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# taz.de -- Der Papst in den USA: Beten mit Priester-Opfern
> Die Ehrenrettung des Katholizismus: Auf seiner USA-Reise spricht Papst
> Benedikt XVI. überraschend mit Opfern von priesterlichem
> Kindesmissbrauch. Rührung seitens der Betroffenen
Bild: Auf heiliger Mission: Papst Benedikt XVI.
Der Papst hat bei seiner Reise in die USA in dieser Woche alle Erwartungen
übertroffen. Die waren allerdings von vornherein extrem niedrig angesetzt:
Nicht einmal die katholische Kirche der USA hatte vor der Abreise Benedikts
XVI. nach Washington Anzeichen im Vatikan dafür erkennen können, dass er
endlich das schwierigste und drückendste Thema, die pädophilen
Entgleisungen von Priestern, ansprechen würde. Durch sein unangekündigtes
Zusammentreffen mit sechs Opfern sexuellen Missbrauchs ist Benedikt am
Donnerstag also ein Überraschungscoup gelungen. Schon auf dem Flug von Rom
nach Washington hatte er erklärt, er sei "zutiefst beschämt".
Sein Vorgänger, Karol Wojtyla, hatte die in die Tausende gehenden
Missbrauchsfälle weitgehend ignoriert. Den Bischof der Bostoner Erzdiözese,
von der aus der Skandal im Jahr 2000 seinen Lauf nahm, nachdem ein
pädophiler Serientäter unter den Klerikern identifiziert worden war, holte
Wojtyla sogar in den Vatikan und damit aus der Schusslinie. Und von den
US-Bischöfen, die nach Meinung von US-Opferverbänden mehr Energie ins
Kaschieren der Fälle setzten als in deren Aufklärung, ist bislang kein
Einziger disziplinarisch vom Vatikan belangt worden.
Der Papst habe sich überraschend viel Zeit für die Begegnung mit jedem
einzelnen Opfer genommen, hieß es. Er habe ihnen unter vier Augen Mut und
Hoffnung zugesprochen und schließlich mit allen gemeinsam gebetet. Einige
seien weinend von der Begegnung gekommen, die in der Kapelle der
Washingtoner Vatikanbotschaft stattfand, sagte Vatikansprecher Federico
Lombardi. Bernie McDaid, der als Messdiener von einem Priester sexuell
belästigt worden war, erklärte dem Fernsehsender CNN später, er habe dem
Papst gesagt: "Es war nicht nur sexueller Missbrauch, es war auch
spiritueller Missbrauch. Und ich will, dass Sie das wissen." Benedikt habe
zuerst zu Boden geblickt, dann ihm ins Gesicht und habe ihm geantwortet:
"Ich weiß, was du meinst." Es sei ein sehr emotionaler Augenblick gewesen.
"Ich habe ihm gesagt, dass er ein Krebsgeschwür in seiner Kirche hat und
etwas dagegen tun muss", berichtete ein anderer Teilnehmer. Er habe das
Gefühl, dass es eine reale Hoffnung gebe, dass das Problem nun endlich
angepackt werde.
Laut einer Studie, die die US-Bischöfe im Jahr 2004 in Auftrag gegeben
hatten, wurden in den Vereinigten Staaten rund 5.000 Priester glaubwürdig
beschuldigt, Minderjährige missbraucht zu haben. Das sind rund 4 Prozent
aller Priester, die seit 1950 im Dienst der US-katholischen Kirche standen.
Die Kirche hat inzwischen mehr als 2 Milliarden Dollar (1,3 Milliarden
Euro) Schmerzensgeld gezahlt. Der Skandal nahm landesweite Dimensionen an,
als der Fall eines geistlichen Serientäters in Boston viele Opfer
ermutigte, ebenfalls ihre Geschichte öffentlich zu machen. Die Kosten des
Skandals brachten sechs Diözesen in die Zahlungsunfähigkeit und leerten
landesweit die Kassen der US-Kirche. Joseph Ratzinger, der heutige Benedikt
XVI., hatte sich als Präfekt der Glaubenskongregation des Vatikans und
damit als Zuständiger für Beschwerden gegen Priester mit den
Missbrauchsfällen befasst. Das habe ihn anscheinend "tief geprägt", schrieb
die liberale Wochenzeitung National Catholic Reporter. Als "deprimierend"
bezeichnete hingegen Mary Gail Frawley-ODea, eine Psychologin aus
Charlotte, die mit Missbrauchsopfern der Kirche arbeitet, die Haltung des
Papstes. Es sei absurd, zu erklären, dass in Zukunft Pädophile von den
Priesterseminaren ausgeschlossen würden. "Es gibt doch keinen einzigen
Test, um das im Vorhinein zu erkennen", kritisierte Frawley-ODea gegenüber
der Washington Post. Das zentrale Problem sei nie der Missbrauch an sich
gewesen. "Das zentrale Problem war immer, welche Antwort man bekommt, wenn
man einen Missbrauch meldet."
18 Apr 2008
## AUTOREN
Adrienne Woltersdorf
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