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# taz.de -- Debatte Myanmar-Hilfe: Humanitäre Diplomatie
> Nur schleppend lässt das Regime in Myanmar die Hilfe für die Opfer des
> Zyklons ins Land. Doch mehr Druck durch die UNO oder eine militärische
> Intervention waren nie realistisch.
Heute vor zwei Wochen versprach die Militärjunta von Myanmar dem
UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon, humanitären Helfern ungehinderten Zugang
ins Katastrophengebiet des Irrawaddydeltas zu gewähren. Dieses Versprechen
hat die Junta bislang nur teilweise erfüllt. Nach UNO-Angaben erreichte die
internationale humanitäre Hilfe bis gestern erst die Hälfte der rund 2,5
Millionen Menschen, die Anfang Mai von der Zyklonkatastrophe betroffen
wurden.
Frankreichs Außenminister Bernhard Kouchner und andere westliche Politiker
hatten bereits in der ersten Woche nach der Katastrophe gefordert, der
UNO-Sicherheitsrat solle durch eine Zwangsresolution die Lieferung und
Verteilung von Hilfsgütern an die Bevölkerung Myanmars anordnen und dies
notfalls sogar mit militärischen Mitteln durchsetzen. Hierbei solle er sich
auf seine "Verantwortung zum Schutz" der Bevölkerung (responsibility to
protect, kurz: R2P) berufen. Gibt die Entwicklung nachträglich all jenen
Recht, die für ein solches Vorgehen des Westens eingetreten waren?
Keineswegs. Und zwar aus völkerrechtlichen, realpolitischen und praktischen
Gründen.
Das neue politische Prinzip der "Verantwortung zum Schutz" der
Zivilbevölkerung wurde im Jahr 2005 von dem UNO-Reformgipfel in New York im
Konsens beschlossen. Der seitdem ernannte R2P-Sonderbeauftragte des
UNO-Generalsekretärs, der US-amerikanische Politologe Edward C. Luck, hat
mit Blick auf die Debatte um Myanmar darauf hingewiesen, dass das neue
Prinzip laut dem New Yorker Gipfelbeschluss ausdrücklich nur für den Schutz
vor Völkermord, Kriegsverbrechen, ethnischen Säuberungen sowie vor
Verbrechen gegen die Menschheit gilt. Daher lasse sich das Prinzip der
"Verantwortung zum Schutz" auf Myanmar nicht anwenden.
Einige westliche Politiker haben die Behinderung von Überlebenshilfe nach
dem Zyklon durch die myanmarische Junta in diesem Sinne als Verbrechen
gegen die Menschheit eingestuft. Der R2P-Sonderbeauftragte lehnte diese
Bewertung jedoch ab. Er argumentierte, in Myanmar sei keine klare Absicht
der Regierung zu erkennen, die eigene Bevölkerung zu schikanieren. Vielmehr
zeigten sich dort die Auswirkungen einer chronisch schlechten
Regierungführung, unter der das Volk leide.
Zu Recht erinnerte Luck zudem daran, dass gemäß ihrem R2P-Prinzip die UNO
zunächst einmal die Verpflichtung habe, ihren Mitgliedstaaten dabei zu
helfen, dem Schutz ihrer Bevölkerungen nachzukommen. Diese
Hilfsverpflichtung ist ein wichtiger Bestandteil des R2P-Prinzips. In der
öffentlichen Debatte, die sehr auf die Möglichkeit von (militärischen)
Zwangsmaßnahmen des Sicherheitsrates verengt wird, geht dies allerdings
meist unter.
Generalsekretär Ban Ki Moon hat versucht, die Hilfsverpflichtung des
R2P-Prinzips umzusetzen. Klugerweise hat er das getan, ohne sich
ausdrücklich auf die "Verantwortung zum Schutz" zu berufen oder gar den
Sicherheitsrat einzuschalten. Bans Bemühen zielte darauf, das politische
und praktische Engagement der Asean-Staaten für die Überlebenshilfe in
Myanmar zu stärken, auf Kooperation mit der Junta zu setzen und es ihr zu
ermöglichen, das Gesicht zu wahren, während sie zugleich ausländische Hilfe
und Helfer ins Land lässt.
