# taz.de -- Kein Ort für Postfeminismus: Schwarzer ekelt "Emma"-Chefin raus | |
> Von wegen "neuer Feminismus": Chefredakteurin Lisa Ortgies verlässt | |
> "Emma" genervt nach zwei Monaten. Alice Schwarzer übernimmt wieder das | |
> Kommando - und tritt kräftig nach. | |
Bild: Zu undogmatisch für Emma: Lisa Ortgies. | |
Die Liaison dauerte keine zwei Monate. Und endet mit einem gehörigen Tritt | |
für für die kurzzeitige Emma-Chefredakteurin Lisa Ortgies: "Zu unserem | |
Bedauern eignet sich die Kollegin nicht für die umfassende Verantwortung | |
einer Chefredakteurin", heißt es in der Pressemitteilung Alice Schwarzers, | |
Herausgeberin der feministischen Zeitschrift. Ein öffentliches Urteil, das | |
mit den üblichen Verschwiegenheitsgepflogenheiten in Arbeitsverhältnissen | |
schlecht zu vereinbaren sein dürfte. | |
Offenbar war das Nachtreten auch eine Reaktion darauf, dass Ortgies | |
Schwarzer - nicht ganz freiwillig - zuvorgekommen war. Die 42-Jährige | |
bestätigte am Donnerstagabend, was dpa offenbar bereits wusste: sie werde | |
den Posten, den sie erst Anfang April angetreten hatte, wieder verlassen. | |
Auch der Ärger darüber spricht aus den Zeilen Schwarzers: "Dies hätten wir | |
selbstverständlich lieber intern und kollegial geregelt, reagieren jedoch | |
hiermit auf den für uns unerwarteten und überraschenden gestrigen Schritt | |
von Frau Ortgies", schreibt sie. Schwarzer wird nun vorerst das Ruder | |
wieder übernehmen. | |
So richtig verwundern mag die Schnellscheidung nach der Kurzehe | |
Ortgies/Schwarzer nicht. Mitte Dezember 2007 hatte Schwarzer die | |
Nachfolgeregelung in einer Talkshow bekannt gegeben - ohne Rücksicht auf | |
Ortgies, die sich aus familiären Gründen vorerst Schweigen über die | |
Personalie erbeten hatte. Vor diesem Hintergrund klang etwas bedrohlich, | |
dass Schwarzer zugleich ankündigte, "selbstverständlich" weiter als | |
"Inspirateurin und Autorin" präsent zu bleiben. | |
Wie das gehe sollte, war damals bereits rätselhaft. Zu unterschiedlich | |
schienen das Pathos Schwarzers und das spielerische Herangehen von Ortgies, | |
die unumwunden schrieb: "Das Image des Feminismus ist ziemlich | |
abschreckend. Was ihm fehlt, sorry, ist Humor und Sexappeal." | |
Ortgies und Schwarzer haben sich in Rekordzeit an diesem Konflikt | |
aufgerieben. Das Thema "neuer Feminismus" etwa ist für Ortgies eine Chance, | |
für Schwarzer eine Bedrohung: Dieser sei eine "Verluderung des Feminismus", | |
schleuderte sie kürzlich den jungen "Alphamädchen" entgegen, die sich von | |
ihr abgrenzen. | |
Dabei bemüht sich Emma seit einiger Zeit, den Anschluss an die jungen | |
Frauen nicht zu verlieren. In der aktuellen Ausgabe etwa wird auf die | |
amerikanische Debatte über die "dritte Welle" des Feminismus Bezug | |
genommen, die in den Popfeminismus-Magazinen bitch und bust diskutiert | |
wird. Aus letzterem druckte die Emma etwa ein Generationengespräch zwischen | |
der US-Feminismusikone Gloria Steinem und LeTigre-Sängerin Kathleen Hanna | |
nach. Lisa Ortgies selbst führte ein Doppel-Interview mit einem | |
Onlinesex-süchtigen Mann und seiner Frau. Zwei Perspektiven! In der Emma | |
bisher eine Seltenheit. Doch die Diskussion um eine solch sanfte | |
Erweiterung der Linie soll derart unerquicklich gewesen sein, dass Ortgies | |
das Handtuch warf. | |
Für Radikalfeministin Schwarzer prägt nach wie vor das Paradigma der Gewalt | |
die Geschlechterbeziehungen. Mit dieser Perspektive läuft man leicht | |
Gefahr, Männer pauschal zu Tätern und Frauen zu Opfern zu machen. Schwarzer | |
selbst kam dabei bisher eine Art Unfehlbarkeitsdogma zu. Weshalb gerne mal | |
geradezu antike Texte von ihr wieder abgedruckt werden: "Dieser Text wurde | |
1984 geschrieben. Es gibt darüber hinaus nichts zu sagen. Und es ist in den | |
vergangenen 24 Jahren nur schlimmer geworden", hieß es kürzlich zum Thema | |
Schlankheitswahn. | |
Diesen Emma-Sound werden wir bis auf weiteres nun wieder öfter vernehmen. | |
Der Versuch, aus Emma ein diskutierendes statt diktierendes Organ des | |
deutschen Feminismus zu machen, ist vorerst gescheitert. Ortgies dagegen | |
könnte nun eine von ihr mal im Scherz entworfene Perspektive verfolgen: | |
Konflikte mit dominanten Chefinnen, schlug sie vor, solle man mediengerecht | |
inszenieren und hinterher einen Bestseller draus machen. Den Stoff für den | |
Bestseller sollte sie nun beisammen haben. | |
31 May 2008 | |
## AUTOREN | |
Heide Oestreich | |
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