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# taz.de -- Dietmar Daths Essay "Maschinenwinter": Lenin 2.0
> Das Feuilleton streitet für den Sozialismus: Dietmar Daths
> Suhrkamp-Schrift "Maschinenwinter"fordert auf, zu einer sozialistischen
> Demokratie voranzuschreiten. Gut gebrüllt, Dietmar!
Bild: "Ich möchte gern, dass, wer dies gelesen hat, sich entschiedener im Rech…
"As the Liberty lads oer the sea / Bought their freedom, and cheaply, with
blood / So we, boys, we will die fighting, or live free / And down with all
kings but King Ludd!" Mit diesen Versen von Lord Byron schließt Thomas
Pynchon seinen Essay "Is it o.k. to be a Luddite ?", der die Geschichte von
Ned Lud erzählt, der 1779 in ein Haus in Leicestershire einbrach und "in
einem Anfall wahnsinniger Wut" zwei Maschinen zum Stricken von Strümpfen
zerstörte. Als "King Ludd" wurde er im folgenden Jahrhundert zu einem
mythischen Helden und Bösewicht, zum Urvater aller Maschinenstürmer, die
seitdem Ludditen genannt werden.
Als 1812 das englische Oberhaus die Todesstrafe für die "frame breaker"
einführen wollte, stellte sich Byron in einer flammenden Rede dagegen, die
"Reformer", diese "Lutheraner der Politik", derart zu verfolgen. Pynchon
meinte dann 1984, das sei nicht mehr nötig, weil die Ludditen von heute dem
Charme und der Nutzerfreundlichkeit der Computer erliegen und auf den
Vorschlaghammer verzichten. Zudem seien sie nicht mehr mit Fabrikbesitzern
und empfindlichen Maschinen konfrontiert, sondern mit jenem "permanenten
Machtestablishment von Admirälen, Generälen und Konzernchefs", dem
militärisch-industriellen Komplex, dessen Gefahren Präsident Eisenhower in
seiner Abschiedsrede beschwor und "gegen den durchschnittliche arme
Bastarde wie wir absolut nichts zu melden haben."
Hätten wir schon, würde Dietmar Darth antworten, wenn wir uns auf die
Konzepte von Marx und Lenin rückbesinnen: den Sozialismus. Denn der, so der
Romanautor und frühere Spex- und FAZ-Redakteur unlängst in einem Interview,
"liefert einen soliden Begriffsrahmen, der durch die Geschichte der
Sowjetunion und ihr unschönes Ende so wenig außer Kraft gesetzt ist wie die
Aeronautik durch die Abstürze der ersten Flugmaschinen. Es gibt zehntausend
Jahre Menschheitsgeschichte; erst seit hundertfünfzig Jahren wird versucht,
sie bewusst zu steuern. Dass da einiges schief geht, ist unvermeidlich."
Und somit kein Grund, es nicht erneut zu versuchen. Dies zu befördern hat
Dietmar Darth eine kleine "Streitschrift" vorgelegt: "Maschinenwinter -
Wissen, Technik, Sozialismus." Wir wüssten genug, um die Maschinen, die
keine Früchte mehr produzieren, zu befreien und planvoll zu einer
sozialistischen Demokratie voranzuschreiten. So in etwa die Botschaft aus
den 34 kurzen Kapiteln. "Gut gebrüllt, Dietmar!", möchte man sagen: "Ich
möchte gern, dass, wer dies gelesen hat, sich entschiedener im Recht fühlt
beim Fordern, Streiken, Konspirieren und Untergraben des unvernünftig
Gegebenen."
Im Buch finden sich dazu einige "vernünftige" Beispiele, etwa die
ludditischen Akivisten von heute: Wenn "indische Arbeiterinnen einen
Automaten in Brand setzen, der sie ersetzen soll, spricht man von
Maschinenstürmerei. Sozialistisch ist die nicht, aber nachvollziehbar. [..]
Mit der ungleich gewaltigeren Maschinenstürmerei, die das Kapital
veranstaltet, wenn es technisches Gerät in großen Mengen zu dem exklusiven
Zweck herstellt, Gebäude, Menschen und am Ende sich selbst zu vernichten,
kann sich, mit der Kriegswirtschaft also, dem Big Business sui generis,
kann sich das bisschen Randale von Klein- und Nichteigentümern ohnehin
nirgends messen."
Dath scheint in die künftige Organisation der Linken noch einige Hoffnung
zu setzen, Lenin 2.0 gewissermaßen. Web 2.0 macht jetzt endlich eine echte
Planwirtschaft möglich, Genosse Stalin war seinerzeit einfach noch
überfordert!
MATHIAS BRÖCKERS
6 Jun 2008
## AUTOREN
Mathias Bröckers
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