Dies war der einzige Weg, der Erfolg versprach, um das Überleben möglichst
vieler Menschen in Myanmar zu sichern. Denn das restriktive Verhalten der
Junta nach dem Zyklon war kein Ausdruck von Stärke, sondern ein Beleg für
ihre Schwäche, Unsicherheit und internationale Isolation. Die öffentlichen
Forderungen westlicher Politiker nach Zwangsmaßnahmen waren
kontraproduktiv, weil sie nur dazu führten, dass sich die Haltung der Junta
weiter verhärtete.
Darüber hinaus war die Strategie des UNO-Generalsekretärs realpolitisch die
einzig mögliche. Ein Resolutionsentwurf, in dem von humanitärer Hilfe für
Myanmar oder gar deren militärischer Durchsetzung die Rede gewesen wäre,
hätte im UNO-Sicherheitsrat sicher nicht die erforderliche Mehrheit von
neun der 15 Mitglieder gefunden - ganz abgesehen davon, dass China
wahrscheinlich sein Veto eingelegt hätte. In der Generalversammlung wäre
ein entsprechender Resolutionsentwurf ganz sicher von einer überwältigenden
Mehrheit der 192 UNO-Staaten abgelehnt worden.
Grund für die Ablehnung ist auch, dass selbst eine vom UNO-Sicherheitsrat
beschlossene militärische Intervention zur Durchsetzung humanitärer Hilfe
für die Bevölkerung Myanmars ja nicht von einer UNO-Truppe unter
UNO-Kommando und mit UNO-Flugzeugen oder -Schiffen durchgeführt würde. Bis
heute wurde die UNO von ihren Mitgliedsländern nicht mit diesen Ressourcen
und Kompetenzen ausgestattet. Eine solche Intervention wäre darum von einer
westlichen Allianz - sei es unter Führung der USA, der Nato oder der EU -
durchgeführt und politisch bestimmt worden: so, wie bei allen militärischen
Interventionen, die seit Ende des Kalten Krieges stattgefunden haben, ob
sie nun humanitär oder anders begründet wurden.
Der Gedanke an eine von westlichen Staaten angeführte Intervention nährt in
den Regierungen zahlreicher UNO-Staaten die Befürchtung, es könne dabei
nicht (oder nicht nur) um die Rettung von Menschenleben, sondern um ganz
andere Interessen gehen. Das gilt nicht nur für Diktaturen, und es ist
durchaus verständlich. Denn Misstrauen schürt auch die selektive Art, mit
der die Forderung nach humanitärer oder menschenrechtlicher Nothilfe von
den westlichen Mächten seit Ende des Kalten Krieges vorgebracht wurde, um
militärische Interventionen zu rechtfertigen, die zum Teil
völkerrechtswidrig waren.
Doch selbst wenn es alle diese Bedenken nicht gäbe: Die Praktiker der
humanitären Hilfe in der UNO wie bei den Nichtregierungsorganisationen
(NGO) sind sich einig, dass der Versuch, humanitäre Hilfe für die
Bevölkerung eines Landes gegen den Willen seiner Regierung oder gar gegen
den militärischen Widerstand seiner Streitkräfte durchzusetzen, nur
scheitern kann. Allein der Versuch würde die Lage der Not leidenden
Bevölkerung noch weiter verschlechtern.
In Myanmar sind in den letzten zwei Wochen zumindest die Einreise- und
Arbeitsmöglichkeiten für MitarbeiterInnen ausländischer
Nichtregierungsorganisationen wie der humanitären UNO-Organisationen besser
geworden. Diese Organisationen brauchen jetzt deutlich mehr finanzielle
Unterstützung, um ihrer Hilfsanstrengungen fortsetzen und ausweiten zu
können. Die Erwartung, dass die schwache Junta auch die Anlieferung von
Hilfsgütern durch US-amerikanische Kriegsschiffe und gar die landesinterne
Verteilung dieser Hilfe durch bis zu 5.000 US-Soldaten in
Militärhubschraubern zulassen würde, war von Anfang an völlig
unrealistisch. Nach dem Rückzug der US-Kriegsschiffe ist die Chance jetzt
größer, dass mehr humanitäre Hilfsgüter nach Myanmar gelangen - wenn auch
nur auf dem langsameren Landweg über Thailand.
5 Jun 2008
## AUTOREN
Andreas Zumach
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