# taz.de -- Generationendebatte unter Feministinnen: Von Frau zu Frau | |
> Der Schlagabtausch zwischen Alice Schwarzer und den "Alphamädchen" kommt | |
> nicht aus ohne Beleidigungen - doch hinter ihm stecken ernsthafte Fragen. | |
Bild: Jana Hensel und Elisabeth Räther: zwei "Alphamädchen". | |
So ein symbolischer Muttermord hat seine Tücken. Vor allem, wenn die Mutter | |
Alice Schwarzer heißt. Die nämlich ist trotz diverser Mordanschläge | |
quicklebendig und haut nach Kräften zurück. Nun bekommen also die | |
Alphamädchen Dresche, die sich zumeist in irgendeiner Form von Schwarzer | |
abgegrenzt haben: Als der derart Gekränkten vergangenen Sonntag der | |
Börne-Preis verleihen wurde, legte sie in ihrer Dankesrede los: Die "späten | |
Mädchen" einer "medial lancierten Girlie-Welle" trügen zur "Verluderung des | |
Feminismus" bei, weil sie für "Fair Trade Puffs" und Pornografie seien und | |
nur noch "Wellness-Feminismus" zustande brächten. Sie stellte klar: "Ich | |
habe nicht die geringste Absicht, diese Art neudeutscher Mädchen zu | |
vertreten." | |
Und die Töchter: schreiben zurück. Zum Teil wiederum beleidigt und | |
beleidigend. So berufen sich die Autorinnen der "Neuen deutschen Mädchen", | |
Jana Hensel und Elisabeth Räther (auf [1][sueddeutsche.de]) auf einen | |
saublöden Vergleich Harald Schmidts: Mit Schwarzer sei es wie mit | |
Beckenbauer: "Wir werden nie vergessen, dass sie den Feminismus nach | |
Deutschland geholt hat, aber aus dem Tagesgeschäft soll sie sich bitte | |
heraushalten." Da haben wir ihn, den symbolischen Muttermord. Pikanterweise | |
vorexerziert von einem Mann. | |
Die Autorinnen von "Wir Alphamädchen" dagegen versuchen in der Süddeutschen | |
Zeitung vom 7. Mai zu argumentieren: Feminismus heute heiße eben auch | |
Pornorap von Lady Bitch Ray, Feuchtgebietsexkursionen von Charlotte Roche | |
und ja, auch Wellness-Feminismus: Schließlich wollten sie sich wohl fühlen | |
in der Gesellschaft. Wofür die Mädchen am Donnerstag ebenfalls in der SZ | |
gleich wieder eins auf den Deckel bekamen, diesmal von einer | |
Generationsgenossin: Das sei kein ordentlicher Feminismus. | |
So weit, so anstrengend. Doch hinter dem leicht idiotisch anmutenden | |
Streit, wer die richtigere Feministin ist, stecken ernsthafte Themen, die | |
mit Generationen nur bedingt zu tun haben: Schwarzer ist immer | |
Radikalfeministin geblieben, in der Tradition von Kate Millett, Catherine | |
MacKinnon und Andrea Dworkin. Für die ist männliche Gewalt das Konstituens | |
unserer Gesellschaft, quasi überhistorisch und ubiquitär. In dieser Lesart | |
sind Frauen per se immer die Opfer. Das aber ist eine Auffassung, die auch | |
viele Feministinnen aus Schwarzers Generation schon lange kritisieren. | |
Für die nachfolgenden Generation ist sie noch weniger nachvollziehbar, weil | |
diese schon einige Siege im Geschlechterkampf erlebt haben. Sie fragen also | |
eher pragmatisch, was zu tun bleibt. Das Tremolo des ewigen Opfers ist | |
verschwunden, weil die Opfer sich in vielen Lebenslagen ganz gut helfen | |
können. Sie definieren sich nun einen neuen Feminismus zurecht. So what?, | |
möchte man sagen: Es ist schließlich noch genug Patriarchat für alle da. | |
Dass sich diese Differenzen nun teilweise als Generationenkonflikt | |
arrangieren, muss tatsächlich auch etwas mit einem symbolischen Muttermord | |
zu tun haben, einem verschärften Abgrenzungsbedürfnis gegen die | |
Müttergeneration. Was einen bei diesen Ritualen à la Hensel allerdings | |
schaudern lässt, ist die Ignoranz, mit der patriarchale Klischees über die | |
alte Frauenbewegung übernommen werden. An solchen Stellen wird deutlich: Da | |
konkurrieren eben auch junge Frauen gegen ältere - im Bewusstsein, dass der | |
sexy Jugend eben die Aufmerksamkeit des männlichen Blicks sicher ist. | |
Interessant daran: Nun werden also auch unter Frauenhorden Muttermorde | |
begangen, so wie in Männerhorden schon immer Vatermorde betrieben wurden. | |
Und doch bleibt der Muttermord sehr viel tückischer. Ein Muttermord im | |
Patriarchat kennt immer einen lachenden Dritten: Männer. Der Ödipus-Komplex | |
lässt sich nicht einfach umdrehen: Ödipus tötet den Vater, um die Mutter zu | |
bekommen. Alphagirls, die ihre Mutter töten, stehen dann mit dem Papa | |
allein da. Wenn den Muttermörderinnen am Ende nur noch Harald Schmidt | |
bleibt, dann werden sie ganz schön nach der Mama weinen. | |
9 May 2008 | |
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[1] http://sueddeutsche.de | |
## AUTOREN | |
Heide Oestreich | |
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