |
weiter: Sie berücksichtigen bereits, dass die Renten steigen sollen, das | |
Arbeitslosengeld I verlängert wird, die Hartz-IV-Leistungen ein wenig | |
zunehmen und auch die Tarifabschlüsse besser ausfallen. Und höhere | |
Einkommen, so die Logik, setzen sich in mehr Konsum um. | |
Der postulierte Zusammenhang zwischen Realeinkommen, Konsum und Wachstum | |
ist durchaus plausibel. Im Frühjahrsgutachten aber führt dies zu | |
eigentümlichen Widersprüchen. Als würden die Forschungsinstitute ihre | |
Textbausteine unverbunden nebeneinanderkleben, wird dort gleichzeitig an | |
den neoliberalen Glaubensgrundsätzen festgehalten: bloß keine Mindestlöhne | |
oder Eingriffe in die Rentenformel! Und bitte Lohnzurückhaltung, um die | |
deutsche Wettbewerbsfähigkeit auf dem Weltmarkt nicht zu gefährden! | |
Es ist paradox: Da wird offen eingestanden, dass Wachstum nur zu haben ist, | |
wenn erhöhte Realeinkommen zu mehr Konsum führen. Und gleichzeitig wird vor | |
steigenden Realeinkommen gewarnt. Wohl noch nie ist ein so seltsames | |
Frühjahrsgutachten erschienen. | |
17 Apr 2008 | |
## AUTOREN | |
Ulrike Herrmann | |
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