Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kolumne In Fußballland: Sie sind da, wo oben ist
> Was passiert, wenn man auf einen Berg fährt, um mehr über den EM-Kader zu
> erfahren, und dabei vor ein Rätsel gestellt wird.
Manchmal lehrt der Fußball, dass man in U-Bahnen zu Bergspitzen fahren
kann, unsere Kinder nicht mehr schüchtern sind und was es Neues von Lothar
Matthäus gibt. Wobei der Begriff U-Bahn vielleicht irreführend ist, denn
zur Zugspitze hinauf fährt eine Zahnradbahn, die sich auf einer Strecke von
fast fünf Kilometern durch einen Tunnel nach oben schlängelt.
Ich finde das gruselig, obwohl ich eher Höhen- als Platzangst habe, fahre
aber gerne durchs Gestein. Schließlich ist in der Welt des Fußballs längst
jeder umgefallene Sack Reis wichtig geworden, und das gilt für die
Präsentation des vorläufigen EM-Kaders der deutschen Nationalmannschaft
erst recht. Weil jeder halbwichtige Kram auch noch symbolisch beladen wird
wie ein Schwertransporter, wird eine Europameisterschaft zur Bergtour, bei
der man hoch hinauswill, am besten zur Spitze. Auf den höchsten Berg des
Landes.
Also sitzen wir in der Zahnradbahn, die wie eine Tram aussieht, und fahren
durch den Berg. Es wird Zeit für die ersten Kalauer.
"Herr Bierhoff, wissen Sie schon, wo der vorläufige Kader für die WM 2010
in Südafrika präsentiert wird?"
"Nein, haben Sie einen Vorschlag?"
"Wie wärs im Safaripark Stukenbrock?"
"Dann doch besser auf dem Tafelberg."
Christian Neureuther erklärt, wie schön Skifahren ist, was ich ihm gerne
glauben möchte, immerhin hat er es darin weit gebracht und Rosi Mittermeier
geheiratet. Die macht auch einen sehr netten Eindruck, ähnelt erstaunlicher
Weise aber in der Körperhaltung Gerhard Mayer-Vorfelder. Doch wo ist
eigentlich Lothar Matthäus? Er ist als Letzter gekommen, jetzt aber in
einem hinteren Waggon verschwunden, obwohl er Familie mitgebracht hat.
Seine Freundin Kristina Liliana wirkt gut erholt von der Brustoperation,
die sie im März in einer Wiener Schönheitsklinik hatte vornehmen lassen.
Auf dem Weg nach oben hat das 20 Jahre alte Model ihre Mutter, die ein
Fotograf irrtümlich für ihre Schwester hält, und ihre Großmutter
mitgebracht. Warum sie diesen Trip eigentlich machen und warum Matthäus
gekommen ist, erschließt sich nicht. Muss ja auch nicht. Schön, ihn mal
wiedergesehen zu haben.
Zum letzten Mal ins Bild gerät er auf dem Zugspitzplateau, wohin ein
Sponsor der deutschen Nationalmannschaft einen Wagen gebracht hat. Markus
Babbel und Thomas Helmer sind auch da, es dürfen Fotos gemacht werden, die
aber sowieso niemand abdrucken wird außer in der Betriebszeitung des
Sponsors. Egal, denn es gibt Sekt, O-Saft und eine tolle Aussicht. Wo ist
eigentlich Österreich?
Die Gipfelstation ist ein Pressezentrum mit Fernsehstudio, und als eine
Kamera knapp an meinem Kopf vorbeifliegt, möchte ich doch nicht hier oben
ableben, auch wenn das auf dem Gipfel wäre. Dann kommt eine Aufführung mit
Kindern, die Trikots mit den Namen der Spieler tragen, die zum vorläufigen
Kader gehören. Man kann das live im Fernsehen verfolgen, und ich rätsele,
warum mir dazu das Wort "Krippenspiel" einfällt.
Schön, dass unsere Kleinen nicht mehr so schüchtern sind. Das Kind Enke
fragt den Bundestrainer sofort, ob er ein Autogramm haben kann. Das Kind
Fritz kennt den Spieler gar nicht und mault darüber. Das Kind Borowski, ein
Mädchen, findet Borowski nicht gut. Ein Kollege erklärt dem Kind Jones
später, dass Jermaine Jones mal ein toller Spieler wird. Das Kind schaut
ungläubig. Ich erkläre ihm, dass er dem Kollegen nicht glauben soll.
Schalker hätten immer so einen Missionierungsdrang.
Als Bundestrainer Löw nach Abschluss der Übertragung vom Podium steigt,
sagt er freundlich grinsend: "Na." Ich antworte: "Tja, interessant." Weil
das noch kein richtig großer Dialog ist, legt Löw nach. "Wissen Sie, was
mein Großvater früher über die Brautschau gesagt hat?" - "Nee." - "Nimm ne
Schöne, ne Wüste frisst auch viel."
Leider brauche ich ein paar Minuten, bis ich verstanden habe, was für ein
schräger Witz es ist, diesen mit viel Tamtam inszenierten Event und eine
schwarzwäldische Bauernweisheit kurzzuschließen. War schön auf der
Zugspitze. Tafelberg, here we come!
28 May 2008
## AUTOREN
Christoph Biermann
## ARTIKEL ZUM THEMA
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.