| # taz.de -- Kommentar Papst in USA: Mission durch Selbstkritik | |
| > Was Papst Paul seinerzeit nicht anging, machte nun Benedikt: Er sprach | |
| > die Missbrauchsskandale in den USA an. Denn die lasteten schwer auf dem | |
| > Image der größten US-Kirche. | |
| Die sechstägige Reise Papst Benedikts in die USA stand ganz unter dem Motto | |
| der Reparatur. Was sein Vorgänger, Karel Wojtyla, nicht angemessen anfassen | |
| wollte, musste Joseph Ratzinger nun endlich angehen. Und er hat sie zur | |
| Überraschung aller demonstrativ angesprochen - die pädophilen | |
| Missbrauchsskandale. Bisher mussten die Täter kaum je mit ernsthaften | |
| Konsequenzen rechnen. Vielen Bischöfen war nicht daran gelegen, öffentlich | |
| über MIssbrauch in der Kirche zu sprechen. | |
| Der neue Pontifex hat sich während seines USA-Besuchs auf eigenen Wunsch | |
| mit einigen Opfern getroffen - ein Zeichen, das seine knapp 200 Bischöfe | |
| nun zu Sanktionen nötigen wird. Ein Kardinal deutete bereits an, dass das | |
| entsprechende kanonische Recht eventuell geändert würde. Was genau der | |
| Papst im Sinn hat, ist allerdings noch unklar. | |
| Der Papst hat die Heilung seiner Kirche in den USA ganz offensichtlich in | |
| den Mittelpunkt seiner Mission gestellt. Die Zahlen legen nahe, warum | |
| dieses Anliegen Priorität haben musste: Die katholische Kirche in den USA | |
| ist dort zwar mit rund 65 Millionen Gläubigen noch immer die größte | |
| Einzelkirche. Allerdings leidet keine US-Kirche so sehr unter Abwanderung. | |
| Sechs von zehn Gläubigen wurden als Katholiken getauft - und wandten sich | |
| dann anderen Kirchen zu. Gäbe es die Migranten aus Lateinamerika nicht, | |
| wäre die Kirche schon heute auf einen traurigen Haufen zusammengeschrumpft. | |
| Gleichzeitig hat der Papst in den USA eine neue religiöse Perspektive | |
| ausgemacht. Anders als das säkulare Europa sind die Amerikaner tief | |
| religiös. In der katholischen Kirche gibt es zwar viele schwarze Schafe - | |
| aber immerhin noch Schafe. So waren die übrigen päpstlichen Botschaften an | |
| das Weiße Haus und die UN eher sanft gehalten und vatikanische | |
| Standardrhetorik. Keine Rede von Guantánamo oder dem Irakkrieg. Als Ort der | |
| Hoffnung und der Freiheit lobte Benedikt ein ums andere Mal die | |
| US-Gesellschaft. Das hat der verunsicherten Nation gut gefallen - und | |
| dürfte der Kirche, trotz der notwendigen Selbstkritik, neuen Aufschwung | |
| geben. | |
| 20 Apr 2008 | |
| ## AUTOREN | |
| Adrienne Woltersdorf | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Abschluss des USA-Besuchs: Papst betet auf Ground Zero | |
| Benedikt XVI. hält Fürbitte für die Attentäter. Der Besuch in einer | |
| Synagoge verläuft ohne Debatte über Konflikte wegen des Karfreitagsgebets. |